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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

17. 12. 2013 - 15:32

Flimmern: Up in Smoke

The Green Evolution. Ein assoziativer Wochenrückblick

fm4.ORF.at/flimmern

Der assoziative Wochenrückblick von Natalie Brunner

Ganz aufgeregt waren alle, weil Uruguay bekannt gab, den Handel und Besitz von Marihuana zu legalisieren. Dadurch sollen die Drogenkartelle vom Markt gedrängt werden werden. Uruguay liegt zwischen Brasilien und Argentinien und ist mit 3,2 Millionen EinwohnerInnen das zweitkleinste Land Lateinamerikas. Jede Bürgerin Uruguays wird bis zu 40 Gramm im Monat in Apotheken kaufen können. Der THC-Gehalt des Hanfs wird zwischen 5 und 12 Prozent liegen, also ein Fünftel bis die Hälfte des THC-Gehalts den die Monster-Züchtungen im Moment haben.

Hanf

Public Domain

Privatpersonen dürfen bis zu sechs Cannabis-Pflanzen zu Hause ziehen und man kann Mitglied in einem Marihuana-Club werden. Clubs dürfen bis zu 99 Pflanzen hegen und pflegen. Nicht uninteressant ist auch die Preispolitik: Im Vorfeld der Legalisierung hatte die Regierung im August noch von einem Preis von 2,50 Dollar pro Gramm gesprochen, jetzt wurde ein Preis auf 1 Dollar pro Gramm festgesetzt. Der Schwarzmarktpreis der Kartelle lag bei 1,40 Dollar. Da werden sich die Syndikate ziemlich ärgern.

Diesen Monat fand in der mexikanischen Stadt Guadalajara die Feria Internacional del Libro, die wichtigste Literaturmesse Lateinamerikas statt. Lateinamerika hat eine Alphabetisierungsquote zwischen 70 und 80 Prozent.

Guadalajara taucht sonst in den Medien auf, weil wieder einmal 26 Leichen am Rand der Autobahn gefunden wurden. Guadalajara ist einer der Orte, wo der Krieg der Drogenkartelle besonders grausam wütet. Die politische und soziale Verortung Lateinamerikas ist natürlich auch eine Frage, die bei der Literaturmesse zentral war, und so wird auch eine Buchmesse zu einem politischen Ort. Viele AutorInnen sprachen darüber, dass politische Emanzipationskämpfe von dem kapitalgesteuerten Drogenkrieg verdrängt, weggewischt und zerstört wurden. Außerdem ging es darum, dass ökonomische Strukturen in vielen Ländern Lateinamerikas derart von der massiven Finanzkraft des Drogenhandels verändert wurden, dass auch politische und soziale Widerstandsstrukturen auf diesen Machtfaktor eingehen müssen und dass man die Frage des Widerstands nach der Implosion der großen politischen Entwürfe stellen müssen.

In Österreich kauft man Marihuana selten von Minderjährigen mit AK 47. Im letzten Jahr gab es 18.000 Anzeigen gegen KonsumentInnen von Cannabis. Die meisten davon werden wieder zurückgezogen, allerdings gibt es in der Strafverfolgung ein Ost-West-Gefälle. Während in Wien fast alle Anzeigen zurückgelegt werden, droht in vielen anderen Bundesländern eine strikte strafrechtliche Verfolgung.

Es existiert eine Studie des European Centers for Drugs and Addiction aus dem Jahr 2008, die errechnet, dass durch die Cannabis-Entkriminalisierung in der EU jährlich bis zu 120 Euro pro BürgerIn eingespart werden könnten. In Österreich wäre das zirka eine dreiviertel Milliarde Euro pro Jahr.

Am 16. Dezember gingen in Seattle die Feiern zur einjährigen Legalisierung von Marihuana (legalised recreational cannabis use) mit einem großen "Smoke In" im Zentrum über die Bühne. Jim Pugel, der Polizeichef von Seattle, spricht "wenn nicht von einer Revolution, dann zumindest von einer Evolution". In einem Bericht der BBC konnte man neben vielen glücklich öffentlich kiffenden Menschen auch grinsende Geschäftsmänner sehen, die sich freuen, weil sie mit der Green Revolution reich geworden sind. Jim Willets war Pilot für die US-Navy. Sein Job war es, Drogen abzufangen und die Transporteure ins Gefängnis zu bringen, er hat auch gegen die Legalisierung von Hanf gestimmt. Heute sitzt er grinsend in seinem Wohnzimmer und meint, er hätte sich nie gedacht, dass auch er Geld in den Marihuana-Handel investieren würde. Selbst konsumieren würde er das Zeug nie.

Die moralische Begründung des Verbots von Drogen scheint bei Jim Willets ehemaligen Drogenbekämpfern im Staatsdienst sehr fragil gewesen zu sein. Marihuana war bis 1930 in den USA legal und wurde im Rahmen von Repressionen gegen mexikanische Immigranten illegalisiert.
Marihuana kam zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit mexikanischen MigrantInnen in den Norden der USA. Während der Wirtschaftskrise wurden die Ressentiments gegen die Fremden, die unsere Jobs stehlen und unsere Kinder vergiften, lauter. 1930 wurde das Federeal Bureau of Narcotics gegründet, das schnell ein paar Studien zur Hand hatte, die den Gebrauch von Marihuana mit "violence, crime and other socially deviant behaviors, primarily committed by racially inferior or underclass communities" in Verbindung brachten.

the house i live in

Die desaströsen Auswirkungen des Drogengebrauchs und der Antidrogenpolitik der USA zeigt die komplexe Dokumentation The House I Live In von Eugene Jarecki.

Der von Nixon ausgerufene Krieg gegen Drogen, die Kriminalisierung und harte Bestrafung von Drogendelikten ist ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Ein weiteres Unterdrückungsinstrument gegen arme Bevölkerungsschichten. Es gibt Mindeststrafsätze, die ein Richter - auch wenn er es für richtig halten würde - nicht unterschreiten darf. Das bekannteste Beispiel ist Crack.

Crack hat das Image einer Straßendroge, es ist angeblich die Droge der Afroamerikaner. Der Besitz von Crack, das Kokain mit Natron ist, wird hundertmal schwerer bestraft als der Besitz von Kokain. Also mit einem Gramm Crack erwischt zu werden ist so schlimm wie hundert Gramm Kokain bei sich zu haben. In "The House That I Live In" sieht man Statistiken, dass nur 13 Prozent aller Crack-User schwarz sind aber 90 Prozent aller Menschen, die wegen Crack im Gefängnis sitzen, schwarz sind.

Maurice Haltiwanger in the film THE House I Live in

Samuel Cullman

Die Hautfarbe der größten Gruppe der wegen Methamphetamin-Herstellung, Handel und Gebrauch im Gefängnis sitzenden Menschen ist weiß. Sie sind meist arm, aus bildungsfernen Schichten und kommen vom Land. Die Zusammensetzung der GefängnisinsassInnen beginnt sich zu ändern, was David Simon, der Schöpfer der Serie "The Wire", zu der so wahren wie grausamen Aussage geführt hat, dass der Kapitalismus in den USA in letzter Konsequenz doch farbenblind ist: "Wenn du arm bist und deine Arbeitskraft nicht gebraucht wird, wirst du vernichtet, egal welcher Hautfarbe du bist."

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