Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Tuesday Edition, 17-12-13."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 12. 2013 - 17:56

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 17-12-13.

Der digitale Verleger neuen Typus - demnächst im Medium Deiner Wahl. Wie Herr Döpfner die Branche aufmischt.

Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#medien #digitalism

Ich gestehe: Als die Delegation des Springer-Verlags unter Führung von Chef Mathias Döpfner und des geltungssüchtigen Bild-Chefs Kai Dieckmann ihre allzu sehr öffentlich dokumentierte Bildungsreise ins Silicon Valley unternahmen, habe ich mich dem Spott, der sie begleitete, fröhlich angeschlossen. Ein paar steife Print-Germanen, die die Genagelten gegen Cowboy-Boots tauschten, viel zu coole Begriffe zum Augenroll-Gaudium der Auskenner verwendeten und sich dann wie die Lehrbuben durch die Imperien der neuen Medien-Giganten führen ließen - das entbehrt nicht einer Komik, die an das teutonische Erscheinungsbild des Piefke bei den Simpsons erinnert.

Dazu die im extrem gewöhnungsbedürftigen Tonfall zwischen absurd aus der Zeit fallendem Konservativismus und absurder Ignoranz abgefassten Bekundungen, nach diesem urlässigen Ausflug im Besitz des Steins der Medien-Weisen zu sein und dem europäischen Markt jetzt dementsprechend ordentlich arschzukicken; und den ersten wirklich fetten multimedialen Verlag des Kontinents auf die Beine zu stellen. Um dann doch nur das Bild des großkotzigen Austausch-Schülers abzugeben, der's nicht gecheckt hat.

Mittlerweile ist mir der Spott vergangen.
Der Tonfall hat sich normalisiert, und nicht das Guttenberg-Double Diekmann, sondern der Boss, Springer-Manager Mathias Döpfner hat das Heft in der Hand - diese massive Umgestaltung kann nur Chefsache sein.

Döpfner hat mittlerweile nicht nur einen Außenposten in Kalifornien eröffnet, sondern auch bewiesen, dass er die wichtigste Lektion des Medienmachens im digitalen Zeitalter verstanden hat. Es gilt Neues zu erfinden und geschickt (also vermarktbar) zu platzieren, anstatt verbiestert zu blocken oder halbherzig Vorhandenes nachzubauen (siehe Huffington Post Deutschland).

Döpfner hat in den letzten Tagen und Wochen nicht nur den kleinen Fernsehsender N24 dazugekauft und so die Fernseh-Kompetenz erworben (und indem er sie als Bewegtbild-Kompetenz ausschildert, auch gleich die multimediale Marschrichtung vorgegeben). Zuletzt hat sich der Verlag systematisch der Provinzpresse entledigt, inklusive der mittlerweile allzu austauschbaren Morgenpost Berlin und dem Hamburger Abendblatt, die keine überregionale Bedeutung mehr haben.

Mathias Döpfner hat auch jenseits der ideologischen Grenzen, die bislang den Springer-Verlag zur erzreaktionären Kampfzone im Sinn des Gründers oder Strauß/Dregger/Kohl gemacht hatte, überschritten. Mit dem Engagement von Stefan Aust (der in seiner Antrittsrede betonte früher bei den Anti-Springer-Demos in vorderster Front anwesend gewesen zu sein) oder Georg Mascolo hat er sich der Dienste von zwei vormaligen Spiegel-Chefs versichert.

Aust soll die schnarchige "Welt" als Herausgeber näher an die peppige Süddeutsche und die seriöse Frankfurter Allgemeine (die beiden Schlachtschiffe des Qualitäts-Tageszeitungsjournalismus) heranführen. Mascolo soll ein multimediales Investigativ-Ding auf die Beine stellen, der vormalige Welt-Herausgeber ist mit einem Online-Magazin neuen Typs beauftragt.

Und genau darum geht es: um neue Formen, neue Schläuche, in die der alte Wein (weil die journalistischen Inhalte, der klassische Content wird sich nicht groß verändern) gefüllt werden soll. Online macht Springer mittlerweile das Geschäft mit an einzelne Portale angeschlossene Verkaufs-Services (früher hieß das E-Commerce) - den diesbezüglichen Ängsten, dass nämlich der Journalismus nur noch der Wurm am Haken sein soll, der die Kundschaft in die virtuelle Mall hineinzieht, entgegnet Döpfner mit einem neuen Manifest, Konzern-Leitlinien, sieben Glaubenssätzen, deren erster so lautet: "Wir sind und bleiben ein Verlag, also ein Haus des Journalismus". Es kommen auch im Medien-Bereich zu selten verwendete Begriffe wie Leidenschaft und Individualismus vor, Weltoffenheit gar und in Punkt 4 lässt Döpfner sein Credo offen raus: "Wir gestalten die Digitalisierung aktiv und sehen darin unsere große Chance".

Das unterscheidet Springer aktuell von den anderen. Die bessern in klassischen Bereichen (Print, Web-Auftritt) nach, trauen sich aber nicht oder nur zaghaft über Audio oder Bewegtbild und sind völlig neuen Ideen gegenüber in erster Linie einmal skeptisch. Auch in Deutschland und deutlich stärker noch in Österreich.

Klar steht im neuen philosophischen Organigramm von Springer unter dem Begriff Unternehmenswert der Begriff Profitabilität; natürlich stehen der dem Journalismus-Bereich zugeordneten Kreativität und Integrität die begleitenden Bezahl- und Vermarktungsangebote gegenüber. Für Medien-Verlage, die sich nicht auf öffentliche Förderungen verlassen können/wollen, ist genau das aber der einzig gangbare Weg. Journalismus allein wird nicht genügen, er wird zunehmend zu einer Ware ohne großen Wert, gleich der allgegenwärtigen und überall beziehbaren Musik sind auch die basalen Informationen überall erhältlich.

Döpfner will mit dem Springer-Verlag also derjenige sein, der sich die gar nicht mehr so neuen, aber noch nicht so recht in die Landkarten der Branche eingetragenen digitalen Welten am Effektivsten untertan macht. Dass der Journalismus dabei wirklich die festgeschriebene DNA, die "Core Culture of the Company" (wie Döpfner sagt) sein wird, darauf würde ich mich, angesichts der Vorgeschichte und der Grundhaltung des Verlags nicht verlassen. Trotzdem: Döpfner ist - zumindest für Kontinental-Europa der dringend nötige Lewis&Clark unter lauter sich ängstlich Einbunkernden.