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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

21. 1. 2014 - 15:29

FM4 Extraleben: Arbeit

Pro-Gamer, Goldfarmer, Spieleentwickler und Omnibusfahrer. Spiele sollen unterhalten, sind aber oft Gegenstand von Arbeit.

FM4 Extraleben

Conny Lee, Rainer Sigl und Robert Glashüttner sprechen über Computerspiele und Arbeit. Am Dienstag, den 21. Jänner 2014 von 21 bis 22 Uhr und danach für sieben Tage on Demand.

"Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel eine freie Handlung nennen, die als und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raumes vollzieht."

Das ist ein prominentes Zitat des niederländischen Kulturhistorikers Johan Huizinga, der als Vater der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit Spielen und damit auch der Computer Game Studies gilt. Das Spiel steht also eindeutig außerhalb von Arbeit. Aber so einfach ist das natürlich nicht.

Spielst du noch oder schaffst du schon?

Diese Frage stellen sich passionierte Spielkulturmenschen oft selbst, wenn sie schon über Wochen hinweg zumindest jeden zweiten Tag um Punkt 20 Uhr vor dem Rechner sitzen und die tägliche Herausforderung in "Spelunky" spielen oder sich alle zwei Stunden die Uhr stellen, um im neuen, drolligen Spiel für unterwegs ein paar Mineralien abzubauen um möglichst effizient voranzukommen. Es ist auch noch gar nicht so lange her, dass sich einige von uns regelmäßig zu fixen Uhrzeiten zum Raid in "World of Warcraft" verabredet haben.

Es ist interessant, dass im Berufsleben die Arbeitseinteilung immer flexibler wird, hingegen in der eigentlich nicht reglementierten Freizeit etwa Computerspiele viele Dinge vorgeben, an denen wir uns nur allzu gerne orientieren.

Vom Goldfarmer zum Pro-Gamer

Ein Ork-Arbeiter ("Grunt") aus dem Computerspiel "WarCraft II".

Blizzard Entertainment

"Work, work" - Der "Warcraft"-Peon ist einer der bekanntesten Arbeiter der Games-Geschichte.

Jugendliche, die gerne und viel Computer spielen, wünschen sich oft einen Job, bei dem sie sich auch beruflich viel mit ihrer Lieblingsbeschäftigung auseinandersetzen können. Geld verdienen durch Spiele bzw. durch Spiele entwickeln ist eine Sache, Geld verdienen in Spielen wiederum eine andere. Es ist fast immer hart verdientes Geld. Das Paradebeispiel, das ja schon seit einigen Jahren in Zeitungen, Fach- und Publikumszeitschriften als auch Büchern dargestellt wird, ist das sogenannte Goldfarmen. Das ist für sich alleinstehend ein recht kurioser Begriff, gemeint ist damit meist das stundenlange Herumlaufen in Online-Rollenspielen. Dort sammelt man möglichst viel Spielgeld ("Gold" oder bestimmte Kunstwährungen) und virtuelle Gegenstände, die man dann um "echtes" Geld weiterverkauft.

Glamoröser - allerdings auch nur für die ganz wenigen Top-Spieler/innen - ist das Leben des Pro-Gamers. Wie bei physischen Sportarten gibt es hier aber ohne stundenlanges, hochgradig diszipliniertes Training keine Chance auf Karriere. In "StarCraft", einer der langlebigsten E-Sport-Disziplinen, ist durch die hohen taktilen Herausforderungen und die notwendige Reaktionsfähigkeit das optimale Alter der Spieler/in weit unter zwanzig Jahren angesiedelt. Viele Profi-Gamer haben ihren Karrierehöhepunkt zwischen 16 und 18 und können ihn dann - nur mit konsequentem Training - im Bestfall ein paar weitere Jahre halten. Mit spätestens dreißig hat man Legenden- bzw. Rentnerbonus.

"Pro" vs. "Noob": Die Sehnsucht danach, die/der Beste im Spiel zu sein, kennt keine Grenzen. Dafür wird viel gearbeitet - verdient aber nur selten.

Virtuelles Reinhackeln

Computerspiele ermöglichen es, mit Knopfdruck an weit entfernte Orte zu reisen, ein/e strahlende/r Held/in zu werden, den Weltraum zu besiedeln oder unsterblich zu werden. Aber oft ist paradoxerweise das genaue Gegenteil faszinierend: Tätigkeiten, die wir aus unserem eigenen Alltag kennen, oder wo wir glauben: Das ist eigentlich ein ziemlich fader Job. Eines der am ersten Blick inhaltlich langweiligsten Games ist gleichzeitig eine der beliebtesten Spieleserien überhaupt: "Die Sims", die als sogenannte Lebenssimulation eigentlich nur ein ziemlich geradliniges, bürgerliches Leben der ersten Welt erlaubt: essen, schlafen, arbeiten, fortgehen, heiraten, Kinder kriegen und aufziehen, alt werden.

Darüber hinaus wird vom Imbissladen über den "Landwirtschaft-", "Omnibus-" oder "Skiregion-Simulator" jede mögliche Arbeits- und Managementsituation am Computer simuliert. Nintendo-Hits wie "Animal Crossing" erlauben Erfolg nur durch mühsames Geld verdienen und langwieriges Einarbeiten in die soziale Gemeinschaft der Spielwelt. Indie-Games wie "Cart Life" wiederum führen uns die alltägliche Tristesse von McJobs vor. Was fasziniert uns so am Abbilden vom Alltäglichen und Banalen und der Arbeitswelt in Computerspielen im Allgemeinen, wo die Spiele uns doch eigentlich eine Flucht aus diesem Trott ermöglichen könnten?

Der Urahn vieler virtuellen Simulationen: das japanische Triebwagenlenkspiel "Densha de go" (Original aus 1996)

FM4 Extraleben, Ausgabe 4: Arbeit

Conny Lee, Rainer Sigl und ich sprechen über Computerspiele und Arbeit. Am Dienstag, den 21. Jänner 2014 von 21 bis 22 Uhr und danach für sieben Tage on Demand.

FM4 Extraleben