Erstellt am: 29. 12. 2013 - 13:25 Uhr
Alles wird wie neu sein
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Eine alte Kalenderspruchweisheit besagt, dass die einzige Konstante im Universum die Veränderung ist. Alles muss fließen, in Bewegung bleiben, Kreisläufe durchwandern usw. – kann man im Internet in diversen Aphorismen-Sammlungen und Esoterikforen nachlesen. Schön, wenn das Leben spannende Wendungen parat hat und prickelnde Sensationen hinter der Ecke lauern, im besten Falle mag man dann aber doch die Zügel selbst in der Hand behalten. Die Veränderungen mögen doch bitteschön dergestalt sein, dass sie uns weiterbringen, prächtig entwickeln und zu besseren Menschen formen.
Dass nicht immer jeder Veränderung ein neues Kapitel in einem erfreulichen Buch ist, weiß schon ein 5-jähriger, dessen Hund gerade unter die Räder eines LKWs gekommen ist. Der Song "Changes" der Heavy-Metal-Gottheiten Black Sabbath hat so auch einen, man muss es sagen dürfen, denkbar banalen Text.
Charles Bradley
1972 machten sich deutliche Veränderungen im Leben und Arbeiten der Band aus Birmingham bemerkbar: Black Sabbath waren von England aus nach Los Angeles gekommen, um dort ihr viertes, schlicht "Vol. 4" betiteltes Album aufzunehmen. Nun waren Black Sabbath schon davor auch keine Kinder von Traurigkeit gewesen, wie es aber der Moloch L.A. scheinbar so will, wurde jetzt so richtig der Rock’n’Roll in all seiner dunklen Macht Richtung Abgrund getrieben. Man war an dem Punkt angekommen, an dem der Alkohol und die ganzen Drogen nicht mehr so recht Spaß machen wollten. Nachlegen, weiterexistieren.
Gut die Hälfte des Budgets für die Platte soll für Kokain verblasen worden sein, Arbeitstitel des Albums: "Snowblind". Man war fertig, vegetierte im Proberaum vor sich hin. Es kriselte und spannte. Zwischen dumpfem Rausch, Abgestumpftheit, Streit, Absturz und kurzen Funkenflügen der Genialität ergab sich so, gerne auch eher zufällig, das eine oder andere "Experiment": Der Song "Changes" stellte damals - und auch heute noch – eine Ausnahme im Werk von Black Sabbath, einen Weg nach Neuland dar. Eine minimalistische Ballade ohne schwere Riffs, sondern mit Gitarristen und Hauptsongwriter Tony Iommi am traurigen Klavier. Ozzy Osbourne singt davon, wie das so ist, wenn man den Lebenspartner verloren hat und wieder mal erst zu spät bemerkt, was man eigentlich gehabt hat: "I feel unhappy/I feel so sad/ I lost the best friend/ That I ever had." Gerüchteweise soll "Changes" von Drummer Bill Wards Trennung von seiner Ehefrau inspiriert gewesen sein. Der selbst ist auf dem Stück gar nicht zu hören.
Nun hat dieses wunderbare Stück namens "Changes" mehr als 40 Jahre auf dem Buckel und etliche Metamorphosen durchgemacht: Oft schon wurde "Changes" gecovert – von der Thrash-Metal-Band Overkill oder von den Cardigans, von Ozzy selbst mit seiner Tochter Kelly, Eminem hat das Stück gesamplet. Der New Yorker Funk- & Soul-Sänger und große James-Brown-Impersonator Charles Bradley kann diesem schon ein bisschen seelenlos gewordenen Standard jetzt aber doch noch neues funkelndes Leben einhauchen, Unterstützung bekommt er von der Budos Band mitsamt prächtigen Bläsersätzen.
Bradley hat weite Teile seines Lebens mit miesen oder gar keinen Jobs zugebracht, war obdachlos, erst in den letzten Jahren ist ihm ein wenig verdienter Ruhm zuteil geworden. Wenn Charles Bradley von den "Changes" singt, dann wollen wir ihm die Verzweiflung glauben, genauso spüren wir aber - selbst wenn wir ganz genau wissen, dass hier von den negativen, den niederschmetternden Veränderungen die Rede ist - dass in diesem Lied die Hoffnung glüht. Was man nämlich auch auf Kalenderblättern nachlesen kann: Ein Ende kann ein Anfang sein.