Erstellt am: 22. 12. 2013 - 22:00 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 22-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
#österreichertum
Gestern, so habe ich heute gelesen, wäre Heinz Conrads 100 Jahre geworden.
Das ist heute kein Household-Name mehr, sondern nur noch eine Figur der Zeitgeschichte.
Das war einmal anders.
Conrads, Schauspieler, Komiker, Conférencier, der berühmteste Radioentertainer seiner Zeit, danach der beliebteste Fernseh-Unterhalter galt der Prototyp des charmanten, händeküssenden Österreichers.
In seiner Radiosendung "Was gibt es Neues" und der TV-Version davon "Guten Abend am Samstag" versammelte er die Nation vor den Empfangsgeräten.
Naja, fast.
Denn obwohl sein zur Legende eingefrorener Begrüßungs-Satz "Guten Abend meine Damen, guten Abend meine Herrn, guten Abend die Madln, servas die Buam" sich auch explizit an ein junges Publikum wandte - Conrads bediente in erster Linie die Omas und Opas und andere früh Vergreiste.
Da wurde heilweltmäßig geoperettlt, gekammersängert, geschleimt und geschäumt, was das Zeug hielt. Conrads hielt die Fiktion einer glücklichen Nation eines Volkes aufrecht, das niemandem Böses antun konnte, weil es ja singt und gut isst und zu allen freundlich ist.
Conrads selber war der Hohepriester dieser Akte, die aus heutiger Sicht in ihrer schwerfälligen, langsamen/atmigen/weiligen, bigotten Selbst- und Fremdbeweihräucherung unerträglich anzuhören/sehen sind.
Conrads und seinen dem Gruselkabinett des 50er-Jahre-Biedermeier entsprungenen musikalischen Begleiter schafften es weite Teile des an sich gegen den Strich gebürsteten Wienerliedes mit ihrem Schmalz fast zu Tode zu bringen. Insofern war die an Conrads' Show erinnernde Ostbahn-Kurti Sendung "Rat und Tat" nicht so sehr ein Nachläufer, sondern ein Wiederhersteller, ein Reperateur.
Wer wie ich gewisse Zeit nach der Ära Conrads die alten Geschichten, die in Funkhaus und Küniglberg-Kantinen über diese guten alten Zeiten erzählt wurde, mitbekam, dem gruselte dann gleich noch einmal, aus anderen Gründen.
Conrads galt als zutiefst unleidlicher Mensch, als echtes Ekelpaket, als jemand, der Mitarbeiter und Kollegen verachtete (und das auch gern zeigte), vor allem aber das, was er an Herz in die Performance legte, im echten Leben nicht einmal ansatzweise in sich trug und sein Publikum nicht ausstehen konnte.
So freundlich Conrads die alten Weiberln, die alleine oder krank vor dem Fernseher sitzen, augenzwinkernd grüßte - kaum waren die Kameras aus, fielen ausschließlich böse Worte.
Irgendwie hatte man das, wenn man als Kind seine Sendung mit der Oma schauen musste, auch schon im Gefühl: da war nichts echt an dieser Grimasse, die sich wie Schleim um die selbstmitleidige österreichische Seele legte.
Ich stelle mir in diesem Zusammenhang, anlässlich dieses Geburtstags drei Fragen.
1) darf man das, schlecht über Tote reden?
2) soll man das, Werk und Künstler zusammenzählen?
3) ist das Conradstum auch heute noch die Basis der Unterhaltungs-Industrie?
ad 1)
ich denke schon, solange es von Relevanz ist. Und wenn jemand, der sich als der Obergefühlvolle aufspielt, dafür in echt nichts als Verachtung über hat, ist das ein wissenswerter Fakt.
Andererseits ist es auch wieder sinnlos, weil...
ad 2)
wenn Kunst, Philosophie, Unterhaltung, Politik, whatever nur dann zählen würde, wenn sie von guten Menschen gemacht werden würde, stünden wir echt schlecht da.
Es ist egal ob Michaelangelo gut aus dem Mund gerochen hat, ob Immanuel Kant seine Winde bei sich halten konnte, ob David Letterman sich von einer Domina auspeitschen lässt oder Mandela ... (nein, das ist noch zu frisch, zu heikel). Völlig egal. It's the Song, not the Singer.
andererseits...
ad 3)
sollte sich ein Widerspruch wie der bei Conrads angelegte, der trotz eines Widerwillens seinem Tun, seinem Publikum gegenüber eine prototypisch österreichische Rolle des Verdrängens einnimmt, in den nächsten Generationen fortsetzen, ist ein Nachhaken durchaus nötig.
Conrads versteckte sich hinter der Figur des Wurtschel, der seine Schuld am zeitlich noch nahen Weltkrieg, am Holocaust, am Nazismus durch ein paar Grimassen und Freundlichkeiten wegwedelt - nur um dahinter den gesamten geparkten Weltekel zu verstauen und auf einen kleinen Teil der Umwelt loszulassen.
Ich denke, dass genau dieser Zustand allzu viele wirkungsmächtige Österreicher immer noch gefangen hält. Menschen, die wissen, dass das was sie tun verlogen und widerwärtig ist, es aber trotzdem durchziehen. Immer lächeln, und sei es noch so falsch, auch im Wissen um die Verblödung die derlei nach sich zieht, um die falsche Vorbildwirkung, um die Folgen, wenn man sich immer entzieht, nie Farbe bekennt.
Ich denke, dass diese Krankheit in Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Medien seuchenhafte Ausmaße angenommen hat. Und klar, das ist keine österreichische Erfindung: Verlogenheit, falsche Masken sind so alt wie die Menschen selbst.
Aber: der österreichische Aspekt trägt (in einer unheiligen Kombination) an der zweifachen Schuld - der als katholischer Mensch und der als historischer Doppelweltkriegsverbrecher.
Der Verzweiflungs-Faktor ist hierzulande ein deutlich höherer.
Und das war es auch, was mich als Kind an Heinz Conrads so unangenehm berührte: dass hier einer so verzweifelt, so unbedingt, so unlocker und so unecht ein lieber guter Mensch sein wollte, dass es - sofern man sich vom Oma-Schmäh an der Oberfläche nicht blenden ließ - richtig wehtat.
Andererseits sind Star-Entertainer von heute (im Vergleich zum Ruhm von Heinz Conrads natürlich Zwerge) selbst wenn sie in vergleichbarer Verzweiflung leben, nicht mehr derart in diesem Nachkriegs-Korsett des Überspielens gefangen: ein Peter Rapp, auch der notgedrungen importierte Sido - das sind Figuren, die ihren Grant und ihren Frust auch einmal rauslassen (manche, wie Armin Assinger so versteckt, dass sie es selber kaum bemerken) und zu ihren Brüchen stehen.
Diese Branche hat aus dem Elend des Conradstums gelernt.
In anderen Bereichen stehen die festgefrorenen Masken noch wie in den Fifties. Ohne Aussicht auf Aufbruch.