Erstellt am: 27. 1. 2014 - 14:07 Uhr
Rücktrittsreifer Polizeipräsident?
Es war eine emotionale und über weite Strecken leider auch untergriffige Debatte, die Ingrid Thurnher gestern im Zentrum leiten musste.
Denn egal wie man zu den Vorfällen rund um den Akademikerball am Freitag politisch stehen mag, egal welcher Partei man nahe oder fern steht, etliche Äußerungen die in dieser Sendung, aber auch begleitend per Social Media, gefallen sind, verlassen jeden Konsens.
Während Natascha Strobl, Mit-Organisatorin eines Demozuges, sich sichtlich schwer tut, sich von gewalttätigen Zwischenfällen, auch wenn sich 99% der Demonstranten friedlich verhielten, zu distanzieren – nimmt FPÖ-Vertreter Andreas Mölzer dies zum Anlass, ihr auf persönlicher Ebene jede „Damenhaftigkeit“ abzusprechen. Noch weiter geht der Sprecher der FPÖ Parlaments-Pressestelle Martin Glier, der per Twitter die Frage stellt: „Wer hat eigentlich diesen armen naiven Sarközi so verhetzt, dass er überall nur Nazis sieht?“ (Rudolf Sarközi, der gestern ebenfalls zu Gast war, ist übrigens Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma und wurde 1944 im Konzentrationslager Lackenbach geboren.)
Aber auch zu Frau Strobl fiel dem FPÖ Pressesprecher etwas ein – da schrieb er: „Diese Frau Strobl ist ja ein unglaublicher Trampel. Was fällt dem ORF ein solche Kreaturen einzuladen?“
ORF
Die größte Erregung löste dann aber Polizeipräsident Gerhard Pürstl aus, der zuvor schon davon sprach, dass der Abend ein Nachspiel haben werde und er noch so manche, vermeintliche Straftäter zur „Strecke bringen wolle“. Später sagte er dann wörtlich: „Das ist nämlich gut, wenn sie bei der Rettung waren, da gibt´s die Daten, da können wir sie ausforschen.“
Dies war der Zeitpunkt wo sich nicht wenige Zuseher fragten ob er das eben gerade wirklich gesagt hat.
Er hat
Bereits heute gibt es eine Facebook Gruppe „Wir fordern den Rücktritt von Polizeipräsident Pürstl“.
Doch was bedeutet diese Aussage des Landespolizeipräsidenten der Bundespolizeidirektion Wien – und wie ist sie juristisch zu bewerten?
Ich habe diese – und andere Fragen zum Verhältnis der Bevölkerung zur Exekutive – dem emeritieren Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Dr. Bernd-Christian Funk, gestellt.
Wie ist die Aussage zu den Daten von der Rettung juristisch zu bewerten?
Als Jurist bin ich erstaunt über diese Aussage, ich frage mich, auf welche Rechtsgrundlage sich eine solche Datenermittlung stützen könnte, es gibt immerhin ein Grundrecht auf Datenschutz und das erlaubt ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht, die Weitergabe oder Ermittlung solcher Daten. Ich kann mir also nicht vorstellen, auf welche rechtliche Grundlage sich diese Aussage stützt, ich halte sie für rechtswidrig.
Gibt es hier die Möglichkeit einer Ausnahme, etwa wegen Gefahr im Verzug?
Nein, ein Fall von „Gefahr im Verzug“ ist das ja nicht und eine allgemeine Klausel dieser Art gibt es auch nicht, sondern unser Datenschutzrecht beruht auf dem Grundsatz, dass sowohl das Ermitteln, Verwenden und Übermitteln von personenbezogenen Daten jeweils einer entsprechenden, konkret gefassten gesetzlichen Grundlage bedürfen. Und eine gesetzliche Grundlage gibt es für dieses Szenario nicht – im Gegenteil, hier kommen die allgemeinen Verbote und Schutzklauseln des Datenschutzrechts zur Anwendung.
Was wäre ein Fall wo die Rettung oder anderes medizinisches Personal die Daten herausgeben müsste?
Das könnte eventuell im Falle einer Strafverfolgung gegen eine bestimmte Person der Fall sein, das müsste aber mit einer Verfügung der Staatsanwaltschaft erlaubt werden. Und auch dann wäre das nur möglich, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Also ein Nachforschen, um überhaupt rauszufinden, ob man gegen jemanden Ermittlungen einleiten könnte, ist ausgeschlossen.
Die Polizei hat auch in der Akademie der bildenden Künste nach Straftätern gesucht und dort auch Personen festgehalten – wie ist das zu bewerten?
Ich kann im Einzelnen nicht kommentieren, dazu müsste man sich ansehen, was da genau passiert ist und man müsste vor allem auch wissen, von welcher Verdachts- oder Gefahrenlage die Polizei ausgegangen ist. Das kann ich so weder positiv noch negativ kommentieren.
Wann darf die Polizei so ein Universitätsgebäude betreten?
Im Allgemeinen dann, wenn der Verdacht besteht, dass von dort aus ein gefährlicher Angriff ausgeht oder dort stattfindet. Das wäre dann eine gerichtlich strafbare Handlung und nicht nur ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot.
Darf die Polizei die sich bereits dort befindlichen Personen festhalten?
Im Prinzip nein. Um jemanden festzuhalten oder auch nur eine Personenidentität festzustellen, brauche ich eine Grundlage in den entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungen und die sind da ziemlich eindeutig. Dafür bedarf es im Wesentlichen einer konkreten Verdachtslage oder eines gefährlichen Angriffes, des Verdachts einer strafbaren Handlung. So ein allgemeines Vorgehen nach dem Prinzip „Schauen wir mal nach und da könnte ja was sein“ ist nicht zulässig.
Muss ein Polizeibeamter in einer Demo-Situation seine Dienstnummer auf Verlangen herzeigen?
Nein, das ist in der Situation vermutlich nicht möglich und auch nicht geboten. Aber es gibt im Anschluss daran ja ein Verfahren, das zur Klärung des Sachverhalts dient. Ein Verfahren, das von jedem Betroffenen eingeleitet werden kann. Im Allgemeinen ist es zwar so, dass Exekutivorgane bei der Ausübung polizeilicher Befugnisse auch ihre Dienstnummer bekannt geben müssen, das gilt aber nicht dann, wenn durch ein solches Verhalten der Zweck der Amtshandlung in Frage gestellt wäre.
APA
Auch das „Aussperren“ von Journalisten aus der gesperrten Zone wurde gestern vom Vertreter der Journalistengewerkschaft kritisiert. Präsident Pürstl rechtfertigte es damit, dass dies nun schon seit 20 Jahren so existiert. Ist dies rechtens?
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das ein typisches Abwägungsproblem. Das Gesetz erlaubt zur Bewältigung solcher besonderer Gefahrenlagen ein Platzverbot zu verfügen. Das heißt, dass sich niemand,der nicht selbst mit dem Einsatz zu tun hat, sich in dem davon betroffenen Raum aufhalten darf. Eine Ausnahme für Journalisten sieht das Gesetz nicht vor. Das heißt aber nicht, dass die Polizei einfach ohne Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse berechtigt wäre zu sagen „Kein Journalist dort, unter keinen Umständen“. Das ist dann eine Frage der Abwägung und der konkreten Situation. Die Tatsache, dass das jetzt schon seit 20 Jahren so gehandhabt wird, hat an sich keine legitimierende Wirkung, Gewohnheitsrecht gibt es hier keines. Wir haben hier in der Tat ein Rechtsproblem in unserem Polizeirecht, auf das das Gesetz keine klare Antwort gibt. Man wird das Problem aus allgemeinen Grundsätzen her lösen müssen und fragen müssen: Ist es in allen Fällen verhältnismäßig, ein solches Platzverbot in der Weise zu exekutieren, dass man rigide alle Journalisten und Journalistinnen fern hält.
Abschließend – erst jetzt werden Verhandlungsergebnisse zu WKR-Demos bekannt, die bereits Jahre zurückliegen. Warum dauert es so lange bis hier Recht gesprochen wird?
Ich kann mir vorstellen, dass das mit der schwierigen Sachverhaltslage und den äußerst komplexen Sachverhalten zu tun hat und damit, dass Daten unterschiedlichster Provenienz und Signifikanz auszuwerten sind, man das alles wie ein Puzzlespiel zusammenfügen muss und versuchen muss zu schauen, ob man aus den vorhandenen Informationen ein größeres Bild und auch Informationen über einzelnes Geschehen gewinnen kann. Ich gehe davon aus, dass das eine Sache ist, die sehr zeitaufwendig ist.