Erstellt am: 16. 12. 2013 - 21:02 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 16-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Das heilige Herz Jesu kommt, der Roli vom Rinn geht
#nr-wahl #fundamentalismus #fußball
Der neue Landwirtschaftsminister hat nicht nur einen Vornamen wie ein Himmelfahrtsfeiertag, er stellt seine Gläubigkeit auch ordentlich in die Auslage. Bei der heutigen Angelobung sagt Andrä Rupprechter: "Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi."
Die Worte des frommen Andrä sprechen etwas an, was außerhalb des heiligen Landes kaum jemand kennt/interessiert: den Tiroler Herz-Jesu-Kult, der ursprünglich mit einem widerständigen Südtiroler Feuer gegen die besatzenden Franzosen, einem erzkonservativer Ritus, der auch Piusbrüdern gut gefällt, zu tun hat.
Im Übrigen stellt sich auch die Frage ob diese Angelobung so überhaupt gültig ist. Neben dem vorgeschriebenem Text ist eigentlich nur der Zusatz "So wahr mir Gott helfe" erlaubt - von dem einzig Mikl-Leitner Gebrauch machte, so schlecht steht es mit dem Christentum in der restlichen ÖVP bereits. Jede andere Hinzufüngung könnte die Bestellung gefährden; dünnes Eis. Note to self: Rechtsexperten befragen.
Und noch ein nachträgliches PS: dass Rupprechter zu hart bohrenden Fragesteller damit droht in diesem Fall "jederzeit gern mit meine Schützen" zu kommen, war sicher spaßig gemeint, entbehrt aber nicht eines wahren Kerns.
Meine Tiroler Verwandten zitieren in Fällen besonders offensiver Frömmigkeit in etwa folgenden Spruch: wer den Herrn oder seinen Sohn besonders oft für sich auffahren lässt, der ist entweder ein Pfarrer oder ein Falott. Oder beides. Dann lachen sie; meine Tiroler Verwandten sind herzensgute, aber sprachböse Menschen. Denn natürlich gibt es auch echte Christenmenschen in Tirol, die unter der rauhen Schale voller Nächstenliebe sind. Ob der neue Agrar-Chef seinem christlichen Antritt auch entsprechende Taten folgen lässt, gilt es also sehr genau zu beobachten.
Dass just am Tag, als Andrä seine Ministerfahrt beginnt, ein anderer Tiroler, der seine Religiosität auch sehr herauszustreichen pflegt, seines Amtes enthoben wurde, sieht fast wie göttliche Fügung aus: Roland Kirchler, Coach bei Wacker Innsbruck, dem Stolz des Inntals, wurde (endlich/viel zu spät) gefeuert.
Kirchler hatte sich nach seinem Antritt als Nachfolger des irgendwie recht weltlichen Walter Kogler (der ja auch kein Tiroler, sondern Kärnter ist und jetzt in Deutschland, was zeigt, dass er einer der ganz wenigen echten Trainer-Könner aus Österreich ist) deutlich exponiert. Er vergatterte die Mannschaft zu einem Gottesdienst; und zwar nicht in irgendeiner Kirche, sondern die in Rinn, im Ortsteil Judenstein. Dort wird ein anderer Tiroler Kult gepflegt, der vom Anderl von Rinn, dem eine erzkatholische mittelalterliche Schauergeschichte rund um Anti-Judäismus und Ritualmorde zu Grunde liegt und der von Erzreaktionären wie dem berüchtigen Engelwerk oder dem notorischen Bischof Krenn bis in die jüngste Zeit instrumenatlisiert wurden.
Kirchler fand nicht nur im Vorfeld nichts dabei just dort sein Team im Namen des Herrn einzuschwören, er beharrte auch nach öffentlicher Kritik auf der Richtigkeit seines Vorgehens.
Nun wird es bei Wacker Innsbruck wahrscheinlich keinen Spieler oder Funktionär jüdischen Glaubens geben. Bis auf ein paar Legionäre aus dem Ausland oder Rest-Österreich sind da ohnehin nur Tiroler. Im Vorstand und Trainerstab sowieso. Und Tiroler sind gottesfürchtige Katholiken, mit viel Herz für Jesu, aber auch Brüderschaften und Kulte (wie etwa die Tiroler Schützen) und Traditionen wie drüben in Judenstein. Bis vielleicht auf meine Verwandten und ein paar andere, die das für Frömmelei halten.
Wohlan: nicht nur ich finde, es würde Wacker Innsbruck, aber auch anderen Vereinen und Institutionen gut anstehen, den neuen, von Minister Rupprechter heute eingeführten Angelobungs-Spruch zu übernehmen. Nicht nur für den nächsten Wacker-Trainer.