Erstellt am: 12. 12. 2013 - 14:31 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 12-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themen-feldern.
Wie die Austria Wien ihr ureigenes Cordoba geschaffen hat
#fußball
Wenn das was der Verein an PR verbreitet medial übernommen wird, dann ist die positive Bilanz der Champions League-Halbsaison der Austria Wien fix.
Sie verzeihen dass ich widerspreche.
In der Qualifikation war es nach einem wackeligen Intro höchst fraglich ob es für den einzigen Stolperstein (Dinamo Zagreb) reichen würde - die dort aufgekommenen Zweifel an den umfassenden strategischen Qualitäten von Coach Bjelica (die vor allem angesichts seiner Vorgänger noch augenfälliger sind) wurden bis zuletzt nicht ausgeräumt.
Für die Gruppen-Phase stand also Schlimmes zu befürchten, auch weil die Mainstream-Medien (wohl in Unkenntnis der internationalen Titel, die die Gegnerschaft in den letzten Jahren gesammelt hatte) von einer eher leichtgewichtigen Gruppe fabulierte.
Von der nötigen Steigerung war in Spiel 1 daheim gegen Porto dann nicht die Rede: man ließ sich (daheim) von Beginn an reindrängen, die Aktivitäten beschränkten sich auf zu simple Reaktionen und ein paar Konter.
Weil kritische Stimmen im Jubelchor der Medien so selten sind: hier ist eine.
Die Austria, eine spielerisch begabte Mannschaft, war in keiner Phase bemüht zu handeln. Die Folgen kann ein Psychologiestudent im 1. Semester benennen: das macht nicht nur die Gegner stärker, das schwächt auch das eigene Selbstbewusstsein.
Ich spreche nicht von einem sinnlosen Anrennen gegen Windmühlen (also das überragende Atletico Madrid), sondern von ein paar Kniffen, die ein Coach der Mannschaft mitgeben kann, um sie auf Augenhöhe zu halten. Das war - wie ein kurzes Aufblitzen - beim ersten Punktgewinn in St.Petersburg der Fall; wurde dann aber sofort wieder als reiner Zufall entlarvt, als die Austria die Mittel dieser heroischen Abwehrschlacht ins nächste Meisterschaftsspiel mitnahm, wo man mit einer ganz anderen, offensiven Anmutung zu Werke gehen musste.
Es ist ja schön, wenn was klappt.
Es gibt aber nix Schiacheres, als bei der nächsten Gelegenheit zu merken, dass es reiner Zufall war, ohne jegliches Verständnis für die Situation erzielt.
Dazu kam die Krise jener Spieler, die sich im Herbst immer wieder mit dem Gedanken, wo sie sich jetzt eigentlich in einem alternativen besseren Leben bewegen könnten (Hosiner und Suttner nämlich, in der deutschen Bundesliga), selber die Form kaputtmachten. Und die absurde Reaktion des Chef-Betreuers. In dieser Phase gab es dann die sieben Prügel gegen Atletico.
Im Spiel der letzten Chance ums Weiterkommen nahm dann der nämliche Coach lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach - das mag konsequent-österreichisch sein, um international mitspielen zu können reicht so eine Denke aber nicht.
Und dann gestern, wenn der Druck abgefallen ist, wenn der letzte Platz einzementiert ist, wenn es um nichts mehr geht und wenn auch der Gegner so ab der 60., 70. Minute weiß, dass er trotz Niederlage Gruppenzweiter bleiben wird, die Gegenwehr matter und das Selbstbewusstsein größer wird, dann ist vieles möglich: auch ein deutlicher Sieg einer österreichischen Mannschaft in der Champions League, den ersten seit dem 20. Februar 2001, als Sturm Graz, wohlgemerkt über den Winter hinausgekommen war und unter den besten 16 Europas stand.
Die Akteure von Sturm 2000/1: Sidorczuk, Foda, Neukirchner, Popovic, Fleurquin, Kocijan, Mählich, Martens, Prilasnig, Schupp, Schopp, Reinmayr, Vastic, Amoah, Haas... allesamt gute Spieler, aber keine Superstars. Der beste Mann saß auf der Bank: Ivica Osim, Trainerfuchs.
In der Gruppenphase hatte Sturm übrigens alle seine drei Heimspiele gewonnen (gegen Galatasaray und die damals hochfitten Teams aus Monaco und die Rangers aus Glasgow; also keine Würstel) - und zwar, weil sie mit der Einstellung hineingegangen sind, das Match zumindest daheim, zumindest anfänglich einmal kontrollieren, dominieren, bestimmen zu wollen.
Das gelang Rapid (in seiner verheerenden 6-Niederlagen-Saison 2005) nicht; damit hatte die Austria heuer ihre Probleme. Um auf internationalem Level auch dann mitspielen zu können, wenn es um etwas geht, dazu braucht es den Willen zur Augenhöhe. Und der war großteils nicht da.
Willig waren Heinz Lindner, der fast durchgehend überragend hielt, sowie Manuel Ortlechner, der dafür auch eine Einberufung ins Team der Runde erhielt. Spieler wie Royer und Mader hatten ihre Momente - Goalgetter Hosiner und der ebenso verfemte Suttner die ihren eben erst, als es zu spät war.
Entsetzt war ich gestern über die jammervolle Performance der Austria-Fans, die sich von den Petersburger Auswärts-Hooligans von Minute 1 an stimmlich überollen liessen. Ideentechnisch sowieso; die eineinhalb schwachmatischen Chants, die heimische Fan-Gruppen maximal draufhaben, sind ohnehin viel mehr unfreiwillig komisch als dominanzversprechend.
Trotzdem ist dieser gestrige Sieg historisch. Nicht nur, weil er eine 12einhalbjährige Durststrecke beendet, sondern auch, weil er das wohl letzte CL-Auftreten der Austria für sehr lange Zeit als angenehm in Erinnerung halten wird. Denn selbst, wenn sich wie nächstes Jahr und wohl auch dann in der überübernächsten Saison zwei Teams in die Champions League-Quali begeben werden können: hinter Seriensieger Salzburg wird es die Austria maximal auf Rang zwei schaffen und es dort, im Non-Champions-Zweig mit zwei wahrscheinlich nicht besiegbaren Großen zu tun bekommen wird.
Der gestrige Sieg ist damit ähnlich wertvoll wie der des ÖFB-Teams 1978 in Cordoba/Argentinien: es ging um nichts mehr, das Ausscheiden war fix, aber man hat zum (langen) Abschied einen Big Name geschlagen. Ollawäu.
Salzburger Spekulationen und der Vorteil der Ehrenrunde
#fußball
Die Frage, die sich dieser Tage alle mit Vorausblick stellen - denn die Europa-League-Performance des FC Salzburg war zu makellos, zu beeindruckend: wie hätte die aktuell deutlich beste Liga-Mannschaft Salzburg in der Champions League abgeschnitten, und hätte der Austria eine Euro League-Gruppe wie die von Salzburg besser getan?
Ich denke, dass dem Red Bull-Camp die unerwartete Ehrenrunde in der 2. Reihe ganz gut getan hat. Die neue Selbstsicherheit eines sinnvoll gewachsenen Teams wird aber nur dann nächsten Herbst entsprechende Folgen haben können, wenn das Trainer-Team bleibt. Roger Schmidt und Co haben eine Mannschaft, die sowohl systemisch als auch strategisch so geschult ist, dass sie sowohl als Dominator gegen Schwächere, als auch als Underdog gegen Bessere auftreten kann.
Die Matches gegen Fenerbahce, in denen man zwar (vor allem als der Gegner einen Gang zulegte) keine echte Chance hatte, zeigten da gute Ansätze: im Gegensatz zur Austria, die sich in der CL mit Vorliebe in ihr Schneckenhaus verkrochen hat, ist Salzburg also zu mehr imstande. Und genau dieses "Mehr" kann dazu führen, dass man nächstes Jahr dann um den Aufstieg mitspielen können wird.
Umgekehrt lässt sich auch nicht sagen, ob die Austria an Standard Liege, Esbjerg und Elfsborg in dem Umfang gewachsen wäre, wie aus den zu vorsichtig angegangegen Begegnungen mit deutlich besseren Kalibern.
Insofern war das schon alles durchaus richtig so.
In einer besseren Welt hätte eine Austria unter Manfred Schmid mehr erreicht; für Salzburg war das gar nicht möglich.
Als Gruppensieger bekommt Salzburg fürs Frühjahr die nominell leichteren Gegner zugelost. Das können aber auch Juventus oder Ajax, Swansea oder Dnjepr, Betis oder Lazio sein. Oder Dinamo Kiev. Oder der FC Porto. Und natürlich würde ein jeder den Bullen da (zurecht) mehr zutrauen als der Austria.
Ein PS für die früh gescheiterten: keine Worte, nur tonloses Entsetzen für die isländische Blamage von Sturm Graz; und den Ausdruck des Respekts für den Paschinger Versuch bei Estoril.
Wird Rapids Übergangs-Saison jetzt zur Umbruch-Saison?
#fußball
Rapid Wien spielt, das habe ich wo gelesen eine Übergangs-Saison. Das war nicht nur in der Meisterschaft sichtbar, das hat sich auch in Europa gezeigt. Natürlich auch heute im Finalspiel in Kiev.
Gleich zu Beginn verliert man beim vermeintlich leichtesten Gegner in Thun. Dann fightet sich Rapid dreimal zu einem Unentschieden (einmal, gegen Kiev, lag es am Unvermögen des Gegners ein bereits gewonnenes Match nach Hause zu spielen, gegen Genk, den Gruppensieger, war's insgesamt leistungsgerecht) - ehe schließlich der einzige Sieg (daheim gegen Thun) gelingt.
Immerhin bringen diese sechs Punkte noch das theoretische (heutige) Final-Match um Platz 2 (also das Weiterkommen) gegen Dynamo in Kiev. Das ist mehr als dem Stadtrivalen gelungen ist; aber immer noch bescheiden.
Klar: die Gruppe ist schwerer als die von Salzburg, auch weil man eben nicht wie Salzburg als gesetztes Nummer 1-Team einen ganz großen Brocken vermeiden konnte. Wer sich aber gegen Thun und Genk nicht durchsetzen kann, der verdient auch keinen Aufstieg ins Frühjahr.
Es ist auch kein Beinbruch - eben wegen der Übergangs-Saison.
Rapid ist ja nicht nur strukturell und intern im totalen Umbruch. Nächstes Jahr ist es bei Steffen Hofmann und Boskovic vorbei mit der Karriere, Petsos wird nicht zu halten sein, Boyd und wohl auch Sabitzer sind heiße Aktien für einen Auslands-Transfer.
Rund um Sonnleitner, Trimmel, Burgstaller, den zurückkehrenden Alar und noch viel mehr um Schaub, Starkl, Behrendt oder Wydra und anderen Nachrückern aus dem Nachwuchs wird sich eine neue Hierarchie herausbilden müssen.
Wenn die neue Führung, wenn Coach Barisic wollen, dass dieser Umbruch nach dieser Umbruch-Saison relativ reibungslos vonstatten geht, dann sollten sie das Aus in Europa und die unbelastete Frühjahrs-Saison, in der nichts als das Erreichen von Platz 2 oder 3 ansteht (und wer sollte Rapid das streitig machen?) dazu nutzen um vorzubauen. Also die Jungen stetuig in größere Verantwortung zu setzen; auch wenn das bedeutet, dass Bosko/Hofmann eben nicht mehr im Alltag geschont werden um in den "wichtigen" Spielen zum Einsatz zu kommen. Dort müssen Wydra und Schaub hin.
Die Ansätze, und das sieht man beim Schluß-Spiel der Euro League eh symptomatisch, die sind ja da - die Anlagen für eine nach vorne preschende, schnell umschaltende, international tragfähige Mannschaft. Heuer war's noch ein Rumprobieren im Versuchs-Labor - füer's nächstemal, wenn die Erwartungen dann dementsprechend sind, muss das aber dann deutlich besser sitzen.