Erstellt am: 22. 1. 2014 - 14:19 Uhr
Kampf mit der Behörde
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Jeden Mittwoch auf FM4 und als Podcast.
Stefan kann nicht heiraten. Stefan ist ein Bulgare, der seit 15 Jahren in Österreich lebt. Er ist österreichischer Staatsbürger und hat einen festen Job und fixes Einkommen. Alle waren neidisch auf ihn, bis sie mitgekriegt haben, dass er seine Liebe nie heiraten kann.
APA/BARBARA GINDL
Seine erste Liebe war eine seiner Mitschülerinnen aus seiner Geburtsstadt am schwarzen Meer. Sie kam mit großen Erwartungen nach Wien. Die ersten Schwierigkeiten ließen aber nicht lange auf sich warten. Von der MA 35 wurde sie benachrichtigt, dass wenn sie länger als vier Monate in Wien bleiben will, sich dort anmelden soll. Stefan ist ein konsequenter Steurzahler und respektiert die Ordnung. Es hat sich aber herausgestellt, dass dieses simple Anmelden viel schwieriger ist als erwartet. Stefan und seine Liebe gingen am Montag zum Amt. Sie warteten und warteten und kamen bis zum Aufnahmeschluss nicht an die Reihe. Ihr Spaziergang im Park von Schönbrunn musste auch verschoben werden. Sie gingen wieder am Dienstag zur MA 35. Sie warteten und warteten und kamen wieder nicht dran. Am Mittwoch sagte Stefans Freundin, dass wenn sie heute den verdammten Schalter nicht erreichen, sie wieder zurück zum Schwarzen Meer fahren wird. Da wartet man wenigstens nicht endlos in einer Schlange, wenn du mit jemanden leben willst. Stefan dachte zuerst, sie mache Scherze, aber das lange Leben in Wien hat ihn die Entschlossenheit der bulgarischen Frauen vergessen lassen. Am Donnerstag begleitete er sie bis zum Flughafen.
Stefan verliebte sich bald wieder - dieses mal in eine jüngere und auf den ersten Blick geduldigere Frau. Aber nur auf den ersten Blick. Sie wartete geduldig in allen Schlangen. Als sie aber endlich den Schalter erreichte, wurde sie von der Beamtin angeschrien, dass sie etwas falsch ausgefüllt hatte. Diese Beamtin hatte die Manieren eines Feldwebels, sie besaß außerdem das gleiche Vokabular und fast die gleichen Methoden. Das hat das Mädchen so beleidigt, dass sie ihre zwei Doktordiplome mitnahm und gleich von der Dresdener Straße in Wien bis zum Flughafen fuhr ohne ihre Koffer zu packen.
dpa/Friso Gentsch
Jetzt macht Stefan seinen dritten, nach eigenen Worten letzten Versuch. Damit die Sache sicherer wird, hat seine neue Lebenspartnerin ein Kind bekommen, vor ihrer Begegnung mit der MA 35. Jetzt muss Stefan beweisen, dass er genug Geld hat um seine Frau und das Baby zu unterstützen. Niemand glaubt ihm. Jeder betrachtet ihn mit Misstrauen. Um Stefan zu zitieren: "Diese Beamte haben keine Mütter und Väter, sie sind Kinder des Gesetzes!"
Ich versuche Stefan zu beruhigen, dass schon Kafka all das beschrieben hatte. Er schaut mich aber besorgt an und ist gar nicht in der Lage literarische Vergleiche zu machen.
Lieber Stefan, laut einigen Forschern wurde Kafka am meisten von Gustave Flaubert beeinflusst. Lass deinen Kampf mit der Behörde eine "Erziehung der Gefühle" werden. Die Liebe wird siegen!