Erstellt am: 15. 1. 2014 - 19:00 Uhr
Forst, Karst, Frost
Sie sind die österreichischen Aushängeschilder des Typs "Cooler Indie-Game-Entwickler", und mittlerweile gibt es sie auch schon eine Weile. Knapp fünf Jahre ist es her, dass sich aus ein paar TU-Studenten die Firma Broken Rules entwickelt hat. Das erste Spiel "And Yet It Moves" war damals noch für eine Lehrveranstaltung entwickelt worden, später hat es international die Runde gemacht und gilt heute schon als kleiner Indie-Klassiker. Das aktuelle Game von Broken Rules heißt "Secrets of Raetikon" und lässt uns in die Rolle eines entzückenden und eleganten Origami-artigen Vogels schlüpfen. Seit einer Woche ist das Spiel in einer Vorabversion verfügbar, anlässlich dazu habe ich mit Clemens Scott (Creative Director) und Peter Vorlaufer (Game Director) über die Entwicklung des Spiels gesprochen.
Erster Teil einer Trilogie
Forst, Karst, Frost. Unser Vogel soll sich im Laufe einer dreiteiligen Geschichte von den Hügeln über die Baumgrenze bis hin zu windigen Gipfeln vorarbeiten. Doch wie oft bei der Spieleentwicklung gibt es einerseits das, was man plant, und anderseits das, was sich in der vorgesehenen Zeitspanne ausgeht. Meist sind es zwei verschiedene Dinge. Immerhin ist nun "Secrets of Raetikon", der erste Teil der Trilogie, aber nach fast drei Jahren Entwicklung so gut wie fertig. Derzeit kann man das bereits spielbare Game vorab um neun Euro auf Steam für Windows, Mac und Linux kriegen und hat damit dann selbstverständlich auch schon jetzt die später komplett fertige Version mitgekauft. Derzeit steht die frische Version "Alpha 11" (14. Jänner 2013) bereit. Der Großteil des Spiels ist fertig und spielt sich zumeist flüssig und fehlerfrei. Übrigens gibt es für Bastler/innen auch den Leveleditor, mit dem das Entwicklerteam selbst arbeitet.
Das würdest du dir aufs T-Shirt drucken lassen
Die virtuelle Welt von "Secrets of Raetikon" ist zweidimensional, voller schmaler Linien, Dreiecke und starker Farben. Ziemlich hip und damit passend zum guten Ruf von Broken Rules. Dabei war das mit dem visuellen Stil ursprünglich gar nicht so gar geplant, erzählt Clemens Scott.
"Mir ist das erst später aufgefallen, dass das sehr in Mode gekommen ist. Aber ursprünglich hat der Stil gar nicht so sehr auf Dreiecken basiert. Am Anfang war Schraffur eines der wichtigsten Elemente, schwarze Flächen und nur ein paar geometrische Formen. Das hat sich dann etwas ausgewachsen bei anderen Concept Art-Stücken, dass das Dreieck immer mehr in den Vordergrund gerückt ist."
Der Vogel erkundet eine mysteriöse alpine Welt, in der antike verfallene Maschinen verstreut sind, dessen Einzelteile wir finden und Geheimnisse erkunden müssen. Neben Bergen, Höhlen und unterschiedlichen Witterungen gibt es auch eine Tierwelt, die über eine verblüffend eigenständige künstliche Intelligenz verfügt, wie Peter Vorlaufer berichtet.
"Wir haben beschlossen: Vögel sind nicht genug für dieses Spiel, wir brauchen auch Bodentiere, mehr Lebendiges in dieser Welt. Ein Bodentier, das sich am Boden entlang bewegt, ist aber um einiges komplexer (zu programmieren, Anmerkung). Dann haben wir gesagt: Gut, es genügt, wenn wir stupide Bodentiere haben, die können dann nur auf einer geraden Ebene von links nach rechts gehen. Wir waren aber auch damit nicht zufrieden. Irgendwann habe ich dann den wahnsinnigen Beschluss gefasst, dass, wenn wir die Tiere behalten wollen, sie sich im ganzen Level frei bewegen können müssen."
Broken Rules
Künstlerische Freiheit, finanzielle Unsicherheit
Trotz des guten internationalen Rufs, einem fortgeschrittenen Bekanntheitsgrad und einer sehr guten Vernetzung mit der unabhängigen Spieleentwicklerszene ist Broken Rules der große Durchbruch bisher verwehrt geblieben. Das ist einigermaßen verblüffend, immerhin ist "And Yet It Moves" auch als Download für die Wii umgesetzt worden, und der allererste Teil der Bergvogel-Saga, das Mehrspieler/innen-Game "Chasing Aurora", war Ende 2012 exklusiver Launch-Titel der Wii U. Weil man aber als vergleichsweiser Neuling im Nintendo-Portfolio wegen des blendenden Glanzes von Mario, Kirby und Co. schnell mal untergeht und der Wii U bislang nur ein höchst mäßiger Erfolg beschert war, hat sich das Wiener Entwicklerteam entschieden, ab sofort wieder auf Windows, Mac und Linux zu fokussieren.
Für "Secrets of Raetikon" gab es auf Indiegogo kürzlich eine solide erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, die circa 10.000 Euro (circa 13.600 US-Dollar) eingebracht hat - aber leider nicht die erhofften 20.000 Dollar. Ganz dem Klatschpresse-Klischee entsprechend, hat sich das dem Gossip nicht abgeneigte populäre Gaming-News-Portal Kotaku solange nicht für das Spiel, ihre Entwickler und die Funding-Kampagne interessiert - bis es einen kleinen Hacking-Aufreger dazu gab, der sich schlussendlich aber eh in Wohlgefallen aufgelöst hat (der Betrag wurde Broken Rules seitens der Kreditkartenfirma wieder zurück aufs Konto gebucht). Clemens Scott bedankt sich im FM4-Interview im Namen des gesamten Teams vor allem für die vielen aus Österreich stammenden Indiegogo-Backer.
Broken Rules
Mit der Geldspritze von außen und auch dank Fördergelder aus dem Creative Industries-Bereich sind die kommenden Wochen und Monate des sechsköpfigen Studios aber gut gesichert. Darüber hinaus gestaltet die derzeit laufende Frühphase von "Secrets of Raetikon", die international viel Aufmerksamkeit bringt, die finale Entwicklungszeit für die Firma auch abwechslungsreicher als sonst.