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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 1. 2014 - 17:32

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 07-01-14.

Bodenbereitung, witzige Politiker und schon wieder Tirol nur für Tiroler.

Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

Wie praktisch: An den Nazis war Versailles schuld

#geschichte #machtpolitik

Der Wiener Kongress hat, obwohl wirkungsmächtig ohne Ende, keine Chance. Vielleicht dann im September, wenn es dann wirklich genau die 200 Jahre her ist, dass er begann.

Weltkrieg I ist jetzt schon medial flächendeckend der deutliche Jahressieger - obwohl es ja erst im Juli wirklich Zeit für die 100-Jahre-Marke wäre. Aber so funktioniert das mit Gedenkjahren: Da muss man sich (verlagstechnisch, medien-planungsmäßig etc.) schon im Jahr davor gerüstet haben, um den Stellungskrieg um die populärere Aufbereitung zu gewinnen. Und vielleicht sind die besten Dokus zum Thema eh schon 2013 gelaufen.

In jedem Fall hat sich die erste Presse am Sonntag des Jahres monothematisch des Themas angenommen; so wissenschaftlich wie möglich, um ein lesbares Produkt zustande zu bringen.
Dieser für eine Doktorarbeit genügende Reader erzählt vor allem das, was die Doku zum taumelenden Kontinent auch schon angerissen hatte: dass die Zeit von vor und auch nach 1914 viel näher an heute und aktuellen Entwicklungen dran war als viele Ären, die danach folgten.

Ich wurde aber auch (und das nicht ein- sondern mehrmalig) mit einem Detail konfrontiert, über das unter Schülern, die damit aufsatztechnisch konfrontiert sind, folgende Grundsatzfrage kursiert: Was will dein Lehrer denn hören?
Denn die Behauptung, dass der Nationalsozialismus in Deutschland eine direkte Folge des Friedensvertrags von Versailles war, gilt als Lackmus-Test für die politische Grundgesinnung.

In der Presse hieß es zwar ein klein wenig unangreifbarer an einer Stelle "bereitete den Boden für...", gemeint ist aber dasselbe: Hätte der von den Alliierten diktierte Vertrag den Kriegsverlierer Deutschland nicht so geknechtet (und Österreich-Ungarn zerstört), wäre alles ganz anders gekommen. Das im Verein mit der berühmten Dolchstoß-Legende (dass nämlich die Unterzeichner, die demokratisch gewählten Vertreter der Weimarer Republik schuldig wären) habe den Hitlerismus erst so stark gemacht.

Wahr ist: Dieser Fehler (den die Alliierten nach Weltkrieg 2 dann nicht mehr begingen) öffnete einem Populismus Tür und Tor. Dass just der tödlich radikale Nationalsozialismus davon ausgelöst wurde, ist blanker Blödsinn.
Der natürlich nicht zufällig daherkommt. In meiner Schulzeit, in der viele Lehrbücher noch von alten Nazis stammten, war diese Verharmlosung, diese Auslagerung von Schuld (gerade noch; und von der Schülerschaft angeprangerte) Lehrmeinung; auch um Österreich im damaligen Reinwaschungs-Modus zu halten. Heute wird derlei nur in ganz bestimmten von nationalem Gedankengut geprägten Umfeldern bewusst gepflegt.

Deshalb auch meine Verwunderung über den Rückfall in die 70er, den die Presse am Sonntag da vornahm. Die neue alte "Bodenbereitung" durch den Vertrag nach Weltkrieg I fällt in einem politisch rechtsdrehenden Klima, in dem alles eh nicht so schlimm war, wie immer alle tun, gar nicht so sehr auf. Und es erspart Gedanken über die massive und ganz praktische Mitschuld der Schwer- und Rüstungs-Industrie, die nach Versailles beschlossen hatte auf eine populistische Karte zu setzen und sich so für die radikale und tödliche Variante entschied. Aber so etwas will in der wirtschaftsnahen Presse eh niemand lesen; ich Dummerl.

Politiker und der Schmäh: Wie witzig ist Erhard Busek?

#nr-wahl #machtpolitik

Na, da staun' ich aber: Erhard Busek ist einer der Gäste heute in Die.Nacht bei Kabarett-Mensch Eckel.
Busek, früher VP-Chef und Vizekanzler, gilt als gewitzter Wohlformulierer, als übergreifend denkender Liberaler, dem seine Erfindung der "bunten Vögel" für die Wiener Stadtpolitik ihm immer noch (positiv) nachhängt.

Zuletzt war Busek politisches Thema, weil ihn eine Spinnefeindschaft mit dem aktuellen VP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger verbindet. Auf Buseks für einen Parteikollegen scharfe Angriffe reagierte Spindelegger spitz bis böse: Er würde da gar nicht mehr hinhören, Busek habe noch nie ein gutes Haar an ihm gelassen.

Spricht alles für den Alt-Politiker: in der coolen Sendung auftreten, den grau-bleichen Spindi bashen...

Ich wäre wahrscheinlich bei den grienenden Claqueuren dabei, hätte ich nicht, eher zufällig was in der aktuellen Europäischen Rundschau gelesen, einer hochseriösen Politik/Zeitgeschichte Vierteljahresschrift, die von Österreichs politischer Elite (zumindest SP, VP und versprengten Liberalen) verantwortet und von Paul Lendvai herausgegeben wird.

Busek schreibt da auf Seite 87 über die "Wirkliche Wirklichkeit der EU-Donauraumstrategie" und verteidigt da eines seiner Lebensprojekte gegen einen nie direkt zitierten Text aus (nehme ich an) einem Vorgängerheft, was zu völliger Unleserlichkeit führt (die davon, dass sich der Text nach einer Abschrift eines schriftungenügenden mündlichen Diktats anhört, die nicht bearbeitet wurde, noch bestärkt wird).

Die in diesem Text an den Tag gelegte Grundhaltung (an/untergriffig, selbstreferentiell, wehleidig) zeigt (ganz unabsichtlich, aber unverhinderbar) ob seiner Dünnhäutigkeit einen wirklichen Busek hinter dem öffentlichen Busek. Und weil mir diese Mechanismen (in Verhältnismäßigkeit zu emotionale Reaktion, zu grob angelegte Selbstsicherheit, zu starker Richtigstellungs-Drang) allesamt mehr als gut vertraut sind (aus eigener, größtenteils vergangener, vergleichbarer Handhabung), erkenne ich da einen allzu wild um sich Schlagenden, dem in dieser Form keiner zu nahekommen mag (deshalb auch keine Bearbeitung des Text-Wusts), der unter Verzicht auf Belege und Vertiefungen mit dem Gestus des (Nieder)Redners arbeitet.

Das ist das Gegenteil von witzig; es fröstelt einen.
Und es ist auch das Gegenteil eines widerständischen Vizekanzler-Ärgerer: Es zeigt einen verärgerten Elder Statesman, dessen Grundprinzip es ist, keinen neben sich gelten zu lassen.

So absurd es klingt: Nach diesem Busek-Text habe ich die beredt nichtssagende, schmallippig-schnippische Replik Spindeleggers auf die Busek-Kritiken plötzlich verstanden.

Besondere Kenntnisse: Tiroler-Sein reicht völlig aus!

#fußball #provinzialismus

Wir wissen ja: bei Wacker Innsbruck ist seit einiger Zeit alles neu; und vor allem einheimisch, tirolerisch.
Der neue Vorstand, der neue Sportmanager, der neue Trainer: alles klasse Burschen; und hauptamtlich Tiroler. Gerade auf dem Feld sind (immerhin noch die Hälfte) Nicht-Tiroler erlaubt, ansonsten gilt als erstes Einstellungs-Kriterium: die Herkunft. Tiroler = Mensch. Nicht-Tiroler = sorry, kein Bedarf.
Das ist, angesichts eines neuen offensiven Tirolertums gar nicht so verwunderlich.

Der neue Coach, Michael Streiter sucht aktuell einen Co-Trainer. Christoph Westerthaler, liest man, darf es nicht sein (der war vielleicht schon zu lang im Ausland), also fragte man bei Wolfgang Mair nach.
Wolfgang Mair? Spielt der nicht bei Red Bulls Satelliten-Truppe in Liefering? Ja, der spielt dort.
Ex-Teamspieler Mair hat, als er bei der Vienna in Wien war, da die UEFA-A-Lizenz gemacht, den Trainerschein, den der ÖFB ehemaligen Team-Kickern im erleichterten Umfang anbietet. Er hat in diesem Zusammenhang schon als Coach hospitiert, und er hat, soweit ich mich erinnern kann, auch schon Knabenteams gecoacht. Eine richtige Trainer-Ahnung hat der Spieler Mair aber noch nicht; wie auch - er ist aktiver Profi.

Ich habe vorhin die Liste verfügbarer Trainer auf ihre Geburtsorte durchgeschaut, und ja, so viel Tiroler finden sich da nicht, die den Job bei Wacker machen könnten - und weil das (der Geburtsort) wohl das einzige Kriterium für den freien Job ist, wurde also jemand, der noch gar kein echter Trainer ist, kontaktiert.

Laut TT begründete Mair wie folgt: Wenn ich so ein spezielles Jobangebot wie eben in Innsbruck annehme, dann will ich optimal dafür vorbereitet sein. Und das bin ich im Moment nicht."
Will sagen: Mair fühlt sich - so gänzlich ohne Praxis als Coach - nicht bereit.

Ich meine: Diese Ehrlichkeit ehrt diesen Mann.
Ich meine aber auch: Wenn derjenige, den der suchende Verein befragt, erst erklären muss, warum sich das nicht ausgehen kann, dann hat der suchende Verein irgendwas nicht verstanden und sollte tief in sich gehen. Diesmal ganz ohne Scheuklappen
Zu viel Tirolertümlichkeit macht nämlich nicht wirklich hellsichtig.