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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 12. 2013 - 19:40

The daily Blumenau. Friday Edition, 20-12-13.

Der jubilierende Weltenbrand von 1914 und Österreichs Rolle jenseits der Idylle.

Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#geschichte #jubiläum

Es wäre dann zwar erst nächstes Jahr soweit, aber es schadet nicht, vorbereitet in dieses dann wohl monströs gegenwärtige Thema zu gehen: 2014 wird, zumindest in bildungsbürgerlichen Kreisen und logischerweise auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, massiv auf 1914 und den Ausbruch des Weltkrieges referenziert werden - von dem damals niemand wusste, dass er der erste von zumindest zweien sein würde.

Das ist ein höchst internationales Thema, weil zumindest die westliche Welt, die Industrienationen, komplett beteiligt waren, weil er sich auf drei Kontinenten und auf zumindest ebenso vielen Meeren abspielte.

Das ist ein höchst österreichisches Thema, weil sich unsere Rechtsvorgänger-Nation (die k.u.k.Monarchie Österreich-Ungarn) nicht wie im Fall von Weltkrieg II (lange Zeit komplett) aus der Verantwortung stehlen konnte, sondern schuldhafter Auslöser ist. Immer wieder wird die Rolle des Bösewichts dem Deutschen Reich (unter Wilhelm II) untergeschoben - diese etwas zu simple Lesart bestreiten neue Forschungen nach Auswertung der entsprechenden Dokumente aber zusehends.

Das passt so gar nicht ins Bild, dass das heutige Österreich von seiner Monarchie hat, das widerspricht den Tourismus-Klischees, der harten Lobbyarbeit der heutigen Habsburger-Generation und der immer noch existenten Beschönigung der "guten alten Zeit" durch Konservative und Nixwisser.

Da gilt es Kontrapunkte zu setzen.
Zum einen die Schuldhaftigkeit zu thematisieren, anstatt die weinerliche Geschichte vom Thronfolger, der einem Attentat zum Opfer fiel, auch heute noch so zu instrumentalisieren, dass es als Kriegserklärungs-Grund, der dann einen verheerenden Weltenbrand auslöste, reicht.

Abgesehen davon, dass dieses dämliche Risikospiel auf Kosten von unendlichen menschlichen Opfer ordentlich (und irgendwie auch absehbar) in die Hose ging: Die Ausrede reichte eigentlich nie, tut es auch heute nicht.

Auf ORF 2 startet heute ab 22:40 die 1914-Berichterstattung mit Teil 1 der Doku Der taumelnde Kontinent nach dem Buch des Historikers Philipp Blom.

Und ein anderer Historiker Herfried Münkler - hier im Kulturzeit-.Interview, schafft es in seinem aktuelle Buch die Vorgeschichte, die Zeit von 1900 bis zum Kriegsausbruch so zu entstauben, dass erstmals auch Bezüge zum Heute möglich sind.

Das offizielle aber auch das inoffizielle Österreich hat sich allzu lange in der Herrlichkeit der Sissi-Filme verloren, die Jahrhundertwende maximal über den depressiven Blick von Schnitzler-Stücken interpretiert und vor allem nach den Greueln von Weltkrieg II das Ende der Monarchie zu einer Lachnummer degradiert, als Vater der Klamotte ausgeschildert, den durch Inzucht verblödeten Graf Bobby ins Manöver geschickt.

Dass sich die Auswirkungen der industriellen Revolution auch tief in die Monarchie eingeschnitten hatten und sie ebenso ins Wanken brachten, wie die verstärkten Emanzipations-Bestrebungen von Arbeiterklasse, immer wieder in Wellen nach Österreich nachrückenden Völkerschaften aus dem bis in die Ukraine reichenden Staatsgebilde, oder von Frauen und intellektuellen Freidenkern, ist keineswegs Common Sense. Dass die just in Wien erfundene Psychoanalyse eine dringende Notwendigkeit war, weil zu keiner Zeit der Kern des alten Patriarchentums (und damit der Hort der Männlichkeit) so angekratzt war, wie an dieser Schnittstelle zwischen vorindustrieller und industrieller Gesellschaft, und das Burn-out damals viel stärker Volkskrankheit war als heute, wird ebenfalls gerade erst ansatzweise thematisiert.

Das was Florian Illies für das namenlose Jahr vor 1914 geleistet hat, nämlich ihm ein Gesicht zu geben, das steht für 1914 noch aus.
Denn die Werke der erwähnten Historiker in allen Ehren - sie werden keinen Massen-Appeal erzielen können. Und genau der fehlt, um aus der in uns allen assoziativ angelegten Kaiser-Franz-Joseph-Herrlichkeit zwischen (künstlicher) Heimat-Idylle der Marke Bad Ischl und treuherziger Monarchen-Güte, die jegliche Kriegsbeteiligung ausblendet, zu vernichten.

Und vernichtet gehört sie. Radikal.
Als in den 70ern einmal eine Joseph Roth-TV-Verfilmung den alten, ein wenig senil gezeichneten Kaiser im Nachthemd zeigte, entzündete sich in den Medien ein öffentlicher Sturm der Entrüstung.
Den würde es heute nicht mehr geben (auch weil die echte Erinnerung bereits verblasst ist) - dafür aber eben auch keinerlei kritische Darstellung mehr (weil die fiktive Erinnerung die Realität abgelöst hat).

Wenn das offizielle Österreich mehr Kraft investiert, um aus dem 100-Jahre-Jubiläum ein Sehnsuchts-Folklore-Spektakel zu machen als darin, die Schrecken der Zeit, die Grauslichkeit der Diktatur (den auch die aufgeklärte Monarchie samt Parlament war diktatorisch organisiert) und vor allem die Unverantwortlichkeit den ersten Weltkrieg ausgelöst zu haben, zu thematisieren, dann haben wir alle verloren.
Die einen ihre Würde als politische Menschen, die anderen die Chance auf echtes Wissen um ihre Herkunft, auf Verstehen der vielen oft unerklärliche Handlungsmodelle, die ihre Wurzeln in dieser Zeit haben, die nur scheinbar weit zurückliegt und nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun hat.

Dem österreichischen Untertanen-Geist, der so stark ist, dass er sich von der Politik über die Kultur bis in den Sport alles unterjocht, was buckeln und kriechen kann, wäre es zuzutrauen, dass es sich das Jubiläums-Jahr zurechtbiegt. Es wäre schön hier etwas Widerstand entgegensetzen zu können.