Erstellt am: 18. 12. 2013 - 19:55 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 18-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
#nr-wahl #machtpolitik #medien
Natürlich ist er selber schuld: dass Neo-Finanzminister Spindelegger ironisch angelästert wird vom wenig zart besaiteten deutschen Kollegen Schäuble, weil er sich nicht selber zu den wirklich wichtigen Verhandlungen zu der Europäischen Bankenunion nach Brüssel bemüht hat und sich von einem Beamten des Ministeriums vertreten lässt, darf er seiner Ausrede dass er erst vorgestern angelobt wurde, zuschreiben. Schäuble ist erst seit gestern neu angelobt und hat (durch seine Verwendung des alten Tu felix Austria-Sagers) die Lacher auf seiner Seite.
Dabei ist das doppelt unfair und inhaltlich daneben. Schäuble setzt sein Amt fort, ist also in der Materie, Spindelegger ist tatsächlich neu. Und natürlich ist es g'scheiter das zuzugeben und sich von einem Experten vertreten zu lassen als vor der Verhandlungsrunde den neuen Macker zu markieren und dann inhaltlich nichts beizutragen zu haben.
Detail am Rande: nachdem in allen Medien von "einem Beamten", später von einem "hochrangigen Beamten" die Rede war, aber nie ein Name genannt wurde (genannt werden konnte) wollte ich wissen, wer das denn sei. Also: Nachfrage beim Finanz-Ministerium. Die zuständige Presse-Sprecherin sagt (mit geradezu Fekterscher Freundlichkeit) das sei nicht ihre Angelegenheit, sondern die des neuen Ministers, ich solle gefälligst dessen Sprecherin anrufen. Wie/wo die zu erreichen sei? Keine Ahnung, Wiederhörn.
Im Büro der nämlichen (am Nachmittag nicht erreichbaren) Sprecherin von Spindelegger hat man keine Ahnung und verweist nach Recherche und Rückruf, richtig, wieder retour aufs Finanz-Ministerium.
Hier sagen sich nicht Hase und Igel Guten Tag - das ist hässlicher Alltag einer (unfreundlichen) Amts-Übergabe.
Spindeleggers Vertreter war im übrigen, für mich wenig überraschend, Ex-FM4-Mitarbeiter Harald Waiglein, früher selber Pressesprecher im Ministerium, mittlerweile Sektionschef und brillanter Auskenner, tatsächlich die objektiv beste Wahl für diesen Job.
Aber darum geht es eben nicht.
Es geht vielmehr um Symbol-Politik.
Innen wie außen.
Schäubles badischer Arbeitsethos des Raffens und Schaffens beinhaltet die gnadenlose Repräsentation und verurteilt Schleifen-Lassen ansatzlos.
Und in Österreich wird jeder Schritt von Spindelegger II unter der Prämisse der von ihm bei der Regierungsbildung so radikal durchgezogenen Symbolpolitik gesehen. Und jeder kleine Fehler wird ihm (auch wenn er vielleicht gar keiner ist) um die Ohren geschlagen werden.
Diese bewusst aufgeplusterte Skandalisierung nicht nur der Mainstream-Medien trägt ein weiteres Scherflein zur Desensibilisierung des Politischen an sich in durchaus stabilen Verhältnissen bei; weil man so tut, als würde sich an derlei Detail-Kram die (gar schröckliche) Zukunft Österreichs messen lassen. Ganz wie es auch die Fundamental-Opposition annonciert, ohne jemals selber eine Idee haben zu müssen.
In gewisser Hinsicht kriegt Spindelegger die Haue aber auch zurecht.
Er hat mit seiner Besetzungspolitik (nicht nur der Regierung) gefährliches Terrain betreten. Die attraktive Managerin (im machtlosen Gedöns-Ministerium, um da einen gruseligen deutschen Ex-Kanzler zu zitieren) reinholen, den sperrigen Fachmann (aus dem Wissenschaftsressort) rausdrücken, die Wissenschaft komplett der Wirtschaft auszuliefern, wichtige Hintergrund-Positionen ausschließlich mit jungen Männern aus seinem Umfeld besetzen zu lassen, das zentrale Thema der Integration im Außen-Ressort aufgehen zu lassen - alles inhaltliche und formale Risiko-Aktien, deren Erklärungen dann auch noch so daherkommen wie Sportler/Zielraum-Interviews.
Was nämlich in Wahrheit der internen Machtpolitik der grotesk in ihrer bündischen und föderalen Struktur zersplitterten Volkspartei geschuldet ist, wird als Symbol-Politik verkauft.
Weil Minister nicht nach Fähigkeit, sondern (mit 5minütiger Zusagefrist) nach ihrer Zugehörigkeit zu einem machtpolitischen Faktor bestellen muss, dem bleibt vielleicht auch gar nix anderes übrig. Bloß: wenn eine Partei strange genug ist, sich durch derlei Machtspielchen seit ewig selber dauerzulähmen und wenn ein Vorsitzender schwach genug ist, um sich auf dieses Spiel einlassen zu müssen, dann hält sich das Mitleid in Grenzen. Extern und intern sowieso.
Mich erinnert dieser völlig unmögliche Spagat, den die ÖVP bei jeder Bestellung zustande bringen muss (die drei mächtigen Bünde, die anderen Teilorganisationen und die neun Länder unter einen Hut zu kriegen) an diverse aktuelle Diversitäts-Modelle.
Nur ist die ÖVP keine Firma, die aus der Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeiter neue Qualitäten schöpfen kann oder mag - sie agiert wie ein störrisch auf alten Muster beharrender Betrieb, der die neuen Diversitäts-Regeln zwar pro forma erfüllt, aber nicht lebt, und somit auch nicht von ihnen profitieren kann.
Die ÖVP hätte diese Chance sich wirklich breit aufzustellen, eine echte Vertretung vieler Gruppen zu sein, theoretisch in ihrer DNA angelegt. Weil sie mit dieser Chance aber wie mit einer Qual, einer Last, einer von Gott aufgeladenen Bürde umgeht und sich nicht die interessantesten Köpfe holt, sondern die, die von den Clan-Chefs am leichtesten zu gängeln sind, nach Optik und Verkaufbarkeit aufstellt und das mediokre Ergebnis dann mit dem Hinweis auf die darin enthaltene (einfache, manchmal platte) Symbolik als Ausbund an Headhunter-Qualitäten hinzustellen versucht.
Michael Spindelegger war am Mittwoch live in der ZIB2. Das ganze Interview findet man in der TV-Thek
Insofern ist der Gegenwind, den Spindelegger (und wahrscheinlich auch der noch in vergleichsweise sicherer Deckung agierende Koalitionspartner) die nächsten Jahre abbekommen wird, wann immer ein symbolischer Akt misslingt, nachvollziehbar.
Billig sind diese medialen Abstaubertore aber allemal.