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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

12. 1. 2014 - 12:22

Flimmern - Eine gute Woche

... für Albträume, Gewerkschaften hassende KungFu-Kapitalisten, Kokain in Bananenkisten, fischige Währungen und dubiose Marktwerte. Ein assoziativer Wochenrückblick.

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Der assoziative Wochenrückblick von Natalie Brunner



Siehe auch:

Verschmuggelt - Während man in Hamburg demonstriert, hat Berlin was zu lachen.

Ein in Berlin lebender Freund von mir hatte diese Woche wiederholt furchtbare, sogar in den Tag hineinreichende Albträume, dass die Polizei seine Wohnung stürmt und Drogen findet, die er aus Versehen im Supermarkt mitgenommen hat, weil sie in Lebensmitteln versteckt waren. Er wusste auch, warum er diese Albträume hat: 140 Kilo Kokain in Bananenkisten wurden aus Versehen an mehrere Filialen der Supermarktkette Aldi ausgeliefert. Da hat jemand sehr viel Geld verloren, einige Supermarktkunden haben dafür Albträume bekommen und unzählige Photoshop-Gangster wurden auf den Plan gerufen.
Der Gesamtwert der beschlagnahmten Ware, 140 Kilogramm Kokain, liegt nach Angaben von Andreas Beyer vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg bei etwa sechs Millionen Euro.

Mich erinnert die Geschichte an den Koffer, der am 26. Juli 2005 nach mehreren erfolglosen Zustellversuchen an eine Pensionistin in Oberösterreich, die das Ding einfach nicht haben wollte, weil er nicht ihr gehörte, am Flughafen Wien geöffnet wurde. Der laut Zeitungsberichten stark stinkende Koffer enthielt 24 Kilogramm Kokain mit einem Marktwert von 13,4 Millionen Euro.

Das heißt, die Berliner Behörden geben 2014 den Wert eines Kilos Kokain mit 42.857 Euro an. Die österreichischen Behörden im Jahr 2005 mit 558.333 Euro. Solche Schwankungen erschüttern meinen Glauben an die Genauigkeit der Bestimmung des Marktwert sehr.

coinye

Um seinen Marktwert macht sich Kanye West viele Gedanken. Es wäre ihm durchaus zuzutrauen seine eigene Cryptocurrency nach dem Vorbild von Bitcoins einzuführen. Die Währung gibt es jetzt und sie heißt "Coinye West", sie existiert seit dem 11. Jänner.

Kanye West aber hat sie nicht erfunden Und er findet die Idee und dass die Welt glauben könnte, er wäre größenwahnsinnig und führe seine eigene Währung ein, gar nicht gut und lässt seine Anwälte Klagen und Briefe schreiben, dass er nichts mit der Sache zu tun hat.

Die Macher der Währung änderten nach der Klage das Logo. Anstatt dem stattlichen Comic-Gesicht von Kanye sieht man nun sein South-Park-Alter Ego, und da Mr. West in South Park ein Fisch-Fetisch unterstellt wurde, hat er einen Fischschwanz.

Die Hälfte aller Bitcoins wurde im Dezember 2013 von 927 Personen besessen. In Deutschland, wo die Bananenkisten im Supermarkt gelandet sind, besitzt ein Prozent der Bevölkerung ein Viertel des Vermögens. Die reichsten zehn Prozent besitzen 60 Prozent des gesamtdeutschen Vermögens.

Das Vermögen von Run Run Shaw geht in die Milliarden. Er wird auch der KungFu-Kapitalist genannt. Er ist diese Woche im Alter von 106 oder 107 Jahren, darüber gehen die Meldungen auseinander, gestorben.

shaw brothers

Er war einer der reichsten Männer der Filmindustrie und während viele Nachrufe betonen, wie wohltätig und philantropisch Mr. Shaw war, da er das eine oder andere Milliönchen seines in die Milliarden gehenden Vermögen spendete, liest man nur selten davon, dass er auch ein leidenschaftlicher Gewerkschaftshasser war. Er baute in den Sechziger Jahren außerhalb Hong Kongs die Shaw Filmstudios auf, die damals größten Filmstudios Asiens. Die Shaw Brothers produzierten in ihren besten Zeiten über vierzig Spielfilme pro Jahr. Bruce Lee war allerdings beim Konkurrenzstudio unter Vertrag, da die Shaw Brothers sich weigerten, ihm etwas etwas anderes als einen Standard-Vertrag zu geben. Der Wu Tang Clan baute eine ganze Mythologie auf den Samples und den Lehren von Shaw-Brothers-KungFu-Filmen auf.
Run Run Shaw wiederum meinte Ende der Siebziger Jahre auf die Frage, was die größten Unterschiede zu Hollywood seien: "Wir brauchen uns nicht um Gewerkschaften zu kümmern, die, wie es in Hollywood üblich ist, unsinnige Forderungen stellen."

Was hätte Run Run wohl gesagt oder getan, wenn ihn seine gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiterinnen als Geisel genommen hätten?

Das ist nämlich diese Woche dem Werksdirektor und dem Personalchef des vor der Schließung stehenden Goodyear-Werks in Amiens in Nordfrankreich passiert. Das Werk soll geschlossen werden und die Arbeiter_innen kämpfen um ihre Abfindung.

Maurice Taylor, der Chef des Reifenherstellers Titan, der als Hauptinteressent für die Übernahme des Werks gilt, und in Interviews gerne europäische Regierungen, Gewerkschaften und arbeitende Menschen beschimpft, scheint ganz auf der Linie von Run Run Shaw zu sein, was Arbeiter_innenrechte betrifft. Er meinte in Interviews, dass die Arbeiter faul seien, man in Amerika für sowas ins Gefängnis komme und warum sie nicht gleich ein paar Banken überfielen, dann könnten sie sich das Werk ja selber kaufen.

Was vielleicht die beste Lösung wäre, wie in dem Dokumentarfilm The Take von Avi Lewis und der No-Logo-Autorin Naomi Klein zu sehen ist.

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