Erstellt am: 9. 6. 2014 - 14:00 Uhr
Elite Dangerous
Mit Oculus Rift wird im Jahr 2014 eine wichtige technische Innovation marktreif. Doch Gamedesigner, die Spiele für das Virtual-Reality-Headset entwickeln, müssen viel Pionierarbeit leisten. Scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Steuerung, Bewegung und User Interface müssen neu gedacht und angepasst werden – das wird einem z.B. dann klar, wenn man ein altes, nachträglich für das Rift angepasstes Game spielt und das erste Mal an einen stehenbleibenden Ladebildschirm gerät: Die Welt erstarrt, doch der Körper will weiterlaufen. Desorientierung oder sogar Übelkeit können die Folge sein. Spannender als die Rift-Retrofits alter Games sind daher Neuentwicklungen, die derzeit mit dem Oculus Rift im Hinterkopf designt werden. Am besten zeigt das seit einigen Wochen Elite Dangerous, die Neuauflage eines Spiels, das in den achtziger Jahren mit mehreren Pionierleistungen beeindruckte.
Frontier
Elite
Im Jahr 1984 erschien mit Elite das erste Open-World-Sandbox-Game. Was viele Jahre später mit „GTA III“ Teil der Mainstream-Popkultur wurde, funktionierte also bereits in den achtziger Jahren auf 8-Bit-Computern wie dem Commodore 64 oder BBC Micro. Elite war aber auch das erste kommerziell verbreitete Videospiel mit 3D-Vektorgrafik. Und es war 1984 der erste Vertreter eines aufregenden, neuen Videospiele-Genres, der Space-Sim.
Frontier
Dass es nun ausgerechnet die Fortsetzung „Elite Dangerous“ ist, die auch den Grundstein für Space-Sims mit Oculus-Rift-Unterstützung legt, passt aus historischer Sicht also ins Bild. Knapp vor Weihnachten veröffentlichte das britische Entwicklerstudio den ersten Alpha-Build für jene Enthusiasten, die die Entwicklung von "Elite Dangerous" mit einer ansehlichen Summe auf Kickstarter gefördert hatten. Ich war einer dieser spendablen Fans und darf daher seit Mitte Dezember erste Ausflüge in den virtuellen Weltraum unternehmen.
Erster Eindruck
„Ich bin in einem Raumschiff“, ist der erste Gedanke, als ich das skibrillenähnliche Headset aufsetze. Vor mir: Armaturen, holographische Displays, Cockpitglas. Dahinter schweben riesige Asteroiden und flimmern die Sterne. Neben und über mir: Fensterscheiben und mehr Sterne. Ich drehe mich um sehe hinter mir die Lehne meines Pilotensitzes und eine Tür, die wohl zum Rest des Raumschiff führt. Das Innere meines Cockpits wirkt etwa zweimal so groß wie das Innere eines Autos. Der Weltraum jenseits der Fensterscheiben wirkt beinahe unendlich.
Frontier
Ich beschleunige und fliege einige Minuten zwischen den Asteroiden herum. Ich zerstöre Müllcontainer (mein erster Auftrag) und stelle fest, dass Zielen verhältnismäßig einfach ist, wenn man nur den Kopf drehen und auf das Objekt blicken muss. Der Rest der Steuerung und die eigenwillige Flugphysik von Elite Dangerous sind allerdings gewöhnungbedürftig: Ob mit Gamepad oder Maus und Tastatur, zumindest ein Dutzend Tastaturkommandos müssen beherrscht werden. Trotzdem verbringe ich gut zwei Stunden im Weltraum. Von Übelkeit und Simulatoren-Krankheit keine Spur, ganz im Gegensatz zu meinen bisherigen Rift-Ausflügen etwa in Minecraft oder Half-Life 2.
Oculus
Der Alphabuild 1.1 von „Elite Dangerous“ ist kein halbfertiges Spiel, sondern nur ein Bruchteil dessen, was Ende 2014 erscheinen soll. Es ist ein Modul für Weltraumflug und -kampf und ein erster Virtual-Reality-Versuch. Was noch fehlt, sind Handel, Raumstationen, Raumschiffe, ein Universum mit Tausenden Sonnensystemen und eine Multiplayer-Serverstruktur, die das gemeinsame Erforschen des Weltraums ermöglichen soll. Trotzdem ist dieses erste Mini-Demo von Frontier Development vielversprechend. Es sieht erwachsener aus als jede andere Space-Sim bisher und vermittelt ein faszinierendes „Weltraumgefühl“. Ende der neunziger Jahre sagte David Braben einmal, falls er jemals ein neues „Elite“-Game gestalten werde, dann würde das sein Lebenswerk werden. Nun scheint er auf dem besten Weg dazu.
Neben Elite Dangerous werden 2014 auch Chris Roberts' neue Space-Sim "Star Citizen" und CCPs EVE-Online-Ableger "EVE Valkyrie" das Oculus Rift unterstützen.
David Braben
Braben hat sich seit seiner Pionierleistung in den achtziger Jahren nicht auf die faule Haut gelegt. Dem 8-Bit-Hit „Elite“ folgte das großartige Sci-Fi-Spiel „Zarch“ (später als „Virus“ wiederveröffentlicht), mit dem er wieder Pionierleistungen im 3D-Bereich erbrachte. Die hochkomplexen Fortsetzungstitel „Elite II – Frontier“ und „Frontier – First Encounters“ waren zwar spielerisch interessant, aber von Bugs und Streitereien mit dem Publisher geplagt. Danach entwickelte Braben einige Spiele im Auftrag von Sony, etwa das fantastische PS2-Game „Dog’s Life“. Zuletzt machte der erfinderische Brite Schlagzeilen als Gründer der Raspberry Pi Foundation.
Raspberry Pi Foundation
Mit „Elite Dangerous“ geht David Braben nicht nur in kreativer, sondern auch in strategischer Hinsicht den richtigen Weg: Crowdfunding durch die Community von Space-Sim-Liebhabern, serielle Vorstellung einzelner „Module“ des Spiels in der Alpha-Phase, intensive Zusammenarbeit mit den Fans und letztlich die Veröffentlichtung des Spiels ohne Mainstream-Publisher – Minecraft lässt grüßen. So funktioniert die Entwicklung und Veröffentlichung von Videogames heutzutage - schwarmfinanzierte Indiegames krempeln die Videospiele-Industrie um. Ob auch Oculus Rift und Virtual Reality schon bald grundlegende Paradigmen der Kulturform Videospiel neu definieren, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen sind jedenfalls da.