Erstellt am: 27. 12. 2013 - 17:12 Uhr
Putin und Erdoğan 2013
Rewind 2013
Der FM4 Jahresrückblick
Was haben Recep Tayyip Erdoğan und Vladimir Putin gemeinsam? Beide sind 2013 innenpolitisch unter Beschuss geraten, beide regieren geopolitisch wichtige Regionen vor den Toren Europas. Und beide haben 2014 eine Menge vor. Erdoğan, bislang "nur" Regierungschef, will sich auch zum Präsidenten wählen lassen. Putin will mit bombastischen Olympischen Spielen der Welt ein russisches Wintermärchen präsentieren.
Wir haben die Korrespondenten Christian Lininger in Moskau und Christian Schüller fürs Radio um eine Einschätzung gebeten. Wie ist 2013 zu beurteilen? Und was wird das Jahr 2014 bringen?
Christian Lininger in Moskau:
ORF
War 2013 ein gutes Jahr? Das kommt ganz darauf an, wen man hier fragt. Fragt man Präsident Putin, wird er sagen, es war ein gutes Jahr. Offenbar fühlt er sich so sicher im Sattel, dass er sich erlauben kann, prominente Kritiker aus der Haft freizulassen.
Wenn man die Kritiker fragt, war es kein gutes Jahr. Chodorkowsky, Pussy Riot sind zwar freigekommen, aber es gibt immer noch politische Gefangene. Wenn die Winterspiele in Sotschi erst einmal vorbei sind, wird die europäische Öffentlichkeit weniger streng nach Russland schauen. Und da befürchten viele, dass das Justizsystem weiter missbraucht werden könnte, um Leute aus dem Weg zu schaffen, die dem Kreml gefährlich werden könnten.
Pussy Riot haben zwar angekündigt, weiter politisch aktiv zu werden. Aber wird das Massenwirkung haben? Wohl kaum. Putin fühlt sich sicher. Und Pussy Riot haben vielleicht Rückhalt bei jungen, urbanen Schichten. Ein kleiner Teil der Bevölkerung. Im weiten Russland ist die breite Masse, ältere Leute, Gläubige, allerdings damit einverstanden gewesen, sie einzusperren. Die breite Masse begrüßt auch die strengen Gesetze Russlands gegen Homosexuellen-Propaganda.
Was wird nach den Olympischen Spielen übrig bleiben? Putin weiß die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Er wird weiterhin das Justizsystem dafür verwenden, Menschen einzuschüchtern. Wie lange das gutgehen wird? Das weiß niemand. Allerdings: Ganz langsam erwacht Russland politisch. Jahrelang ist es hier den Leuten vor allem darum gegangen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Jetzt beginnen sie, sich politisch zu interessieren. Die Frage lautet nun: Wie lange kann Putin da den Deckel drauf halten?
Christian Schüller in Istanbul:
ORF
Dieses Jahr 2013 wird später wohl als ein Wendepunkt in der Geschichte der Türkei gelten. Vor dem Sommer gab es zum ersten Mal in zehn Jahren AKP-Regierung zivilen Widerstand. Rund um den Taksim-Platz und den Gezi-Park haben Gegner von Erdoğans AKP erstmals versucht, eine Allianz zu bilden. Doch die Opposition bleibt schwach in der Türkei. Erdoğan hat es mühelos geschafft, diesen Aufstand niederzuschlagen.
Innerhalb seiner Partei, der AKP, hat Erdoğan bislang wie ein Diktator regiert. Jetzt zeigt sich auch hier langsam Unzufriedenheit: in der Partei, im Parlament, in der Regierung.
Das alles durchkreuzt den Plan, den Erdoğan fürs nächste Jahr hatte. Er wollte sich zu einem mächtigen, unumschränkt herrschenden Präsidenten wählen lassen, der keinerlei Kontrolle mehr zu befürchten hat. Doch dieser Plan ist mittlerweile unrealistisch - zu viel Widerstand regt sich in der eigenen Partei. Und so wird das Jahr 2014 spannend für die Türkei. Dann wird sich zeigen, wohin die Türkei in Zukunft gehen wird.