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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

13. 1. 2014 - 01:01

Affen, Dungeons und Parklücken

Verspieltes Neujahrsfutter für Smartphones und Tablets.

fm4.ORF.at/games

Spiele spielen. Games für Konsolen, PCs, Smartphones und Tablets.

Jahreswechsel ist Aufbruchszeit. Das gilt nicht nur für Neujahrsvorsätze, sondern auch für eine höhere Dynamik beim Erforschen und Ergründen von Dingen. Die gemütlichen Weihnachtsferien sind vorbei und der Tatendurst des neuen Jahres lässt uns neugierig werden. Zum Beispiel auf neue empfehlenswerte Spiele für Smartphones und Tablets.

"Hoplite" [Android, iOS]

"Siedler von Catan" kennt man ja, also das Brettspiel, das aus sechseckigen Feldern besteht. "Hoplite" sieht sehr ähnlich aus. Ein Hoplit, sagt Wikipedia, war übrigens ein Angehöriger der Haupttruppe der griechischen Heere der archaischen und klassischen Zeit. Jedenfalls: Die sechseckigen Felder in "Hoplite" sind wesentlich pixeliger als die Karten aus dem Brettspiel. Retro-Charme also, aber nicht allzu aufdringlich.

Wir können drei Dinge in "Hoplite" machen: Unseren Hopliten bewegen, Nahkampf mit dem Schwert, Speerwerfen und einen großen Sprung mit unseren edlen Stiefeln machen. Das Spiel ist rundenbasiert, wenn wir also eine Bewegung machen, machen die gegnerischen Figuren auch jeweils eine. Jetzt geht es darum, genau zu überlegen, wo man wann hinzieht, an welcher Stelle man welche Waffe einsetzt und wie man es vermeidet, Treffer einzustecken. Wie man sich taktisch immer richtig positioniert und vorwärts bewegt, ist eine Kunst für sich. "Hoplite" ist so minimalistisch wie herausfordernd. Es ist ein bisschen wie Schach für Menschen, die sich nicht immer die Zeit nehmen wollen, eine Partie Schach zu spielen oder keinen Kontrahenten zu haben.

"Dokuro" [Android, iOS, PS Vita]

Das kleine Skelett ist nur ein unwichtiger Unterläufling für den dämonischen Despoten. Doch anstatt dem Meister zu gehorchen, fasst es sich ein Herz und lässt, als gerade niemand hinsieht, die Prinzessin frei. Ende gut, alles gut, könnte man meinen, doch leider ist die Prinzessin noch so in ihrer Trauer gefangen, dass sie gar nicht weiß, wo sie hinläuft. Wer hilft? Natürlich wieder wir, das kleine Skelett.

"Dokuro" ist eine Mischung aus Action- und Puzzlespiel. Die Prinzessin läuft automatisch von links nach rechts und wir müssen ihr den Weg freimachen. Das bedeutet: Unholde ausschalten, bewegliche Plattformen richtig anordnen und diverse Fallen aus dem Weg räumen. Wenn wir den blauen Zaubertrank schlucken, mutieren wir kurzfristig zu einem großen, schlanken Prinzen, der die Prinzessin hochnimmt und über gefährliche Passagen trägt. Wegen der entzückenden Spielfiguren und der wirklich beeindruckenden Grafik, die eine Mischung aus Kreidemalerei, Papierästhetik und Aquarellzeichnung ist, wird das alte Klischee mit der "damsel in distress" wohltuend gebrochen. Die Rätsel sind abwechslungsreich, schlau und oft auch mit herausfordernden Geschicklichkeitseinlagen verbunden. In manchen Abschnitten gibt es sogar Endgegner, die nicht so einfach zu besiegen sind.

"Cyro" [iOS]

Vor mehr als zehn Jahren gabs ein großartiges Spiel aus Japan für den Game Boy Advance. Es hieß "Kuru Kuru Kururin" und man hat dabei einen knuffigen Vogel gesteuert, der sich ins Cockpit einer überdimensionalen Stange setzt, die sich automatisch im Kreis dreht. Damit musste man dann durch enge Gänge navigieren ohne mit der Wand zu kollidieren. Das klingt jetzt etwas kurios, ich fand das Spiel aber wirklich super! Leider hat sich das hierzulande nie durchgesetzt.

"Cyro" ist jedenfalls das erste Spiel, das sich dieser tollen Idee von damals annimmt. Die Cyros sind kleine Männchen, die die um sich selbst drehende Riesenstange durch ein Labyrinth zum Ausgang tragen. Wie bei "Kururin" sind wir für die Navigation verantwortlich. Nach zwei Kollisionen brechen die Cyros immer verärgert die Schlepperei ab und wir müssen von vorne beginnen. Die Levels haben kuriose Formen wie eine aufgehende Sonne, ein gerade eingeschenktes Glas Wein, sich bewegende Zahnräder, ein menschliches Herz oder jemand, der sich nach einer durchzechten Nacht am Klo übergibt. Die Steuerung ist mit virtuellem Steuerkreuz bzw. Analogstick nicht ganz so präzise wie sie manchmal sein sollte, aber sie ist gut genug.

"868-HACK" [iOS]

Über das Mysteriöse und Ungewisse im Inneren des Computers lassen sich wunderbare Geschichten erzählen. "868-HACK" ist eine davon. "Welcome to the Mainframe" steht in pixeliger grüner Schrift auf schwarzem Hintergrund. Danach folgen weitere Sätze, die meisten von ihnen sind Computer-Kauderwelsch und Anspielungen auf Hacker-Kultur. Kurz danach sehen wir ein lachendes Smiley-Face auf einem schachbrettartigen Feld. Alles ist in grober Grafik und in einigen wenigen grellen Farben gehalten. Hier sieht alles so aus, als sei es aus einem Computerspiel, das zumindest 30 Jahre alt ist.

Unser Smiley muss sogenannte Siphons einsammeln, so etwas wie Energiekugeln, mit denen wir diverse Boxen freischalten können, die auf manchen Feldern stehen. Da bekommen wir dann wahlweise Punkte oder irgendeine besondere Fähigkeit zugewiesen, die wir um je ein paar Ressourceneinheiten (Geld, Energie) einsetzen können: etwa den Gegner töten, der am nächstliegenden Feld steht oder eine kleine Explosion hervorrufen. A propos Gegner: Da gibt es jede Menge: Viren, Glitches, Daemons und Cryptogs.

"868-HACK" ist das neueste Spiel vom querdenkenden Spieledesigner Michael Brough, der bekannt für seine besonders schlauen, aber auch etwas sperrigen Games ist. In dem Fall ist es aber gar nicht so sperrig, weil sich "868-HACK" - zumindest von den Regeln her - recht einfach spielt. Nur muss man eben wissen, was man tut. Es ist eine Balance zwischen Risiko, das viel Punkte und Ressourcen einbringt und Sicherheit, das einen zwar weiter kommen lässt, aber wenig Ruhm einbringt. Wer sich gerne mal auf kleine Experimente einlässt und nichts gegen Retro-Grafik einzuwenden hat, sollte sich "868-HACK" unbedingt ansehen. Die Urversion "86856527" ist übrigens auch für Mac und Windows verfügbar.

"Atomic+" [iOS]

Ohne den nötigen lokalen Zusammenhalt ist es nicht einfach, sich in einer Szene zurechtzufinden. Der Ägypter Ahmed Abdel Samea alias Amidos hat von Kindheit an Games programmieren wollen, doch seine technischen Fähigkeiten waren zunächst mäßig und Familie und Freunde haben sich nicht dafür interessiert. Doch er blieb hartnäckig und das hat sich ausgezahlt. Über drei Dutzend Prototypen und Games sind seither erschienen, die meisten davon kleinere Geschicklichkeitsspiele. "Atomic+" ist die Neuauflage eines Titels vom April letzten Jahres. Es ist gänzlich abstrakt: Wir sind ein weißer Kreis und bewegen uns innerhalb kreisförmiger Bahnen - im Kreis.

Tappt man auf das Gerät wandern wir vom innersten kleinsten Kreis automatisch in die größeren Außenkreise. Irgendwo am Spielfeld ist immer ein Quadrat platziert, das wir fangen müssen. Haben wir es, erscheint ein nächstes an einer anderen Stelle. Das ist deshalb nicht leicht, weil eine Gravitation am Werk ist, die uns immer wieder zur Mitte zurückzieht, wenn wir den Finger vom Screen nehmen. Deshalb verpasst man das Quadrat immer wieder mal. Es heißt also: üben, üben, üben.

"No Brakes Valet!" [Android, iOS, Ouya]

Einparken. Das Grauen vieler Fahranfänger/innen (und nicht nur von denen). Am Anfang sucht man sich ja meistens Parkplätze aus, bei denen man nicht reversieren und das Auto mühsam in eine Lücke einfädeln muss. Aber irgendwann lernt man auch das. Oder auch nicht. Wie auch immer: "No Brakes Valet!" sollte einem hier kein Vorbild sein. Links, rechts, bremsen - das ist das einzige, was wir tun können, wenn die kleinen Pixelautos ins Spielfeld hineingeschossen kommen. Aus der Vogelperspektive sehen wir die eingezeichneten Parkplätze, wo die Autos zum Stillstand kommen müssen. Klingt einfach: Ein bisschen lenken, auf einen der Parkplätze zufahren, langsam bremsen, fertig. Aber so leicht ist es nicht.

Zuerst mal muss man sich an die Bremsen gewöhnen, denn am Anfang rechnet man die Bremszeit nicht richtig ein. Gemein ist auch, dass man nie weiß, ob das nächste Auto von links oder rechts unten ins Spielfeld reinschießt. Wenn die Autos nur noch kreuz und quer stehen, bleibt als einzige Chance, dass man - wie beim Boule-Spielen - mit den neuen Autos die schon vorhandenen Autos in einen der Parkplätze reinschiebt. "No Brakes Valet" ist ein bisschen so, wie das gute alte "Micro Machines", nur in einer minimalen Variante, die perfekt für ein kleines Spielchen zwischendurch ist. Es gibt drei verschiedene Levels und zusätzlich auch einen Zweispielermodus, der vor allem auf Tablets viel Spaß macht - fast so wie früher bei der Carrera-Rennbahn.

"simian.interface" [iOS, Browser, Mac, Windows]

"Kalibriere neuralen Datenstrom" ist eine der ersten Sätze, den uns "simian.interface" in pixeliger Schrift entgegen wirft. Unser kleiner Affe dürfte ein Android sein, also ein artifizielles Lebewesen mit sowohl elektronischen Bauteilen als auch biologischen Eigenschaften. Er ist aber nur die nette Verpackung um das eigentliche Spiel herum, denn wir steuern den artifiziellen Affen nicht, wir sehen ihn nicht mal während des Spiels.

Es geht darum, monochrome als auch bunte Linien und Rechtecke auf eine Ebene zu bringen. Also zum Beispiel: das weiße Quadrat muss auf die weißen Quadratlinien gebracht werden. Oder drei bunte Striche müssen so aufeinander liegen, dass sie sich auflösen. Gesteuert wird wahlweise durch das Bewegen des Smartphones oder Tablets oder, ganz klassisch, durch Ziehen mit dem Finger. "simian.interface" erfindet das Rad nicht neu, wird aber sehr nett präsentiert, durch klare Linien, pixelige Kanten und starke Farben. Zwischen den Levels taucht immer wieder mal unser Androiden-Affe auf und ein paar kryptische Computerstatusmeldungen huschen über das Display. In späteren Levels müssen wir dann nicht nur flache Objekte an die richtige Stelle führen, sondern es werden auch Pseudo-3D-Gegenstände eingeführt, bei denen man immer wieder die eigene Perspektive neu überdenken muss, um den Level zu schaffen.