Erstellt am: 28. 1. 2014 - 14:25 Uhr
Alte Daten, neue Aufregung
Edward Snowden im Gespräch: Der erste Teil des TV-Interviews mit dem NSA-Aufdecker, geführt von NDR-Autor Herbert Seipl, ist im Stream verfügbar.
Erst Ende letzten Jahres haben wir gelesen, dass die NSA sich auch in "World of Warcraft" herumtreiben würde. Jetzt lesen wir, dass Daten und Metadaten ahnungsloser "Angry Birds"-Vogelslinger/innen von den Geheimdiensten kompromittiert werden. Sind spielende Menschen und ihr Verhalten wirklich so interessant und tauschen sich Terroristen über ihre Pläne üblicherweise in Spielewelten aus?
CC-BY-SA-2.0 / flickr.com/risager
Datenfalle Gratis-App
Der Ursprung der aktuellen "Aufdeckung" ist jener wie in vielen NSA-News-Stories der letzten Monate. Es gibt wieder neu veröffentlichte Dokumente von Edward Snowden, die zeigen, dass NSA und GCHQ auch die Daten von Smartphone-Usern gezielt abgreifen. Das macht Sinn, denn App-Daten sind besonders interessant, weil im Smartphone persönliche Daten sehr gebündelt auftreten: Namen- und Telefonliste, SMS, WhatsApp, Social Media-Content, personenbezogene Angaben oder auch Ortsdaten – sofern die GPS-Funktion eingeschalten ist. Viele diese Daten teilen wir mit diversen Apps, etwa der Facebook- und Twitter-App oder auch mit "Google Maps". Welche Daten beim alltäglichen Nutzen dieser Dienste wie genau gesammelt werden, weiß niemand so genau. Auch nicht, wo NSA und Co. sie danach abgreifen.
Die sehr technische Frage nach dem "Wie?" erzeugt mehr Unklarheiten als Aufklärung. Es werden kryptische Bezeichnungen wie "cable-tapping" und "internet buffing" in die Artikel geworfen. Was das genau bedeuten soll, diese Information bleiben die Autor/innen ihren Leser/innen schuldig.
Allgemein gilt: Je mehr Parteien an der munteren Datenverteilung beteiligt sind, desto schlechter. Wer beispielsweise ein Android-Smartphone hat und dort eine (gratis) "Angry Birds"-App spielt, hat schon mal mindestens drei beteiligte Parteien: Google als Betriebssystemhersteller, Rovio, die "Angry Birds"-Entwicklerfirma und alle daran dran hängenden Werbefirmen. Denn Gratis-Apps sind natürlich nur deshalb "gratis", weil viele Drittfirmen mit im Spiel sind, die die gesammelten Userdaten lukrativ an Werbekunden versilbern können.
"Aufdeckungen" aus dem Jahr 2010
So wichtig die Snowden-Aufdeckungen für das Wissen über das Vorgehen von westlichen Geheimdiensten waren und für eine offenen Debatte über Bürger/innen-Sicherheit, biliterales Vertrauen und nicht zuletzt die Stabilisierung von Demokratie im digitalen Zeitalter gesorgt haben - jünger werden die alle gleich alten Leaks nicht. Das stimmt natürlich auch dann, wenn sie Zug um Zug veröffentlicht werden. Viele der in der aktuellen "Angry Birds"-Ausspäh-Geschichte genannten Quellen sind NSA-Leaks, die teilweise bis zu vier Jahre alt sind.
Die Tatsache, dass Smartphones und andere "Kultgerätchen", wie sie IT-Experte und Kollege Erich Möchel gerne bewusst abschätzig nennt, gewissermaßen offene Bücher sind, ist nichts Neues. Wer keine Datenschleuder sein möchte, muss sich aktiv von den Bequemlichkeiten und den zeitgenössischen Verlockungen der mobilen Vernetztheit fernhalten - oder damit leben und sich überlegen, wo man selbst die individuellen Grenzen zieht.
Dass Apps - vor allem jene, die gratis sind - gepaart mit persönlichen Nutzerdaten, ein Fest für Datensammler, -verkäufer sowie Geheimdienste sind, ist ebenfalls schon länger kein Geheimnis mehr. Dass NSA und GCHQ an Smartphone-Daten ebenso interessiert sein müssen wie an "normalen" vernetzten Daten, ist naheliegend.
Snowdens Leaks, so relevant sie waren, altern vermutlich sehr schlecht. Viele der jetzt mit einem "Huch!"-Subtext preisgegebenen Infos sind so alt, dass NSA und Co. wohl längst drüber lachen. Die sind schon viel weiter.