Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. X-Mas Edition, 23-12-13."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 12. 2013 - 20:34

The daily Blumenau. X-Mas Edition, 23-12-13.

Ist man, was man schenkt?

Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#weihnachten #comics

Habt ihr, werte Lesende, schon alle eure Weihnachtsgeschenke? Ja? Komisch, ich bekomme meine erst am Weihnachtsabend.
Ein schlechter Scherz, ich weiß, sorry dafür, ich wollte zu den Geschenken hin und das war die schnellste Rutsche.

Irgendwann gab es eine prinzipielle Einigung: Wir schenken einander nichts. Oder nur eine Kleinigkeit; okay der Mama schon was G'scheites, aber sonst nix. Kulinarik, Süßigkeiten, Schokolade? Bei den vielen Kekserln und Vanillekipferln im Vorfeld - auch eine strittige Frage...

Am Ende wurden es dann halt doch wieder Geschenke; für jeden. Und eine Süßigkeit oder ein kleines Gourmet-Topferl, je nachdem.

Immerhin hat mich diese ganze, jetzt schon Jahre schwelende Diskussion mit den Liebsten dazu gebracht heuer eine Art Konzept-Geschenk zu machen. Alle kriegen dasselbe, irgendwie.

Wer sich jetzt fragt, wie das geht, es hier zu veröffentlichen, wegen den Überraschungs-Effekt und so....
Geht sich aus: die einen sind in empfanglosem Gebiet (obwohl das wegen des technisch unreif über die Bühne gehenden Hutchinson-Merger aktuell teilweise eh ganz Österreich ist), die anderen kommen derzeit stressmäßig zu nix und die ältere Generation ist nicht netzfit genug.

Und selbst wenn - das Medium ist in diesem Fall nicht gleichzeitig die Message.

Ich schenke also heuer Comics; genauer: Graphic Novels, also Bild-Romane.

Nicht besonderes, wenn es nicht die gesamte Familie (be)treffen würde.

Die Künste, en francais, weil es da noch schöner klingt...
1.sculpture / architecture
2.dessin / arabesque
3.peinture représentative / peinture pure
4.musique dramatique ou descriptive / musique
5.pantomime / danse
6.littérature et poésie / prosodie pure
7.cinéma et lavis photo / éclairage
8.la radio, la télévision ou la photographie
9.la bande dessinée

Die Franzosen nennen den Comic "bande dessinée" (kurz BD) und reihen ihn als "neuvième art", also die neunte Kunst, ganz ohne die läppischen Vorurteile, die der perfekten Verheiratung von Bild- und Text-Ebene sonstwo entgegenschlagen.

Bei Comics, da denken die meisten Menschen an die Micky Maus und bestenfalls TinTin oder Spirou. Bei Comix, da denken diejenigen, die dem Underground-Ethos des Mediums ab den 70ern begegnet sind, an Robert Crumb oder Métal hurlant. Bei Graphic Novels denken die meisten nichts, bei gestützter Abfrage geht sich dann vielleicht Art Spiegelman und sein Opus Magnum Maus aus.

Mittlerweile haben sich auch bei den Graphic Novels mehr als ein Genre etabliert. Gerade eben hoch im Kurs: Adaptionen von klassischen Werken, meist Romanen, aber auch Gedichten; Reportagen - meist aus den Krisen-Weltgegenden, die das Unsag- und Unzeigbare durch den Effekt der Verfremdung sagen und zeigen können; stilistisch ausgefeilte und einem hohen künstlerischen Anspruch, vor allem im Bildbereich, gehorchende Prachtbände. Und Geschichten aus der Geschichte der Populär-Kultur, die von klassischen Medien nicht (gut) abgedeckt werden.

Daneben sind die alten klassischen Bereiche (das Abenteuer, die Tücken des Alltags...) immer noch fit für Bild und Text. Und weil mittlerweile stilistisch ein Anything Goes herrscht, ist von der Gebrauchs-Graphik über das hingerotzte Strichmandl, vom an Malerei orientiertem bis hin zur fast fotorealistischen Darstellung alles möglich.

Der Rest ist wie im guten Film: Wenn du etwas mit einem Bild zeigen kannst, dann verzichte auf den Dialog.

Mit einer gewissen Belustigung folge ich der Tendenz, dass deutschsprachige Romanschreiber, auch solche, die einem konservativen Ethos nachhängen, immer mehr comichafte Elemente in ihre Textwüsten einfließen lassen, egal ob sie die Buchstaben ausbrechen lassen (auf die Sprechblase verzichtet die Graphic Novel zumeist; der Text wird dort montiert, wo er passt) oder sich einer Bildebene bedienen.

Klar, auch das ist nichts Neues, Grass hat immer gezeichnet - dennoch nähert sich der Roman eher der Graphic Novel an als umgekehrt. Und das obwohl die Namensgebung anderes vermuten ließe. Die hat natürlich einiges zur Seriösisierung des Genres beigetragen - aber auch nur weil das im deutschsprachigen wichtig ist, das Seriöse.

Ich schenke heuer Comics; genauer: Graphic Novels, also Bild-Romane.
Mein Vater bekommt die Version eines Romans, den er nicht wie die meisten nur rumstehen, sondern wirklich gelesen hat. Die anderen kriegen bereits verfilmte neue Klassiker, unverfilmbare Reportagen oder schlicht ein Comicbuch, bei dessen Betrachtung mir diese Person assoziativ eingefallen ist.

Ich erwarte keine Begeisterung, eher ein leises Befremden und rechne mit zwei, drei später erfolgenden Bestätigungen des Gefallens im Umgang mit diesem unerwarteten Medium. Sieht nach einem Langzeit-Versuch aus. Obwohl: Noch einmal geht das mit dem einheitlichen BD-Verschenken nicht. Wieder ein Problem mehr: Was tun an Weihnachten 2014?