Erstellt am: 12. 1. 2014 - 16:23 Uhr
Irgendwann bleib ich dann dort
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Die Wanderlust ist ein eng mit der Romantik verknüpftes Konzept. Das Verlangen, sich durch ein zunächst nicht unmittelbar auf Nutzen abzielendes Umherschweifen neue Welten zu erobern. Der Wunsch, sich von luftraubenden gesellschaftlichen Vorgaben zu lösen und vielleicht in freier Natur alternative, eigene Lebensmodelle zu finden. Als Lehnwort hat die Wanderlust Anfang des 20. Jahrhunderts Einzug in die englische Sprache gefunden, nur wenig später wurde sie von R.E.M., Sophie Ellis-Bexter und Björk besungen, auch Paul McCartney hat ihr ein Stück gewidmet.
Die Komödie "Wanderlust" zeigte 2012 Jennifer Aniston und Paul Rudd als schickes New Yorker Pärchen, dem über Nacht die Finanzen wegbrechen und das sich in Folge in einer Hippie-Kommune auf dem Lande wiederfindet. Dort erproben sie unter Spinnern, Aussteigern, Bärtigen und Nackten ein anderes, vermeintlich zwangloseres Leben. Freilich versucht der Film dabei - nur mäßig erfolgreich - beide Sphären auf die Schippe zu nehmen, die von Großstadtglamour, Konsum und Kapitalismus genauso wie die der naturverbundenen Weltverbesserer.
Wild Beasts
Die Wanderlust ist aber eben auch ein bürgerliches, ein bisschen eitles Projekt. Wir sind raus und wir sind stolz darauf. Diese Ambivalenz fängt die englische Band Wild Beasts jetzt in ihrer aktuellen, ebenfalls "Wanderlust" betitelten Single gut auf, sie ist der Vorbote auf das demnächst via Domino erscheinende vierte Album der Gruppe.
Die Wild Beasts haben sich bislang immer als große Meister der Doppelbödigkeit, des grandios inszenierten Verwirrspiels und der Theatralik erwiesen. Musikalisch gibt es bei der Band eine zitternde, stets mit höchster Elektrizität geladene Mischung aus elegantem Gitarren-Wave, cabaret-haften Showtunes, Kammer-Pop und den weichen, soulfullen Ausläufern von Postpunk zu hören, immer wieder blitzen Ideen von Lounge Jazz, Exotica und Afro-Pop auf. Gerne singt Frontmann Hayden Thorpe in spitzem, zerbrechlichem Falsett, das sich aber auch ganz schnell zu einem grazilen Fauchen aufschwingen kann, von Sex. Die Musik von den Wild Beats ist ein stilvolles Schwitzen. Danach tupft man sich mit feinstem Tuche die Stirn.
"Wanderlust" ist eines der politischsten Stücke der Band bislang. Ein Song über das Dagegensein, die Ablehnung von Status und System: "They're solemn in their wealth, we're high in our poverty. We see the things they never see." Es ist ein kompliziertes Leben: Während man sich also so im eigenen Außenseiter-Glanz suhlt, brechen immer wieder auch die Zweifel und die Gleichgültigkeit durch: "Don't confuse me with someone who gives a fuck" wiederholt Thorpe ab der zweiten Hälfte des Stücks wieder und wieder.
Zielt er damit auf alles ab und prinzipiell überhaupt? Oder ist es bloß die doofe Welt seiner Feinde, auf die er einen fuck gibt? Das Stück "Wanderlust" erfreut sich am eigenen Rebellions-Schick, denkt aber gleichzeitig genau diesen Gestus mit und weiß, dass die Klärung der Fronten - auch in sich selbst - selten ein schmerzfreies Unterfangen ist. Aussteigen kann vielleicht auch nur der, der drin ist.