Erstellt am: 15. 1. 2014 - 14:55 Uhr
Das UFO im Balkangebirge
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Mit Akzent als Podcast
"Genau wie beim Christentum, sind dessen Nachfolger die schlimmste Werbung für die Idee der Sozialismus!" Das meinte mal vor mehr als einem halben Jahrhundert George Orwell in seinem Roman "Farm der Tiere".
Ich erinnerte mich an diesem Satz zu Weihnachten, mitten auf dem Balkangebirge. Wir standen mit meiner lieben M. vor einer riesigen fliegenden Untertasse, die auf dem Balkangipfel "Buzludja" gelandet ist.
Dieses UFO heißt offiziell "Heimdenkmal der Bulgarischen Kommunistischen Partei" und befindet sich ungefähr 15 Kilometer vom bulgarischen Städtchen Kazanlak entfernt. Neulich wurde dieses Denkmal zu einem der schönsten und seltsamsten verlassenen Orte der Erde gekürt, zusammen mit der Geisterstadt Pripyat in der Nähe des Tschernobyl-Atomkraftwerks oder dem Angkor Wat Tempel in Kambodscha.

Todor Ovtcharov
Das Denkmal wurde zwischen 1971 und 1981 gebaut und kostete die für diese Jahre enorme Summe von 14 Millionen Leva (ein durchschnitlicher Monatsgehalt in Bulgarien betrug zu dieser Zeit 130 Leva). Das Gebäude sollte ein historisches Ereignis verewigen – die Gründung der bulgarischen Sozialdemokratischen Partei, Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Partei spaltet sich bald nach ihrer Gründung in zwei Flügel, der eine wird vergessen und verdammt, der andere wird zum Kultobjekt. Um wieder Orwell zu zitieren: "Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft: wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit."
Das Denkmal schaut heute immer noch sehr imposant aus, mit seinem Festsaal mit einem Durchmesser von 40 Meter und einer 70 Meter hohen Säule. Die Säule soll eine Fahne mit einem roten Stern symbolisieren und das runde Gebäude einen Kranz, der auf dem Berggipfel liegt. Die besten bulgarischen Bildhauer, Architekten und bildenden Künstler wurden für die Errichtung des Denkmals engagiert. Man hat die besten Baumaterialien verwendet, die man aus der ganzen Welt gesammelt hat.
Heute sieht das alles gespenstisch aus. Der Haupteingang des Gebäudes ist verschlossen. Man kommt durch ein Loch an der Wand rein. Die riesigen Mosaiken, die Marx, Lenin und Todor Zhivkov zeigen, sind halb ruiniert und ihre Augen sind ausgestochen. Der Anfang der "Internationale" steht auf der einen Seite des Haupteingangs: "Wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt!" Einige der Buchstaben fehlen. Auf der anderen Seite hat jemand "Forget your past" auf Englisch gesprayt. Dieser Ort ist echt in die Zeitlosigkeit versunken, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft.
Aber so ganz stimmt das nicht. Jedes Jahr in der ersten Augustwoche organisiert die Bulgarische Kommunistische Partei, die sich in Sozialistische Partei unbenannt hat, ein Parteitreffen bei dem "Busludja"-Denkmal. Mit Parteigeldern (eigentlich: Steuergeldern) werden Busse organisiert, die tausende Menschen zum Berggipfel bringen. Für einige ist das eine nostalgische Reise in die Vergangenheit. Für andere eine Wanderung in den Bergen. Für dritte ist es ein exotisches Erlebnis, man sieht ja nicht jeden Tag eine fliegende Untertasse.
Während ich und M. das Denkmal bewundern, kommen ungefähr zwanzig Leute vorbei, die Fotos von sich und der "Untertasse" machen. Die bulgarischen Sozialisten haben es nicht geschafft, eine Touristenattraktion daraus zu machen und Eintrittsgeld einzusammeln, wie im Lenin-Mausoleum in Moskau. Obwohl das Denkmal jetzt in der Liste der "Schönsten verlassenen Orte der Welt" steht.
Neulich trug jemand bei den Protesten in Bulgarien ein Plakat auf dem stand: "Besteigt euer UFO und verschwindet von der Erde!" Das ist aber leichter gesagt als getan.