Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Farewell, Zero-Inch!"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

21. 12. 2013 - 15:16

Farewell, Zero-Inch!

Mit Ende des Jahres sperrt der digitale Elektronikmusikmarkt mit der fabelhaften Kuratierung zu. Der Download-Markt ist vor allem durch aggressive Streaming-Angebote unrentabel geworden.

Ende der 2000er Jahre war die Zeit, in der digitale Musik auch bei den größten Skeptiker/innen gewonnen hat: den DJs. Vinyl kaufen und sammeln war und ist zwar zeitlos, doch die verhältnismäßig solide Audioqualität und das zunehmende Wegfallen von Restriktionen (Digital Rights Management) haben MP3s vor gut fünf Jahren endlich zu einer seriösen Alternative zum Plattenhänder um die Ecke werden lassen.

Ein Ausschnitt aus der Frontpage von Zero-inch.com. Der Schriftzug, die Menüpunkte "Cities", "Cataloge" und "Charts". Darunter steht "Hello World!".

Zero-inch.com

Genau zu diesem Zeitpunkt, genauer gesagt im Mai 2008, ist ein kleines Team von Wiener Musikbegeisterten unter der Mitbegründung von Georg Lauteren alias DJ Glow (Musikkuratierung) und Stefan Possert (technische Leitung) mit der Downloadplattform Zero-Inch in diesen Markt reingegrätscht. Durch handverlesene Musiksauswahl, offene Files und eine schicke und höchst funktionelle Applikation hat Zero-Inch von Anfang an eine Sonderstellung eingenommen (FM4 hat berichtet). Es ging darum, Musik, die gefällt und die man für relevant erachtet - in erster Linie Elektronik in sehr vielen Ausformungen - auch außerhalb der DJ-Zirkel an interessierte Gelegenheitshörer/innen zu bringen. Musik sollte im Kontext präsentiert werden, es sollten Zusammenhänge dargestellt und Empfehlungen ausgesprochen werden.

Newsletter für lange Nächte

Über fünf Jahre hinweg hat Zero-Inch mit einem stetig wachsenden Musikkatalog Hörer/innen bei der Stange gehalten. Für viel Begeisterung und oft stundenlanges, digitales Graben haben vor allem die umfangreichen Newsletter gesorgt, bei denen die Redaktion alle paar Wochen die wichtigsten Neuerscheinungen in unterschiedlichen Musikkategorien zusammengetragen hat. Dabei gab es keine Linkwüsten und knappe Standardtexte, sondern vom hochkompetenten Team (meist selbst DJs und Labelbetreiber) selbst aufbereitete Informationen und eine hohe inhaltliche Bandbreite von obskuren 10-Inches bis hin zur Special Edition des bekannten Albums, von dem gerade alle sprechen.

Mit 31. Dezember 2013 schließt Zero-Inch nun seine digitalen Pforten. Seit zwei Wochen ist der Abschiedsbrief online, der vor allem darauf hinweist, dass das Projekt Zero-Inch für alle Beteiligten kaum mehr Platz für andere Dinge gelassen hat. Das Internet schläft bekanntlich nicht, und so musste auch sonntags, feiertags und spätnachts gearbeitet werden. Die Stimmung war durchwachsen, die Lebenspartner/innen waren enttäuscht.

Streaming killed the download star

Der hohe persönliche Einsatz war ein wichtiger Faktor der zum Ende von Zero-Inch geführt hat. Mindestens ebenso wichtig ist aber die Tatsache, dass in letzter Zeit Streaming-Services in einer sehr aggressiven Art und Weise dem Download-Markt den Kampf ansagen. Leider erfolgreich, wie Georg Lauteren erzählt:

"Wenn ich das, was wir als Files verkaufen, als digitale Tonträger verkaufe, sage ich: Super, wo machen wir die nächste Filiale auf? Aber das Problem ist, dass Downloads die Margen um ein Vielfaches geringer werden lassen. Und am Streaming verdient im Moment niemand etwas. Der Streaming-Markt agiert mit einer gigantischen Materialschlacht, wo kleine Anbieter eigentlich nicht mehr mitspielen können. Vor allem die technische Infrastruktur war für uns ein hoher finanzieller Aufwand, der uns seit Jahren bei 0 aussteigen lies. Das ist auf Dauer zu wenig, um so ein Projekt am Laufen zu halten."

Ein schwarzer Hintergrund, in der Mitte ein kleiner, stilisierter, pixelig dargestellter Computer, der im Bildschirm ein trauriges Gesicht macht. Darunter steht der Code "0000000F" und "00000003".

Zero-inch.com

Auch bei Zero-Inch besteht das alte Problem des guten Rufs, von dem man sich aber nichts kaufen kann. Es ist wie bei einer Indie-Game-Serie oder dem kleinen Geschäft an der Straßenecke: Wenn man es super findet, aber dort nie etwas kauft, darf man sich nicht wundern, wenn es das irgendwann nicht mehr gibt. Der ertragreiche Verkauf von digitaler Musik ist alles andere als einfach, (zu) viele User haben es im Fall von Zero-Inch aber dabei belassen, die Vorhör-Snippets im Stream zu konsumieren anstatt auch zu kaufen.

"Der Tenor von vielen Abschiedswünschen, die wir bekommen haben, war, dass die Leute traurig waren, dass nun die Kuratierung weggfällt. Viele haben auch gesagt: Sorry, dass ich nicht mehr bei euch gekauft habe, weil die Newsletter waren immer total toll. Das tut uns schon leid, weil wir haben viel Herz und Seele in diese Kuratierung gesteckt."

Letzter Kaufrausch

Bis Ende des Jahres kann man auf zero-inch.com noch aus dem umfangreichen Backkatalog Musik hören und erwerben, dann wird der digitale Rollladen endgültig dicht gemacht. Wo finden wir gute Musik danach? Georg Lauteren:

Final Essentials: Den letzten Newsletter von Zero-Inch gibt es hier.

"Es gibt eine ganze Reihe von sehr guten Download-Läden, die in die Richtung von Zero-Inch gehen. Boomkat, Whatpeopleplay, und Beatport als Platzhirsch - die haben viel von dem, was wir auf Zero-Inch auch geführt haben. Dann gibt es viele Streaming-Services, wenn man sich nicht mit Downloads herumschlagen will. Was ich natürlich allen empfehle, ist, mal wieder zum Plattendealer an der Ecke zu gehen und ein paar Vinylscheiben mitzunehmen, was ich in letzter Zeit auch wieder vermehrt gemacht habe."