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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 1. 2014 - 16:14

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 29-01-14.

Polizisten und Faschisten, Hausfrauen und Touristen.

Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

Stolze Polizei, arme Polizei und sicher kein Zusammenhang

#politik #gewaltentrennung

Immerhin. Einer vermutet einen Zusammenhang. Der Chefredakteur der Wiener Zeitung kommentiert die Polizeidienststellen-Streichung und stellt im Schlusssatz fest, dass jetzt deshalb niemand mehr vom Polizei-Einsatz beim Akademikerball reden würde.

Es ist ja nur eine Möglichkeit, aber: Wie wäre es das Ganze umgekehrt zu betrachten? Was, wenn der im Vorfeld übertriebene Einsatz, die Übernahme Hamburger Verhältnisse schon im Hinblick auf die intern ja schon längst bekannten Dienststellen-Reform geschehen wäre? Um sich als unverzichtbar-heldenhafte schlagkräftige Unit zu verkaufen, als Retter der Entrechteten und Besieger des schwarzen Drachen - und so einen deutlich stärkeren medialen und öffentlichen Rückenwind in der Schließungs-Causa zu kriegen?

Da die Herrschaften in Dunkelblau nur ein strategisches Remis einfahren konnten, und sich dank eines gesetzesunkundigen und im Sud stochernden Präsidenten zusatzblamiert haben, konnte die mögliche Stufe 2 dieses möglichen Plans gar nicht mehr gezündet werden.

Klingt das zu verschwörungstheoretisch?
Möglich. Es würde aber einige nicht nachvollziehbare Geschehnisse erklären.

Gescheitert wäre der Plan eh.
Und so sieht sich das Innenministerium aber gezwungen die den Polizeiverantwortlichen ethisch nicht geläufige, die Bürgerrechte beachtende Differenzierung in das offizielle Fazit einfließen zu lassen.

Austria is a too small Country to make Faschismus

#politik #austrofaschismus

Die ÖVP hat ein Abgrenzungs-Problem mit ihrer undemokratischen Vergangenheit - und verschuldet damit einen Großteil der gegenwärtigen Demokratie-Krise.

Keiner mag Lopatka, alle stöhnen wenn er öffentlich auftaucht.
Ich schätze ich bin sein einziger Advokat.
Das hat damit zu tun, dass ich den neuen Klubobmann, oder besser: seine Arbeitsweise in seiner Zeit als Staatssekretär im Rahmen einer kleinen Sport&Integrations-Arbeitsgruppe kennengelernt und dort einiges über kluges politisches Management erfahren habe. Und seitdem Sätze wie "der ist ganz anders als er da rüberkommt" von mir gebe, wenn wieder einmal dem Lopatka-Gestöhne das Lopatka-Bashing folgt, das sich meiner Ansicht nach zu sehr an Äußerlichkeiten festkrallt.

Deshalb nehme ich mir das Recht heraus jetzt quasi persönlich enttäuscht zu sein.
Nachdem nämlich das Profil diese Woche den europaweit einzigen Christdemokraten, der sich zum Diktator aufschwang, Engelbert Dollfuß, mit neuen Dokumenten als jemanden outete, der wissentlich Massenmord in Kauf genommen/in Auftrag gegeben hatte, kam die ÖVP wieder einmal in eine bereits routiniert-folkloristische Erklärungs-Not.

Denn im Parlamentsklub hängt das Bild des Anti- und Undemokrat, und für zahlreiche politische Morde verantwortlichen Dollfuß immer noch in der Ahnengalerie, erregt dort regelmäßig Ärger und war diese Woche umso dringender im Gespräch.

Lopatka konnte unter Aufbietung aller erlaubten Tricks und Schmähs die Tatsache rechtfertigen, dass die VP den Mörder hängenlässt (Stichwort: Mahnmal) - ehe er sich dann am Ende seiner Entlastung-Ode in einem Begrifflichkeits-Dilemma verfängt.

Der österreichische Ständestaat von 34 bis 38, der direkt in Austrofaschismus mündete ist bei Lopatka eine (wörtliches Zitat) "Phase, wo ein autoritäres Staatsregime hier war, ein antidemokratisches System".
Den Begriff Austro-Faschismus verweigere er jedoch, weil es sich dabei ursprünglich um einen Kampfbegriff der eigenen paramilitärischen Kampftruppe, der Heimwehr gehandelt habe.
Eine krude und in sich nicht schlüssige Erklärung.

Dass alle relevanten Zeitgeschichtler und Schulbücher sich auf diesen im übrigen höchst treffenden Ausdruck (schließlich lehnte sich das Regime ideologisch ganz stark ans faschistische Italien an) einigen, ficht Lopatka nicht an.

Das schmerzt.
Denn: Loyalität zum Arbeitgeber und Nibelungentreue zu einer Ideologie, die auch fehlgeleitete Althelden nicht abhängen will, gerade noch einmal schön und gut. Aber: die Geschichte durch Verweigerung von allgemeingültigen Begriffen nachträglich umschreiben/schönplaudern zu wollen - das geht zu weit. Und zwar ganz deutlich.

Seltsame Feindbilder: Hausfrauen und Touristen

#sochi14 #sport #gesellschaft

Nirgendwo, das wissen wir seit der Hitzlsperger-Geschichte wieder einmal gut, wird das gesunde Volksempfinden, die beiläufige Streuung von überkommenden Vorurteilen, der alltägliche Rassismus oder Sexismus so gut in die Genre-Folklore eingewebt wie im Sport.

Nirgendwo ist die zivilisatorische Haut, unter der dann das Wüste und Brachiale hervorbricht, so dünn.

Anschaulich zeigte das zuletzt der Wickel im Freestyle-Lager. Da beschwerte sich eine Athletin, die die Norm erbracht und der man offenbar die Teilnahme in Aussicht gestellt hatte, über ihre Nicht-Nominierung - und in seiner Antwort bricht der zuständige Chefcoach Christian Rijavec dann alle sozialen Tabus im Umgang mit Schutzbefohlenen.

In der Sportwoche legte Rijavec dann noch einmal nach: "Wir müssen nicht jeden Touristen schicken. Ich will nicht, dass eine Hausfrau strickend vom Fernseher sitzt und sich denkt: Da fahr ich nächstes mal auch hin." Nochmal zur Klarstellung: die Betroffene, Daniela Bauer, hat die Norm, den Quotenplatz geschafft. ist also weder Touristin noch Hausfrau noch Nasenbohrerin.

Apropos: heute im Falter ein ausführliches Portrait von ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel und seinem wirtschaftlichen Netzwerk.

Und hier ein schöner Link zu einem Überblick über Korruption und Geldflüsse im Umfeld von Sochi.

Abgesehen davon, dass der Freestyle-Bereich jetzt die unselige Nominierungs-Politik der Alpin-Ski-Verantwortlichkeiten übernimmt: was reitet Rijavec, dass er einen Berufsstand diffamiert? Noch dazu einen, der eh von jedem hergelaufenen Dodel unterschätzt und diskreditiert wird?

Und wie viele ehemalige Wintersportlerinnen sind gerade Hausfrau und/oder Mutter und könnten bei entsprechendem Training auf gutem Niveau auch wiedereinsteigen?

Den Touristen-Sager teilt Rijavec mit dem obersten Chef, dem neuen Boss des Österreichisches Olympisches Comité (ÖOC), dem in dieser Aufgabe leicht überfordert wirkenden Generaldirektor der Casinos Austria, Karl Stoss.

Nun ist schon einigermaßen seltsam, wenn ausgerechnet ein Vorarlberger den Begriff 'Touristen' abwertend in den Mund nimmt.
Wenn man aber liest, dass der ÖOC 196 Funktionäre und Betreuer für 130 Aktive nominiert, dann bekommt der Touristen-Terminus eine neue Dimension.

Klar, es kann nicht jede Sportart so schlank aufgestellt sein wie der heimische Eishockey-Verband, der 28 Spieler, 10 Betreuer und 3 Funktionäre entsendet. Und der Auskunft des ÖOC dass "von unserer Seite nur arbeitende Funktionäre auf ÖOC-Kosten Teil der Delegation sind" und dass Vorstandsmitglieder ohne Funktion auf private Kosten nach Sotschi reisen, vertraue ich bedingungslos.
Dass die Arbeit manches Funktionärs auch in geselligem Kontakte-Knüpfen in Festzelten und anderen, leicht als touristisch misszuverstehenden Aktivitäten besteht, wird aber wohl auch dem bereits in Vancouver und London aktiven Stoss klar sein.

Dass er und seine Leute im Falle von Misserfolgen die ersten sein werden, die sich den Tourismus-Vorwurf des Boulevards gefallen lassen werden müssen, sollte doch eigentlich genügen, um diesen etwas dümmlichen Kampfbegriff nicht auch selbst unbedacht einzusetzen.

So wäre es zumindest in einem Bereich, der zivilisatorisch im 21. Jahrhundert angekommen ist.