Erstellt am: 20. 12. 2013 - 18:59 Uhr
Wiener Chefredakteur für Golem.de
In der Welt der Online-Berichterstattung gibt es grob gesagt zwei Welten: Die eine ist darauf angelegt, möglichst kurze und kleinteilige Geschichten zu produzieren, die viel geklickt werden und damit für Werbekunden besonders attraktiv sind. Dann gibt es selbstverständlich auch Qualitätsmedien. Eine IT-News-Website, die seit Jahren auf Qualität setzt, ist Golem.de. Die Site gibt es seit 1997 und hatte seither nie einen Wechsel beim Chefredakteur erlebt - der Mitbegründer Christian Klaß hatte das Amt bis vergangenen August inne, seither hat der andere Mitgründer, Jens Ihlenfeld - zur Zeit der Gründung noch Schüler - die Leitung der Redaktion interimsmäßig übernommen.
Neuer Chefredakteur aus Wien
Golem.de
Kommenden Jänner kommt dann aber der neue Chefredakteur, und die Enthüllung, wer es denn sein wird, war vor allem für die österreichische Games- und Netzjournalist/innen-Gemeinschaft verblüffend: Es wird der Wiener IT-Journalist Benjamin Sterbenz.
"Ich hatte diesen Montag meine Vorstellung bei der Golem-Redaktion. Mit großer Aufregung bin ich da vor rund 20 Redakteure getreten. Es ist recht gut gelaufen - und das hat nicht nur daran gelegen, dass ich Marillenschnaps und Manner-Schnitten als Bestechungsgeschenke mitgenommen habe."
Sterbenz hat seine journalistische Laufbahn beim Popmagazin The Gap begonnen, ursprünglich vor allem als Autor zu digitaler Spielkultur, für die auch das leider nicht mehr verfügbare Bibliotheks-Portal Game-tank.at gegründet wurde. Seit 2005 ist Benjamin Sterbenz beim Kurier und beim später zum Verlag hinzugekommenen IT-Portal futurezone.at tätig, zuletzt als leitender Redakteur.
Sanfter Wechsel
Die Bewerbung bei Golem ist verblüffend beiläufig ausgefallen, weil der Posten gar nicht offiziell ausgeschrieben worden war. Stattdessen gab es einen kleinen Hinweis direkt auf Golem.de, dass demnächst ein neuer Chefredakteur gesucht wird. Der Grund für diese Strategie war wohl, zunächst vor allem regelmäßige Golem-Leserinnen und Leser anzusprechen. Auf Anregung eines Freundes, so Sterbenz im FM4-Interview, wurde dann einfach mal per E-Mail bei Jens Ihlenfeld angefragt, ob man noch "ins Rennen einsteigen" könne.
Eine Weile später meldete sich ein Headhunter und der Wiener ist daraufhin in "mehreren Runden abgeklopft worden", ob er geeignet ist oder nicht. Ihlenfeld hat Sterbenz' kritischen Zugang geschätzt und so ist der Österreicher aus einem Pool von circa zehn Kandidaten genommen worden. Ein toller Karrieresprung, aber auch eine große Herausforderung für einen Redaktions-Quereinsteiger aus Wien, ab sofort ein rund zwanzigköpfiges Team in Berlin zu leiten. Dass Golem unter Sterbenz weiterhin auf Qualität setzen wird, liegt nahe. Und sonst?
"Es gibt ein paar kleinere Sachen, die momentan nicht passen: In Sachen News sind wir ein bisschen zu langsam, da werden wir wieder schneller werden. Bei den Bildern kann man bei der Ästhetik noch schrauben. Ich möchte mich persönlich auch mehr auf Robotik, Weltraum und generell Forschung spezialisieren, damit man hier auch mehr Dinge in den Vordergrund rückt, die im deutschsprachigen Raum so passieren, um so mehr lokale Inhalte reinzubringen."
Digitales Aushängeschild des Computec-Verlags
Golem.de ist vor zwei Jahren vom deutschen Technologie-Verlagsriesen Computec gekauft worden. Computec ist vor allem durch Games- und Unterhaltungselektronik-Printmagazine wie etwa PC Games oder SFT in den 1990er und 2000er Jahren groß geworden. Technikfolgenabschätzung und tiefgreifende Analysen sind nicht die größten Steckenpferde von Computec, der neu bestellte Golem-Chefredakteur Benjamin Sterbenz ist dennoch für die kommenden Jahre zuversichtlich und rechnet nicht damit, dass die Verlagsleitung zu sehr in seine Entscheidungen und dem konsequenten Bekenntnis zu qualitativer Berichterstattung Eingriff nehmen wird.
"Es ist klar, dass die Position des Chefredakteurs auch jene ist, die Redaktion zu verteidigen und sich auch mit der Geschäftsführung anzulegen. Ich denke mal, das kann ich recht gut. Aber wie gesagt: Über allem steht ohnehin der Auftrag, Qualität zu liefern."