Erstellt am: 11. 12. 2013 - 15:13 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 11-12-13.
Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Echte Champions: Austrias U19 schafft die Youth League
#fußball
Wahrscheinlich, raunte der Scout aus Mönchengladbach heute Mittag im Horr-Stadion am Favoritner Verteilerkreis, wird die Match-Berichterstattung dann etwas von 'Sie hatten das Spiel klar im Griff' daherreden, ehe er so in der 80. Minute die Tribüne verließ.
Er hat nicht recht behalten; in jeder Hinsicht. Denn wiewohl der abschließende Sieg der U19-Mannschaft der Austria Wien tatsächlich gegen ein gleichwertiges Team aus St.Petersburg zustandekam und wiewohl die Russen es auch leicht gewinnen hätten können: der Sieg im letzten Gruppenspiel der UEFA Youth League war nur die Bestätigung, dass Herbert Gagers extra für diesen Bewerb zusammengestellte Truppe insgesamt alles im Griff hatte: Zweiter in der Abschluss-Tabelle, Qualifikation fürs Achtelfinale. Und irgendwie stand das nie so recht infrage.
Wer Augen hat um zu sehen (und fast 3000 Menschen wollten das, heute auf der knackevollen Süd-Tribüne) konnte heute die Gründe für diesen erst-/einmaligen Erfolg einer heimischen Nachwuchs-Mannschaft beobachten.
Austria spielte mit Osman Hadzikiz; Gluhakovic, Widni, Blauensteiner, Jonovic; Michorl, Zlatkovic; Prokop (83.Endlicher), Horvath, Zivotic (91. Cancola); Grubeck (69. Kvasina).
Ersatz waren noch Casali; Vukovic, Reiser und Nihad Hadzikic. Auch zum Kader gehören Pentz; Kilka, Krainz, El Moukhantir, Tercek und Koglbauer.
Neben einer gewissen Eigendynamik, die sich nach dem guten Start-Ergebnis gegen Porto eingeschlichen hatte und der Tatsache, dass die Austria ein paar extrem talentierte KickerBuben im Bereich der 17 bis 19jährigen hat, liegt es in erster Linie am ausbildungsorientierten Konzept der Austria-Akademie bis hin zu den Amateuren. Deren Coach, Herbert Gager, hat auch die U19 zusammengestellt, und erläutert hier einiges an Grundlagen.
Denn auch Roh-Diamanten wie Sascha Horvath und Peter Michorl, jugendliche Trickser wie Dominik Prokop und noch zu launische Offensivkräfte wie Nikola Zivotic oder Marko Kvasina gilt es mittels einer guten Strategie, eines funktionierenden Systems, die Möglichkeit ihre Potentiale abzurufen, bereitzustellen.
Gager lässt ein 4-2-3-1 spielen, das allseits beliebte Koller-Hybrid-System mit der Tendenz zum 4-4-1-1. Sein offensiver Joker ist Sascha Horvath, sein Kapitän. Und weil die Offensiv-Abteilung so gut gerüstet ist, kann sie auch auf ein 4-2-4 switchen, mit Horvath rechts, Prokop links und dem an sich linken Zivotic als zweiten Stürmer.
Diese Fähigkeit, die teilweise wirklich gute Ideen von Pass-/Laufwegen und überraschende Varianten betrifft, die Passgenauigkeit, das schnelle Umschalten und die Selbstsicherheit, jederzeit in eine 1:1-Situation gehen zu können, machen die Austria zu einem Gegner, der sich sowohl gegen technisch (Atletico; Porto) als auch körperlich (Zenit) starke Teams auf Augenhöhe bewegen und mehrheitlich auch siegreich durchsetzen kann.
Dass das Siegtor nach einem hakenreichen Horvath-Solo durch einen gefühlvollen Zivotic-Kopfball fiel, ist kein Zufall. Dass man danach, vor allem bei Standards hinten ins Schwimmen kam wie der OSV, wird im Achtelfinale gegen einen womöglich noch stärkeren Gegner (man kriegt einen Gruppensieger zugelost, Real, Chelsea, Arsenal oder Barcelona sind möglich...) ein Problem werden. Allerdings ist die Defensive aufbaustark und somit Teil des Konzepts, dann eben ein Tor mehr als der Gegner zu schießen.
Außerdem kann das Team Ausfälle verkraften; und es ist nicht wehleidig. Gegen Gruppensieger Atletico fehlten wegen der U19-WM mit Gluhakovic, Horvath, Zivotic, Endlicher und Kvasina 5 (!) Leistungsträger - trotzdem spielte man 3:3; und das ganz ohne Gejammer.
Man stelle sich das Gewinsel vor, dass es in einem solchen Fall bei den "Großen" (und zwar egal wo) gegeben hätte.
Echte Champions-League-Teilnehmer: die Austria war dabei
... und hat sich just dann, als es um nichts mehr ging zum ersten Sieg aufgeschwungen.
Normalerweise würde man sagen, dass jenes Team, das sich (noch dazu daheim) von Beginn an ergibt und hinten reinstellt und auch noch am Ende deutlich unter 40% Ballbesitz gehabt hat, nie und nimmer verdienter Sieger sein kann.
Normalerweise hat eine Mannschaft, deren Publikum sich von der Wucht der Auswärts-Fans, ihren schaurig-schöne Chorälen und ihrem feinen Getrommel ansatzlos ins Bockshorn treiben lässt und dem nur zaghaft vorgetragene Banalitäten entgegensetzt, schon verloren.
Normalerweise.
Das alles galt heute abend im Stadion-Rund des Wiener Prater nichts.
Nicht nur weil die Austria Wien sich wieder auf ihr feines und gut getimetes Passspiel durchs Zentrum verließ, sondern auch weil der Gegner, das von der Gazprom gestopfte Zenit St. Petersburg seiner Sache (dank der angesprochenen Feldüberlegenheit) allzu sicher war und bis auf den formidablen Hulk und den ackernden Witsel niemand etwas Effektives ins Spiel einbringen mochte.
Insofern ist dieses 4:1 der Austria Wien vielleicht zwei Tore zu hoch, aber schon okay. Auch weil die russischen Fans aus dem Nichts heraus die 1. Halbzeit in ein irrlichterndes Tollhaus mit Böllern, Feuerstellen, Polizisten-Geprügel und Pfefferspray-Attacken verwandelten. Der Auswärts-Sektor sah aus wie eine wütende Straßenschlacht in Schieflage: bedrohlich und monströs.
Diese Ausfälligkeiten griffen auf das russische Spiel über: warum Luciano Spalletti solange auf die Totalausfälle Faizulin und vor allem Shirokov, der als Offensiv-Mann hinter Kershakov genau nichts bewegen konnte, setzte, ist ebenso unerklärlich wie die Einwechslung des fußballerisch klinisch toten Ex-Gittes Arshavin.
Die Austria hingegen fand ihre Mittel gegen den im Hinspiel nur mit viel Glück torlos gehaltenen Gegner; und weil sich Hosiner nicht von seiner ersten vergebenen 100%igen in der 6. Minute kaputtmachen ließ, gelang dann auch etwas. Zuerst waren es Gefahrenmomente bei Standards, dann zunehmend selbstsicherer werdende Passstafetten. Hinten hielt zuerst Lindner sein Team im Spiel, ehe dann - auch ähnlich wie im Hinspiel Ortlechner die Herrschaft über den Raum übernahm.
Und überhaupt: natürlich erkennt man live im Stadion deutlich besser, was für ein grandioser Abwehr-Chef dieser Manuel Ortlechner ist, wie er rein/rausrücken lässt, wie er antizipiert, verschiebt und in praktisch jeder Angriffs-Situation des Gegners die richtige Gegenmaßnahme ergreift.
Zenit nützte auch die volle Offensiv-Kanne (die Außenverteidiger auf die Flügel, Hilk und Arshavin als eingerückte Co-Stürmer in einem wilden 2-2-3-3) nichts: zuwenig Ideen und zuwenig Präzision und bis auf den immer wütender werdenden Hulk auch zu wenig Passion.
Nenad Bjelica unterlief kaum ein Fehler. Murg war für sein Vorhaben wirklich die bessere Wahl; Royer spielte den Part dann eh zu Ende. Simkovic spielte die Stankovic-Rolle noch bissiger und weiter vorne fertig, ehe er dann - wegen der Einwechslung von Kienast, der eine echte hängende Spitze neben Hosiner gab, auf die rechte Seite auswich. Tomas Jun war vielleicht eine Zeit zu lang auf dem Platz und dort zunehmend eine Gefahr fürs eigene Team, aber auch das wurde erkannt und behoben.
Vielleicht hat die Austria in diesem sie letztlich doch ein Stück weit überforderndem Wettbewerb das Gefühl im letzten Match mit dem Eh-wurscht-Gefühl befreiter aufspielen zu können, gebraucht.
Der Stadionsprecher verabschiedete sich von einem Abend, an den alle noch lange denken würden.
Das stimmt in vielerlei Hinsicht.
Nicht nur weil die Austria in den nächsten Jahren nie mehr so hoch/weit kommen wird; und deshalb gut daran tat, sich mit diesem haftenbleibenden Eindruck aus der Königsklasse zu verabschieden.