Erstellt am: 10. 1. 2014 - 15:13 Uhr
Sind Contests der Tod des Snowboardens?
Abseits von Metern und Sekunden
Ein wöchentlicher Überblick über sportliche Entwicklungen und anstehende Veranstaltungen.
Das Snowboardjahr bewegt sich in Zyklen. Im Sommer machen die meisten RiderInnen Pause, im Herbst sind sie auf Gletschern und bewerben ihre Videoproduktionen, im Dezember finden die ersten großen Contests statt und Ende des Jahres, spätestens aber im Jänner zettelt jemand aus der Snowboard Core Szene eine Diskussion an, mit einer oder allen der folgenden Aussagen:
- a) In Snowboard Contests ist der Style verlorengegangen.
- b) Snowboard Contests sind langweilig.
- c) Contest-RiderInnen fehlt die Kreativität.
- d) Nur mehr Spins, kein Style.
- e) Die wirklich lässigen Sachen passieren wo anders.
- f) Früher war alles besser.
Diesmal hat das Onboardmag den ersten Schritt gemacht, mit der provokanten Frage: "Are Contest Killing Snowboarding?". Der Artikel zur Frage ist schon weit weniger provokant und baut eigentlich nur auf der Aussage, dass Judges, um ein nachvollziehbares Ergebnis abzuliefern, nur Fakten - Höhe, Weite und den Umfang an Rotationen - bewerten können und subjektive Kriterien wie Style und Kreativität durchfallen. Daher würden Contests auch wenig Neues hervorbringen, was Snowboarden in einigen Jahren weg vom jungen, rebellischen Image bringen würde, hin zu einem Standing, das heute zum Beispiel der Slalom hätte.
Simon Welebil / FM4
Die Reaktionen aus der Core-Szene darauf (und das sind praktisch alle LeserInnen des Magazins/der Website) sind erwartungsgemäß unterschiedlich ausgefallen, von platt bis differenziert, zustimmend bis ablehnend und mit einem abschließenden Kommentar der Redaktion: Contests werden wohl immer Teil des Snowboardens bleiben und es liegt an jedem Einzelnen zu entscheiden, welchen Einfluss Contests auf das eigene Snowboarden haben. Scheint als wäre das Thema für sie abgehakt, zumindest für diese Saison.
Woran krankt die Contest-Szene?
Dennoch bleibt ein Unbehagen im Bezug auf die Entwicklung von Snowboard-Contests. Gerade in der Olympia-Saison arbeiten alle AthletInnen an besonders harten technischen Tricks, Doubles, Triples, 1440ern, die Normalsterbliche kaum mehr erfassen und unterscheiden können. Selbst Ex-Contestfahrer und Judges wie Ingemar Backman geben zu, dass sie davon gelangweilt sind. In einem Interview mit dem Snowboarder Magazin identifiziert Terje Håkonsen das Problem dahinter:
Now, all events, infrastructures, and competition formats are the same. It’s against all the fundamental values of action sports. The standardization of contests is the biggest challenge of the snowboarding competition scene. All halfpipes are the same, all riders do the same tricks, and they all practice their winning run. If they all land their planned runs, we know the results before the contest even starts. And now this is happening in slopestyle as well, even before the Olympic debut of the event.
So sahen Halfpipe-Contests früher aus, ohne standardisierte Pipes.
Backman gibt den RiderInnen, die in der post-rebellischen Ära des Snowboardens aufgewachsen sind, eine Mitschuld an dieser Entwicklung. Sie wären zu brav und zu angepasst und würden sich zu wenig gegenüber Contest-Veranstaltern und Medien behaupten. Die heutigen Contest-FahrerInnen hätten nicht einmal eigene Ideen, nach welchen Kriterien sie bewertet werden sollten.
Neue Ideen, irgendwer?
Die World Snowboard Tour, ohnehin nur Teiladressat der Kritik, reagiert gelassen. Judge Director Sandy Macdonald meint, dass in den frühen 1990ern auch fast alle die gleichen Tricks gemacht hätten, und nur eine Handvoll Rider wie Jamie Lynn, John Cardiel oder Noah Salaznek andere Sachen probiert und so das Snowboarden und den Style vorangebracht hätten. Heutzutage, wo mehr als 30 Rider Triple-Corks stehen kennten, wäre das Snowboarden in einer ähnlichen Situation. Mehr und mehr RiderInnen erkennen, dass sie sich von den anderen abheben müssen. "Sometimes we forget that difficulty and style do not evolve at the same time... but it always will intersect (in time) in a most amazing way.", und Rider wie Halldor Helgason, Eric Willet oder Torstein Horgmo seien das beste Beispiel dafür.
Doch die Legenden Backman und Håkonsen üben nicht nur Kritik am Zustand des Contest-Snowboardens, sie haben auch Lösungsvorschläge parat. Backman würde gerne wieder reine Style-Runs bei Contests sehen, bei denen Rotationen limitiert sind, wie einst beim Air&Style-Contest. Håkonsen wiederum sieht die Lösung in möglichst vielen verschiedenen Contestformaten. Mit der Arctic Challenge hat er einst selbst ein solches erschaffen, und nachdem die Arctic Challenge in den letzten Jahren auch zu sehr einer Standardisierung nachgegeben hat, soll sie heuer generalüberholt werden.
Get snowboarding riding back to snowboard contests
Im März will Håkonsen Rider nach Oslo einladen, die etwas Neues ausprobieren wollen. Es geht darum, mit verschiedenen Ideen zu experimentieren und das tote Format Halfpipe - fast keine Contests, immer weniger Halfpipes, weniger Rider, fast kein Preisgeld, schlechte TV-Einschaltziffern, keine Event-Zuschauer - wiederzubeleben. Terje will verschiedene Halfpipe-Obstacles ausprobieren und verschiedene Formate. Entstehen soll eine Halfpipe, die mehr bietet als bloß zwei Wände. Der dazugehörige Contest wird zwar keine Punkte für die Weltranglisten abwerfen, aber die World Snowboard Tour ist als Partner mit an Bord. Auf das Ergebnis kann man gespannt sein.
Snowboard Zirkus auf Tour
Bis März wird allerdings noch viel passieren im Snowboard-Zirkus, vor allem werden im Februar vier OlympiasiegerInnen gekürt. Auf den Contests bis dahin kristallisieren sich einige FavoritInnen heraus. Im Halfpipe-Bereich führt wohl kein Weg an den AmerikanerInnen vorbei, sowohl bei den Frauen, als auch bei den Männern dominieren sie die Bewerbe. Im Slopestyle sieht es anders aus. Im vorweihnachtlichen Grand Prix von Copper hatten die EuropäerInnen die Nase vorne.
Ich seh hier übrigens sehr viel Style, trotz Rotationen
Bei den Frauen hat die Sarka Pancochova aus Tschechien gewonnen, vor den Schweizerinnen Isabel Derungs und Elena Koenz und bei den Männern stand Ståle Sandbech ganz oben am Stockerl, über seinem norwegischen Landsmann Torstein Horgmo und Shaun White, der als Dritter endlich ein brauchbares Resultat erreicht hat. Neben diesen drei gibt es aber noch etliche andere Medaillenanwärter, etwa den Kanadier Mark McMorris, der in letzter Zeit auf alle Contests verzichtet, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen.
Nachdem vor Weihnachten fast alle Contest-RiderInnen in Copper am Start waren, verteilen sie sich dieses Wochenende wieder über den Planeten. Während die eine Hälfte in Breckenridge in den USA noch um Olympia-Qualipunkte kämpft, treten die anderen beim 5*-Slopestyle Contest in China, den Nanshang Open an. So kommen wenigstens mehr FahrerInnen an Preisgeld.