Erstellt am: 16. 1. 2014 - 13:03 Uhr
Durchbruch beim Zähmen der Finanzmärkte?
Im ZiB-Beitrag (Mittwoch, 16. Jänner) sah man offensiv gut gelaunte Regierungsmitglieder zuerst für den Fotografen posieren und dann kollektive Zuversicht versprühen. Den Capo der heimischen Innenpolitik-Journalisten, Hans Bürger, vermochte die aufwendig inszenierte Staffage allerdings nicht zu blenden.
Er sagte wörtlich: "Bei allem Respekt für Waidhofen (dort fand die Regierungsklausur statt, Anmerkung) – die wirklich wichtigen Entscheidungen sind heute wo anders gefallen: Ganz strenge, enge Regeln für die Finanzmärkte – und das ist auch ein Erfolg der europäischen Union."
Leider fand man gestern, und findet auch noch heute, wenig Information über diesen kolportierten Durchbruch, den Hans Bürger da kurz angerissen hat. Zumindest keine Schlagzeilen. Die einschlägigen Nachrichten- und Finanzportale sind natürlich voll mit Berichten zu "MiFID II", einer neuen Regulierungsrichtlinie, die man gestern finalisiert hat. "MiFID II" steht für die zweite Auflage von "Markets in Financial Instruments Directive", beschlossen von Rat, EU-Kommission und Vertretern des europäischen Parlaments.
Regulationsvorstoß für Börsen und Investoren
CC BY-SA 2.0 - ota_photos
Nachdem die Banken ja bereits EU-weit durch die sogenannte "Kapitalrichtlinie" reguliert wurden, um damit zu verhindern, dass sich Verwerfungen wie jene der Finanzkrise von 2008 wiederholen, kommen nun, ab 2017, also die Börsen und Investoren dran. Dass dies noch vor der EU-Wahl beschlossen wurde kann unter Umständen als Hinweis verstanden werden, dass man "im Casino nun aufzuräumen beginnt" - und dies eben nicht aus Rücksicht auf die Finanzindustrie (der ja die meisten Politiker die Schuld für die Krise geben) bis zum Sankt Nimmerleinstag verschiebt.
Worum geht's?
Im Prinzip ist das Ganze eine verspätete Antwort auf die Krise (oder die Fortsetzung dessen), die uns seit 2008 plagt. Die meisten Feinheiten werden noch zu klären sein, in welche Richtungen es geht, steht aber bereits fest:
- Alle bisher nicht-regulierten Geschäfte wie manche Termingeschäfte, die eben nicht wie Aktien oder andere Wertpapiere an Börsenplätzen gehandelt werden, sollen künftig in einer Art Sammelbecken erfasst werden. Damit soll gewährleistet sein, dass auch hier die an einer Börse üblichen Informations- und Transparenzpflichten greifen.
- So hofft man auch der Spekulation mit Nahrungsmitteln engere Grenzen setzen zu können. Um es kurz zu machen: Markt-Akteure, die nicht nachweisen können, dass sie selbst die gehandelten Waren (wie Reis, Weizen, Mais, etc.) auch selbst verarbeiten oder sonst wie verwenden, dürfen künftig nur mehr bestimmte Mengen halten oder erwerben. Die genauen Mengen soll die die EU-Aufsichtsbehörde ESMA in Paris bestimmen.
- Schließlich möchte man auch dem sogenannten "High-Frequency-Trading" zu Leibe rücken. Dabei ist der Umstand gemeint, dass seit Jahren vor allem mit Computer-Algorithmen tausende Geschäftsbewegungen pro Sekunde auf der Suche nach minimalsten Preisarbitragen gemacht werden, das kann zu negativen Dynamiken führen. Ursprünglich wollte man eine Mindesthaltedauer, die wird es nun nicht geben, dafür wird es andere Einschränkungen sowie eine Genehmigungspflicht für alle Algorithmen geben.
Obwohl es auch einzelne Kritikpunkte von etlichen Seiten gibt, ist die tendenzielle Befindlichkeit zu diesem Ergebnis von über sechs Jahren Verhandlungen eine positive. Manche strapazieren sogar das Wort "Durchbruch". Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier wird in der Schlusserklärung so zitiert: "Mit diesen Richtlinien schaffen wir es, den Wettbewerb zu verbessern und effektivere und sicherere Kapitalmärkte zu schaffen, auch zum Nutzen der Anleger."
Ein wirkliches Urteil wird man wohl aber erst fällen können, wenn wirklich nach und nach alle Details begutachtet und debattiert werden können.