Erstellt am: 23. 1. 2014 - 16:14 Uhr
Im Universum Peng
Seit ihrem Debüt "Die Zähmung der Hydra" 2012 ziehen Shaban & Käptn Peng ohne große Werbung mit ihrem Hip-Hop immer weitere Kreise in ihren Bann. Im Vorjahr ist das Duo mit Die Tentakel von Delphi zur Band angewachsen, inklusive Album "Expedition ins O".
Käptn Peng ist unterwegs. Und trifft man ihn, ist man erst mal erleichtert. So hoch die Wortdichte in seinen Songs, so ruhig, höflich und geduldig erweist sich Peng im Gespräch. Schließlich gibt es einiges mit dem Deutschen zu besprechen. Bilderwelten tun sich zu den Beats auf, zu Tiefgang darf getanzt werden. Die Resonanz ist beeindruckend. Erstmal will das Fundament erkundet werden, auf dem Käptn Peng nach eigenen Angaben komplett demokratisch dieses Universum baut.
Shaban, der für die Beats verantwortlich ist, und Boris, der Bassist der Tentaktel von Delphi, nicken zustimmend. Zusammen ist man auch das Label Kreismusik, auf dem die eigene Musik und die befreundeter Bands wie "Vögel Die Erde fressen" veröffentlicht wird.
Die Gründung eines eigenen Labels war keine bittere Notwendigkeit, vielmehr hatte Käptn Peng erst gar nicht hartnäckig versucht, auf einem bestehenden Label unterzukommen. "Bei einem großen Label muss man sich eine Identität zulegen und ein Produkt sein", erklärt Peng, "Jetzt freuen wir uns sehr, denn das eigene Label lohnt sich." Alles, inklusive ausgefuchster Videos zu nahezu jedem Song, entsteht im Freundeskreis. Zukünftig folgen Kurzfilme ohne Musik.
Tattoos zum Aufbügeln auf Augenlider
Während die Venues der aktuellen Tour nicht genug Platz für alle um Einlass wartenden Menschen boten, wollte man die Band in Schweiz nicht mit ihrem Merchandise einreisen lassen. Also mussten Shaban & Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi die schönen Dinge spontan zwischenzeitlich in Österreich bunkern.
Da will man wissen, ob es sich denn um besonders tolle Waren handelt? Und erfährt umgehend, wie blitzschnell Käptn Peng mit einer seiner fantastischen Geschichten aufwartet, die den Reiz seiner Lyrics ausmachen. "Es sind Tattoos, die man sich auf die Augenlider bügeln kann, und die dann nie wieder weggehen. Sie kosten 2.000 Euro das Stück, keiner kauft sie, aber sie sind sehr gut", antwortet Käptn Peng. Diese sagenhaften Tattoos findet man selbstverständlich nicht am Merchandisestand.

Maxim Abrossimow
Lyrics mit Tiefgang zum Dancen
In seinen Lyrics kippt ein Bild in das nächste. "Level 4 beginnt, wenn die Trompete erklingt." Ein Metaphernreich eröffnet sich in jedem Song, Esprit und Witz sind bestimmend. Manche Texte erzählen Geschichten, wie das Fabel-hafte "Sie mögen sich". "Manche sind eine Aneinanderreihung von Bild-Fraktal-Schlamm, der irgendwann am Ende ein Gefühl hinterlassen soll, wo man sich befindet", sagt Käptn Peng über jene Texte, die abstrakter bleiben. "Das ist einfach so. Das macht Spaß."
Käptn Pengs Weltbild tut gut. "Es geht weniger darum, wer man ist. Sondern eher darum, was man ist. Die Frage ist nicht, was ist jetzt meine Identifikation, mein Beruf, mein Status oder so. Es geht darum: Aus welcher Art von Stoff ist Mensch gebaut? Und was hat er für abstruse Eigenschaften und Zusammenhänge?"
Sehr guter Hip-Hop offenbart bei jedem Anhören Neues. Und das betrifft auch die Instrumentation.
Ein Kontrabass aus zweitausend Jahre altem Mammutbaumholz, bespannt mit Saiten aus Meerschweinchendarm soll sich im Besitz der Band befinden. "Der wird leider nicht mehr gespielt, er ist ein paar Mal umgefallen und dann war nach zweitausend Jahren Schluss", erzählt Bassist Boris. Den Wahrheitsgehalt kann man als KonzertbesucherIn nicht mehr überprüfen. Auch Die Tentakel von Delphi sind Geschichtenerzähler.

Martin Dost
Mörteleimer statt Schlagzeug
Die besten, tatsächlich zum Einsatz kommenden Instrumente hat allerdings Bandkollege Peter: Eine Säge, Besen, Küchenbleche, aber auch eine WC-Bürste beinhaltet sein Instrumtenarium. Dabei geht es nicht um Gags. Daraus entstehen gute, satte Sounds. "Diese Dinge werden auch live gespielt und mikrofoniert", sagt Shaban. "Peter verbringt sehr viel Zeit mit der Auswahl. Er geht über Flohmärkte, klopft alles ab, und dadurch ist das, was rauskommt, tatsächlich ein Instrument".
Selbst auf ein klassisches Schlagzeug verzichtet Shaban. Auf einem Keyboardständer ist ein Mörteleimer mit drei Snares montiert. "Unsere Bassdrum kostet fünf Euro im Baumarkt", ergänzt Käptn Peng. Nachteil: Der Verschleiß ist hoch. Auf Tour waren Stopps bei Baumärkten Pflicht. "Es ein einziges, wunderschönes Abenteuer so eine Reise", schwärmt Shaban.
Ein bisschen Neugier lässt sich nicht vermeiden
Shaban & Käptn Peng, das sind auch Hannes und Robert, zwei Brüder aus Berlin. Sie sind die Söhne von Schauspielerin Corinna Harfouch und Schauspieler Michael Gwisdek. Soviel Klatsch darf sein. Robert ist auch Schauspieler, war u.a. im Spielfilm "Das Wochenende" von Nina Grosse zu sehen. Hannes komponiert für Theater und Film.
Welche Rolle hat Musik gespielt in ihrer Erziehung und zuhause? "Keine würde ich fast sagen", sagt Hannes. "Mama hat eine Leidenschaft für Musik", sagt Robert. "Mama hört sehr gerne Musik, aber sie hat nicht viel gehört, als wir klein waren: Damit sie uns hört und was wir machen", erzählt Shaban. Klassischer Musikunterricht war nicht. "Wir hatten Kinderplatten, die waren im Osten sehr gut und die haben wir sehr gerne gehört. Dann kamen irgendwann die Beatles und Rage Against The Machine".
Noch dieses Jahr wird es instrumental-vertrackte Beat-Experimente von Shaban auf einem eigenen Album zu hören geben. Dreieinhalb-Viertel-Takt kann da schon mal passieren", man darf sich freuen. Wem die Sprache fehlt, könnte im März den ersten Roman von Robert Gwisdek lesen: "Der unsichtbare Apfel" wird von einem jungen Menschen erzählen, der aufwächst und sich zu verwandeln beginnt. Das bisschen Werbung darf sein.