Erstellt am: 7. 1. 2014 - 14:17 Uhr
2014 wird kein Drohnenjahr
Dem anhaltenden Druck der Rüstungsindustrie auf Öffnung des zivilen Luftraums für unbemannte Flugzeuge und den Ankündigungen von Amazon zum Trotz wird 2014 kein Jahr der Drohnen werden. Amazon hatte im Dezember ein neues Zustellservice für Expresszustellung von Paketen namens "Prime Air" in Aussicht gestellt. Peter Beer, der Präsident des österreichischen Pilotenverbandes, erklärte im Gespräch mit ORF.at, warum es auch in den nächsten Jahren bei solchen PR-Gags bleiben wird.
Unter der bestehenden Gesetzeslage sei es höchstens möglich, dass der Zusteller "eine Drohne über den Zaun schickt und das Paket in ihrem Garten absetzt", sagte Beer. Unter der bestehenden Gesetzeslage fällt solches Fluggerät nämlich in die Klasse der Modellflieger und für die gelten folgende Regeln.
"Spielzeug und ernsthaftes Fluggerät"
Bei einer maximalen Flughöhe von 150 Metern dürfen die gebräuchlichen, kreisförmigen Minihelikopter im Umkreis von 500 Metern rund um den Startplatz geflogen werden. Bebautes Gebiet darf nicht überquert werden, GPS-basierte Navigation kann zwar genutzt werden, allerdings nur, wenn auch direkte Sichtverbindung dabei besteht.
Unter genau diesen Rahmenbedingungen hatte die Logistiktochter DHL der Deutschen Post wenige Tage nach dem PR-Gag von Amazon ein Päckchen Medikamente über den Rhein geflogen. Sehr viel mehr geht mit den kleinen Quadro- oder Oktokoptern aber auch in absehbarer Zukunft nicht. "Wichtig ist, dass solches Spielzeug von ernsthaftem Fluggerät klar abgegrenzt wird" so Beer weiter, "Während schon 150 Kilo Gesamtgewicht für uns Piloten bedenklich sind, so wird es richtig heikel, wenn es um größere Drohnen geht."
Drohne und Airbus
Wenn putzige, kleine Oktokopter präsentiert werden, ist in Wirklichkeit nämlich weit größer dimensioniertes Fluggerät gemeint. "Was wir als Piloten natürlich kritisch sehen, sind größere unbemannte Flugkörper. Ein solcher muss technisch genauso funktionieren wie mein Airbus", sagte Beer, der einen Airbus A320 für eine österreichische Luftlinie pilotiert: "Das geht bis zum Operator des Fluggeräts. In der Zivilluffahrt kann es nur einen Standard geben."
Während es bereits unzählige Fliegern nachempfunden Drohnentypen gibt, sind vom Helikoptertyp gerade eine Handvoll bekannt. Mit dem A-160 "Hummingbird" haben die US-Militärs erst eine einzige Helidrohne zum Lastentransport testweise seit 2012 im Einsatz.
Für den "Drohnenpiloten" in der Bodenstation müssen also genau dieselben Rahmenbedingungen gelten wie sie realen Piloten zur Verfügung stehen. Die haben nun einmal die Möglichkeit durch einen Blick aus dem Cockpit zu überprüfen, ob kein anderer Flieger in gefährlicher Nähe ist oder eine Unwetterfront aufzieht.
Sicherheit und Satelliten
"Wenn diese Sicherheitsstandards, denen bis jetzt keine Drohne weltweit entspricht, eingezogen werden, dann wird das natürlich teuer‶ sagte Beer, denn die Zusatzkosten dafür seien erheblich. Damit der Pilot stets über Sicht verfügt, muss die Drohne einen permanenten Videostream an die Kontrollstation am Boden senden, das kann nur über Satelliten funktionieren. Zudem müsste auch der Funkverkehr der Fluglotsen ebenso übertragen werden, denn deren Anweisungen zu befolgen, ist zwingende Voraussetzung in der zivilen Luftfahrt.
Die Kommunikation zwischen Piloten und Air Control ist direkt über dem UKW-Rundfunkband angesiedelt, allerdings nicht in FM sondern in AM-Modulation, wie es sonst nur noch die wenigen verbliebenen Mittel- und Kurzwellensender benutzen.
Die weltweit erst- und bis jetzt meistverkaufte Helidrohne, der "Camcopter S-100" wird von der österreichischen Firma Schiebel in Wiener Neustadt hergestellt.
Der Unterschied zu Militärgerät
Mit militärischen Drohnen ist das nicht zu vergleichen, denn die operieren unter völlig anderen Bedingungen. Die wichtigste Voraussetzung für den Drohnenkrieg der USA in Pakistan oder Somalia ist die völlige Kontrolle über den jeweiligen Luftraum und die Absenz radargestützter Systeme zur Luftabwehr. Die für gezielte Tötung von hochrangigen Gegnern eingesetzten Drohnen vom Typ Predator und Reaper sind mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h ausgesprochen lahme Enten, die auch für Uraltjets leichte Beute wären.
All diese Drohnen stehen über militärische Satelliten in ständigem Kontakt mit der Bodenstation, was für künftigen zivile Drohnen natürlich ausgeschlossen ist. Militärdrohnen fliegen in weitgehend leeren Lufträumen, während zivile Drohnen in den überfüllten Lufträumen rund um Großstädte operieren würden.
Militärische Routinen
Anders als militärische sind zivile GPS-Systeme nicht gegen Störungen des Signals "gehärtet" und daher angreifbar. Der immer noch nicht geklärte Absturz einer Schiebel-Drohne 2012 in Südkorea passierte während eines lokalen Störangriffs auf das GPS-System durch Nordkorea.
Die derzeit gültigen Routinen für Flugmanöver, wenn der Empfang von GPS-Signalen abreißt, sind aus dem Militärbereich abgeleitetet. Die herkömmlichen, kleinen vier- oder achtmotorigen Helikopterdröhnchen beginnen in einem solchen Fall entweder zu steigen und/oder fliegen zu jenem Punkt zurück, an dem das GPS-Signal zuletzt empfangen worden war.
Solche Routinen seien im zivilen Luftverkehr unbekannt und daher inakzeptabel, sagte Peter Beer, Piloten seien eben nicht von GPS abhängig und reagierten deshalb völlig anders. GPS wird zwar schon lange in der Zivilluftfahrt eingesetzt, war aber stets nur eines von mehreren Navigationssystemen an Bord.
Sekundäre Radarsysteme
Die Bedeutung von GPS hat insofern zugenommen, als "Sekundärradarsysteme" die bisher bekannten langsam ablösen. Die Flieger beziehen ihre Position aus dem GPS-System und senden sie permanent über einen sogenannten ADS/B-Transponder an die jeweiligen Bodenstationen der Leitsysteme. Auf den Bildschirmen der Fluglotsen erscheint so ein virtuelles Radarbild von allen Fliegern.
Wie Sekundärradar und ADS/B funktionieren, in der Wikipedia. Die populäre Website Flightradar24.com bezieht ihre Daten - genauso wie die Flugsicherung -aus einem Netz von ADS/B Empfängern
Das ist erstens genauer als herkömmliche Radars, denn während da nur die Entfernung des Flugobekts vom Radar, Flugrichtung und Geschwindigkeit erhoben werden, liefern die GPS-Signale via ADB/S auch die exakte Flughöhe. Zudem ist ein solches System natürlich weitaus billiger. Herkömmliches Radar steht natürlich auch weiter als Back-Up zur Verfügung, denn in der zivilen Fliegerei sind sämtliche Systeme doppelt redundant vorhanden.
Kollateralschäden
Die selbstdefinierte Kernaufgabe des österreichische Pilotenverband ist die Verbesserung der Flugsicherheit.
Hier entwickeln sich zivile und militärische Überwachung des Luftraums technisch in andere Richtungen. Die Militärs müssen natürlich bei dieser Methode bleiben, da feindliche Flieger nicht von sich aus ihre Positionen senden. In welcher exakten Flughöhe der angegriffene Flieger dann erfolgreich abgeschossen wurde, interessiert die Militärs nicht besonders.
Im dicht gedrängten zivilen Luftraum aber gibt die genaue Flughöhe den Ausschlag, ob zwei Flieger auf Kollisionskurs unterwegs sind. Stürzt ein Reaper der US-Air Force beim Einsatz in Waziristan in einem Wohngebiet ab, dann bedeutet das für die Militärs, dass Ersatz für die Maschine herangeschafft werden muss. Vielleicht bedauert man auch die beim Absturz getöteten Zivilisten, noch mehr wird jedenfalls bedauert, diesen "Kollateralschaden" nicht am Ziel der Mission angerichtet zu haben.
Aus den Aufträgen des Pentagon ist seit der Trend zu sensorgestützten Drohnensystemen deutlich abzulesen.
"Tötungsinstrumente"
Eine solche Denkweise ist einem zivilen Flugkapitän nicht nur fremd, sondern auch tief zuwider. "Wir stehen militärischen Drohnen sehr kritisch gegenüber", sagte Beer zu ORF.at, "weil das Tötungsinstrumente sind und unsere Mission es ist, die Sicherheit der Passagiere zu garantieren."
"Ich will aber klarstellen, dass wir Piloten keineswegs grundsätzlich gegen Drohnen sind", so Beer, es gebe nämlich viel mehr Einsatzmöglichkeiten im Zivilbereich, für die Drohnen prädestiniert seien. Um etwa die Dimension eines Waldbrandes zu erfassen oder die Temperatur eines außer Kontrolle geratenen Abklingbeckens zu messen: "Darum reißt sich kein Pilot."
Der Flug des Falken
"Außerdem könnten auch wir ein bestimmte Sorte Drohnen gut brauchen. Zur Sicherung von Start- und Landungsphasen wäre ein künstlicher Falke ideal, um Vogelschwärme nahe der Runways zu vertreiben. Das ist das einzige wirksame Mittel."
An der Universität Müchen werden dressierte Falken durch einen Windkanal zu ihrem Futterplatz geschickt. Ihre Mission ist es, den Forschern näher zu bringen, warum die Flugeigenschaften eines Falken jenen von Drohnen so hoffungslos überlegen sind.