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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

21. 12. 2013 - 14:15

Genderpolitischer Coup?

Deutschland hat mit Ursula von der Leyen seine erste Verteidigungsministerin. Darauf reagieren wenige mit Begeisterung über die genderpolitische Sensation und viele mit stumpfem Sexismus.

Am Ende des Jahres kommen die Listen und so wurde jetzt auch die „Google Zeitgeist Liste 2013“ bekannt und damit das, was in Deutschland 2013 der Suchbegriff des Jahres war, nämlich „Wahl-O-Mat“.

Der interaktive Wahlhelfer kam damit noch vor der Immobilien-Plattform „Immobilien Scout“ und der Google- Suche dem tödlich verunglückten Schauspieler Paul Walker. Die Zeitgeist-Listen basieren auf der Auswertung von über einer Billion Suchanfragen, die weltweit im vergangenen Jahr bei Google eingegangen sind.

Insgesamt wurden die Begriffe „Wahlen“, „Fußball“ und „Harlem Shake“ am meisten von den Bundesbürgern im Netz gesucht, ließ Google am Dienstag verlauten. Die „Bundestagswahl“ lag immerhin noch auf Platz 7, das Thema Wahlen hat die Deutschen 2013 also doch sehr beschäftigt.

Inzwischen wurde gewählt und wochenlang über Koalitionen verhandelt. Die Sozialdemokraten haben ihre Mitglieder befragt, die haben dem Koalitionsvertrag zugestimmt und die Große Koalition, liebevoll GroKo genannt, steht. Angela Merkel wurde als Bundeskanzlerin vereidigt- alles keine große Überraschung. Nur eine Personalentscheidung gilt als Sensation: Ursula von der Leyen wurde Verteidigungsministern und damit die erste Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums in der Geschichte der Bundesrepublik, was nun durchweg als „Coup“ und „genialer Schachzug“ bezeichnet wird.

Ursula von der Leyen und Angela Merkel

APA/EPA/KAY NIETFELD

Gleichzeitig tauchen bei diesem Thema wieder jede Menge Geschlechterklischees und Sexismen auf. Am Harmlosesten war noch die Frage, ob denn eine Frau überhaupt Verteidigungsministerin sein könne, da ihr die Berufserfahrung in der Bundeswehr fehle.

Immer noch sind für viele Journalisten und politische Beobachter Frauen in der Politik nur bei den sogenannten „weichen Themen“ wie Familie, Soziales oder Bildung vorstellbar , während Finanzen, Inneres oder eben Verteidigung als „harte“ Männerthemen gelten.

Eine Verteidigungsministerin - darauf reagieren wenige mit Begeisterung über die genderpolitische Sensation und viele mit stumpfem Sexismus. Auf jeden Fall scheint eine Frau als oberste Chefin der Bundeswehr die Fantasie stark anzuregen. Was da anonym kommentiert und getwittert wird, ist auf niederstem Niveau, nichts Neues, wenn eine Männerbastion fällt.

Aber auch Journalisten wurden von dem Novum „Verteidigungsministerin“ zu allerhand schiefen Bildern und muffigen Anzüglichkeiten inspiriert. Von der Leyen wird als Pin Up Girl im Soldatenspind und Lara Croft karikiert. "Die Truppe hört jetzt auf Kommandos im Sopran", titelte WeltOnline. "Dass von der Leyen Spaß daran hätte, einen General vor sich strammstehen zu sehen, kann man sich vorstellen", kommentierte zungenschnalzend die FAZ.
Süddeutsche und Spiegel machten aus van der Leyen gleich die "Mutter der Kompanie" .

Es bleibt die Frage, ob es der Sache des Feminismus dienlich ist, wenn eine Frau Verteidigungsministerin wird. Wer die Bundeswehr als Institution ablehnt, konnte auch nicht darüber jubeln, dass Frauen jetzt dort kämpfen und in Afghanistan und anderswo für geopolitische Interessen sterben können. Aber Männer und Frauen sollten nun mal das Recht haben alle Berufe auszuüben, die sie wollen.

Bemerkenswert ist immerhin, dass gerade die konservativen Christdemokraten mit der Kanzlerin und der neuen Verteidigungsministerin mehr Frauen in Führungspositionen vorweisen, als andere Parteien. Und die brandneue Verteidigungsministerin wird inzwischen als mögliche Nachfolgerin der Bundeskanzlerin gehandelt.