Erstellt am: 19. 12. 2013 - 22:52 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 19-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Ich könnte hier in dieser Bilanz in jedem dritten Wort einen Link zu einem (eigenen) Text setzen, wo im Verlauf der Halbsaison entprechende Ansagen getätigt, Befürchtungen geäußert, Analyse-Punkte gesetzt wurden; ich lasse es diesmal sein - und hebe stattdessen die wesentlichen Irrtümer hier in dieser Spalte heraus.
PS für alle Genauwissenwoller: unter diesem Link sind alle Fußball-Journale dieses Jahres zu finden.
#fußball
Fußball funktioniert in Halbjahren, Saisonen.
Insofern ist der scheinbare Unsinn, den Argentinien mit zwei Meisterschaften (Apertura und Clausura) pro Kalenderjahr betreibt, eigentlich klüger gedacht. Egal, Fußball-Europa funktioniert so, dass im Sommer begonnen und im Mai, manchmal Juni geendet wird, auch weil da jedes zweite Jahr was Fettes ansteht; diesmal eine WM in Brasilien.
Das Sommer/Herbst/Winter-Halbjahr, das in Österreich, aber auch in Europa bereits im Juli beginnt, pausiert nun zumindest bis Anfang Februar. Bis dorthin gibt es wieder eine Transferzeit, in der die Karten neu gemischt werden können. Erfolglose rüsten da gerne (meist ebenso erfolglos) nach, zu Erfolgreiche werden ihre Sternschnuppen vorschnell los, im Sommer Sitzengebliebene kommen unter; und solche, die im nächsten Sommer gratis frei wären, werden noch schnell versilbert.
Jetzt, nach dem Ende der europäischen (da war die Auslosung fürs Frühjahr am Montag die Ziellinie) und der österreichischen Saison (mit gestern) ist Bilanz-Zeit.
Österreicher in der Welt
... wird es 2014 nicht geben. Das ÖFB-Team hat es nicht nach Brasilien geschafft.
Das war vorhersehbar und auch kein Beinbruch - der Entwicklungsstand ist nach Jahren und Jahrzehnten der Verlotterung und Verheerung, der bewussten Nicht-Nachwuchs-Pflege zwar gut, aber noch nicht gut genug. Und jeder, der seine Sinne noch beinander hat, konnte das sowohl im Vorfeld, als auch mittendrin in the making und natürlich auch in der nachträglichen Analyse erkennen. Insofern sind die Aussagen von diversen Scheinexperten, die (vor allem) zwischendrin und (teilweise) auch jetzt herummäkeln, dass der Ausländer (gemeint ist Teamchef Koller, der ohne hiesige Lobby, aber auch ohne hiesiges Intrigantentum auskommt) da doch mehr hätte machen müssen, als das zu erkennen, was sie sind: mediale Jobanfragen, peinliche Suderei.
Hier nebenbei meine persönliche Einschätzungs-Bilanz: beim Nationalteam bin ich - obwohl es schwer war sich der zeitweise unerträglich optimistischen Sichtweise zu entziehen - richtig gelegen.
Österreich ist aktuell etwa dort, wo Belgien vor zwei Jahren war: auch zurecht nicht bei der Euro, aber im Begriff eine wirklich gute Mannschaft zu werden.
Weltweit angekommen ist David Alaba, nicht nur, weil er Samstag mit dem FC Bayern um den Weltpokal spielt, sondern vor allem, weil er in der einen oder anderen Weltauswahl des Jahres stehen wird. Dass in Österreich die Tatsache, dass Alaba im Team nicht links hinten, sondern in der Zentrale spielt, kein Thema ist, zeugt im übrigen von großer Reife; auch ein Positivum.
Österreicher in Europa
Irrtum 1: der Austria habe ich noch weniger zugetraut als das wenige, das sie erreichen konnte. Vielleicht sicherheitshalber.
Der Rest war realistisch prognostiziert: der vorsichtige und erstmals ungrimmige Optimismus Salzburg betreffend und das kalkulierte Scheitern von Rapid.
Das gute europäische Abschneiden ist eigentlich nur dem Royal Flush zu verdanken, den Salzburg in der Euro-League hingelegt hat. Der war auch deshalb noch beeindruckender als der letzte, der Red Bull gelungen war, weil er heuer mit extrem gutaussehenden spielerischen Mitteln erzielt wurde. Und das macht die Siege gegen die vergleichsweise schwächer einzuschätzenden Gegner wertvoller als die der Saison 09/10 gegen Villarreal oder Lazio.
Unter anderem deshalb schreckt auch die Auslosung (mit Ajax Amsterdam einer der schwersten Gegner, die möglich waren) nicht so sehr. Alles, was jetzt kommt, ist ein Extra-Bonus.
Problematisch war der Champions League-Auftritt der Austria. Die unterwürfige Herangehensweise brachte zwei glückliche Punkte und ein Tor. Dass erst nach der Befreiung (weil wurscht) der erste Sieg gelang, ist schön, aber kein Ruhmesblatt, sondern der Beleg dafür in dieser obersten Spielklasse nicht konkurrenzfähig zu sein. Die Euro-League hätte die Austria wohl besser getan. Noch besser wäre es mit Stöger und/oder Schmid gegangen, aber das ist eine andere Geschichte.
Leicht unter den Erwartungen: Rapid. Die hatten, trotz ein paar braver Leistungen, nie eine echte Chance aufs Weiterkommen, das ist mittlerweile zu wenig für einen österreichischen Spitzenklub.
Unter aller Sau: Sturm Graz, die Düdelinger dieser Halbsaison. Brav: Pasching.
Exzellenz-Uni-Status bekommt die Austria Wien für ihre Junioren. Against all Odds haben die ihre Youth League-Gruppe auf Platz 2 beendet; und zwar total verdient und mit Recht. Die U19 bekommt dafür zwar nur ein weiteres Spiel (und das auswärts bei Benfica), ist aber (eindeutig) die Mannschaft des Jahres: eine neuformierte Truppe, die innerhalb kurzer Zeit eine Philosophie umsetzen konnte.
Andere Österreicher, die auch im Frühjahr in Europa bleiben: Marc Janko, Markus Berger, Aleks Dragovic, Christian Fuchs, Florian Heinrich, Sinan Bytyqi, Ylli Sallahi, Allesandro Schöpf und natürlich Herr Alaba.
Ganz wunderbar: die jungen Frauen des ÖFB, die U17, die es zur EM ihrer Altersgruppe in die Finalrunde geschafft hat, als eines von acht Teams. Herausgekommen ist Platz 5 hinter Deutschland, Spanien, Italien und England; vor Frankreich und Portugal: ist das nicht zum Weinen schön?
Österreicher in Österreich...
Dass Salzburg wegziehen würde, war nicht schwer vorherzusehen. Dass Grödig unter Adi Hütter eine gute Rolle spielen würde war auch klar, das Ausmaß dann doch verwundernd. Dass die Austria verhältnismäßig abkacken würde, war im Vorfeld eine klare Ansage. Und dass Sturm die düsterste Saison seit langem spielen würde, war nach bereits drei Pflichtspielen ganz deutlich sichtbar.
Einen Sturm-Irrtum gab es trotzdem. Auf die Frage, wo Sturm zur Halbzeit/Winterpause stehen würde, habe ich "Platz 8" gesagt. Je nachdem ob Halbzeit oder Winterpause waren/sind es jedoch Platz 7 oder 6. Bei 7 hätte Manager Goldbrich recht behalten, bei 6 sturm12.at.
Auf der Haben-Seite wäre noch 1. Liga-Halbzeitchamp Altach und die ungelösten und liegenbleibenden Liga-Probleme. Auch wenn beides sehr offensichtlich war.
... benehmen sich gerne schlechter. Es ist wie daheim, wo man rülpst, furzt und Nasenrammel isst - was man draußen (in Europa oder der Welt) nie tun würde.
Bis auf die auch hier stilprägende Salzburger Mannschaft haben sich fast alle gehen lassen.
Die wesentlichen Fakten und Einschätzungen nach der Halbzeit gelten auch jetzt, wo (schneelagentechnisch) bereits drei vorgezogene Frühjahrsrunden gespielt wurden und so die Bilanz natürlich verzerren.
Grödig profitiert immer noch vom "jetzt-erst-recht"-Feeling. Dafür hat bei Ried das übliche Rückrunden-Tief schon begonnen. Dass sich Austria und Rapid trotzdem in Augenhöhe mit diesen taktisch gut ausgerüsteten und ökonomisch halbwegs stabilen Zwergen befinden, sagt viel über den aktuellen Zustand der Wiener Groß-Klubs aus.
Die Austria hat sich verrannt, Leute gehalten, die man hätte loslassen sollen, Leute losgelassen, die man bitter gebraucht hätte und sich einem (halben) Irrtum namens Bjelica ausgeliefert. Eine Entwicklung ist nicht festzustellen, im Gegenteil.
Bei Rapid war alles (oder vieles) wichtiger als die Mannschaft und ihre Leistung. Nachdem über Jahre nichts problematisches thematisiert werden durfte, artete eine vorzeitige Bilanz der Ära Edlinger in einem Gehaue und Gesteche aus, das einige Opfer forderte (auch Hans Krankl, so ein Pech) und kaum Sieger hinterließ.
Rapid wirkt (nicht nur wegen Barisic' wüster Rotation, auch wegen der zu schnell wechselnden sportlichen Führung) wie ein eingerüstetes Haus, in das jeder jederzeit einsteigen kann.
Ähnliches geschieht in Graz, mit dem Unterschied, dass die Bilanzierung dort in eine ewigdauernde Theraphie-Sitzung ausartet. Jede einzelne Blähung wird auf die Schrecken, die bis in den April über die Zartbesaiteten hereingebrochen sind, zurückgeführt; jede kritische Anmerkung von außen hat neue Rückfälle der Mannschaft und die entsprechende Empörung des auch bereits angesteckten Umfelds zur Folge.
Fakt ist, dass Sturm Graz unter dem aktuellen und auch dem letzten Trainer einen traurigen Fußball spielt, der nicht im Entferntesten das Potential dieses Teams abruft. Fakt ist, dass in der Herrschaftszeit des bösen Peter Hyballa, bei dessen Erwähnung alle Sturmianer weinend ihre Antidepressiva oder Antihistamine schwenken und weder ein Time-Out, noch einen Neuaufbau fordern und per offenem Brief begleiten, zumindest wütender Fußball gespielt wurde, also eine Emotion abgerufen wurde, die Energie in sich trägt.
Das ist aktuell, auch wegen der traurigen Systems von Milanic, nicht einmal ansatzweise der Fall.
Wie uns das Beispiel Grödig (abseits des mittlerweile auch bereits höchst österreichisch verdrängten Wettskandals) zeigt, macht es deutlich mehr Sinn sich den Tabellenführer und wahrscheinlichen Aufsteiger aus der 2. Leistungsstufe (also Damir Canadis SCR Altach) genauer anzusehen, als die Nachzügler der Bundesliga. Wobei für Innsbruck nach der überfälligen Entlassung von Roland Kirchler noch Hoffnung besteht (sofern die Trainerwahl mit Hirn erfolgt).
Die Liga an sich hat so viele Probleme, dass die Selbstbeschädigung, die Präsident Rinner und Vorstand Pangl in diesem Herbst betrieben haben, gar keinen Platz am Stockerl bekommen kann.
Österreich in der Zukunft
Das nächste Halbjahr wird ruhig.
Das ÖFB-Team darf sich aufmunitionieren, die diversen Junioren-Mannschaften werden punktuelle Erfreulichkeiten liefern.
RB Salzburg wird seine Bonusmeilen ausnützen und europäisch fliegen, während daheim auch der Bus völlig ausreicht um die Meisterschaft mit etwa zehn Punkten Vorsprung zu beenden.
Die Liga wird ihre Probleme auch in den nächsten Winter schleppen. Die Vereine mit europäischem Potential werden sich erfangen, die einen besser als die anderen. Ein Zwerg wird sich aber vorne festspielen, ein anderer wird der verdiente Absteiger sein (und da ist es egal welcher, da sind die Verdienste zu zahlreich). Von unten wird Besseres nachkommen, die Macht von Karlheinz Kopf, der unbedingt etwas werden will im österreichischen Fußball, wird dadurch steigen. Das Level der hier tätigen Trainer und das taktische Niveau wird nach einer eventuellen Abwerbung von Roger Schmidt wieder ein wenig sinken.
Die hiesige Apertura wird dem eröffnenden Aspekt ihres Namens also nicht gerecht werden können.
Erst nach der WM, wenn im Juli Meisterschaft und Europacup neu beginnen, wird es wieder richtig aufregend.