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Roland Gratzer

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11. 12. 2013 - 17:15

Gladiatorenkampf auf der Löwingerbühne

Wrestling ist die Operette des kleinen Mannes. Menschliche Dramen, Neid, Gier, Hass, Liebe, all das wird im Ring ausgetragen. Alle paar Jahre auch mal in der Wiener Stadthalle.

Die Schönheit des Wrestlings in 20 Minuten erzählt? Wer könnte das tun? Southpark natürlich. Und zwar in der großartigen Folge "W.T.F."

"FAAANDAAAANGOOOO!", schreit mir die begeisterte Dame eine Reihe weiter hinten ins Ohr. Und ehe ich um eine Erklärung für dieses schöne, aber mir im Wrestling-Kontext unbekannte Wort bitten kann, tänzelt er schon Richtung Ring. Flankiert von einer eher nackten als bekleideten Dame, Hüftschwung um Hüftschwung, genießt der lateinamerikanisch anmutende Catcher, der eigentlich Curtin Hussey heißt, die eher zurückhaltenden Ovationen des Publikums. Ein Amerikaner mit Silberstreifen an der Hose, der irgendwie komisch tanzt und eigentlich da ist, um einen Gegner brutal zu treten, schlagen, beißen und anzuspringen. Und das nicht in einer der zahlreichen Wrestling-Arenas der USA, sondern in der Wiener Stadthalle. Ganz schön viel Postmoderne an diesem kalten Winterabend.

Fandango

Miguel Discart

Un, dos, tres, Fandango! CC BY-SA 2.0

Die Familie Hart war in zwei große Dramen der Wrestling-Geschichte verwickelt. Bret Hitman Hart wurde im Montreal Screwjob schlimm abgezockt, sein Bruder Owen fand einen wirklich tragischen Tod.

Wrestling, die Operette des kleinen Mannes, ist nach drei Jahren wieder einmal in Österreich zu Gast. Internationale Märkte wollen bedient werden und wenn es um den Markt geht, dann kennt die WWE nix. WWE steht für "World Wrestling Entertainment", der frühere Name "WWF" musste wegen einer NGO mit Panda geändert werden. Dass hier viel Inszenierung im Spiel ist, zeigt nicht nur die von allen Wrestling-TV-Kommentatoren penetrant verwendete Formulierung "Sports Entertainment". Alle wissen, dass das Fake ist. Alle wissen, dass hier keine echten Indianer, Sumo Ringer, Totengräber oder Matadore im Ring stehen, sondern Schauspieler-Athleten. Doch das schöne am Wrestling: Es ist allen egal. Naja, diesem Herrn ist es nicht egal. Dank an User beatmaster für den link:

Wrestling

Marek Lieberberg Konzertagentur

Doch funktionieren tut diese Inszenierung in Österreich nicht wirklich. Wer zur Einstimmung ein Feuerwerk erwartet, wird enttäuscht. Zur Einstimmung gibt es nämlich nur Videos von Feuerwerken. Dass ein amerikanisches Publikum anders funktioniert und anscheinend keinen Anheizer braucht, der die Menge in Stimmung bringt, mag wohl stimmen. Eine österreichische Meute ist ohne einstündige und in den meisten Fällen nervige Animation kaum aus dem Sessel zu bewegen.

Zeb Colter

Miguel Discart

Zeb Colter/Wayne Keon/Dutch Mantel CC BY-SA 2.0

Es ist generell eine Billig-Variante dieser an sich perfekten Inszenierungsmaschinerie, die diesen Ausflug nach Wien unternimmt. Wer sich hier nicht auskennt, kann kaum zwischen gut und böse im Ring unterscheiden. Nur ein Protagonist nimmt ein Mikro in die Hand und spricht zum Publikum: Der Manager der "Real Americans", Zeb Colter. Der eigentlich Wayne Keown heißt und als Wrestler den Namen Dutch Mantel trug.

"We have a problem in America", sagt er im tiefsten Redneck-Englisch. "The problem are the illegal immigrants"...Stille im Saal. "They sneak in like snakes"...Jetzt ist es so still, dass meinen einen ausgeschlagenen Zahn hören könnte, der auf den sehr moderat gepolsterten Ringboden fällt. Immerhin: Das österreichische Wrestling-Publikum ist nicht xenophob.

Wrestling

Marek Lieberberg Konzertagentur

Während sehr langweilige auf weniger langweilige und einen großartigen Kampf (Dolph Ziggler <3 <3 <3) folgen, überrascht ein kleines Detail auf der viel zu kleinen Leinwand. Dort steht nämlich:

"W2K14 presents: WWE Live"

Wie jedes andere Franchise aus den USA gehört zum Wrestling natürlich auch ein alljährlich erscheinendes Computerspiel. "2K14" steht natürlich für 2014, erschienen ist es natürlich schon heuer. Das präsentierende Spiel bildet also eine Sportart ab, die wiederum selbst nur das Abbild einer wirklichen Sportart ist. Wie es ist? Wenig anders als W2K13. Neben den gleich 44 verschiedenen Kampfesmöglichkeiten im normalen Modus können wir wieder legendäre Matches der Vergangenheit nachspielen. Bei W2K13 waren das Kämpfe aus den 90ern, jetzt gehen wir in die 80er und bedienen einen jungen Hulk Hogan. Untermalt von Metal-Klassik-Dreschern und dem riesigen Hinweis "BITTE NICHT ZUHAUSE VERSUCHEN" ist das große offizielle Spiel zur Wrestling-Liga wieder eines, das aus der Genre-Reihe tanzt.

WWE

Grafisch ist das Spiel eigentlich eine Enttäuschung. Das ohnehin niedrige Niveau hat sich kaum gebessert.

Der weltberühmte Undertaker kämpft übrigens immer noch. Nach seiner kurzen, 911-geschuldeten Cowboy-Patrioten-Phase sieht er mittlerweile aus wie ein Assassin's Creed Charakter. In Schwarz.

Kampfspiele funktionieren normalerweise ja so: Zwei Gegner dreschen solange aufeinander ein, bis bei einem die Energieanzeige auf Null steht. Dann können wir im bei Mortal Kombat noch schnell die Wirbelsäure rausreißen, aber dieses Schema zieht sich durch das gesamte Genre. Nicht so bei W2K14. Energieanzeige gibt es keine, der Ermüdungsgrad des Gegners lässt sich meistens nur erahnen. Wenn wir ein Match drei Stunden dauern lassen wollen, dann ist das kein Problem. Einfach nicht auf den Gegner drauflegen, den Fuß heben und den Ringrichter bis drei zählen lassen. Oder den Ringrichter gleich mit verdreschen. Vier Tasten auf dem Controller dienen einzig und allein dem Posing, sprich: Sieges- oder Demutsgesten Richtung Publikum. Nicht einmal in der digitalen Version geht es um physisches Körpermessen. Show, Show, Show. Oder einfach nur die Ringtreppe rausreißen und damit herumfuchteln.

Wrestling

WWE

Das beste überhaupt: Das Ladder-Match. Da geht es darum, eine Leiter in den Ring zu holen, diese aufzustellen, raufzuklettern und je nach Modus entweder den Champion-Gürtel oder einen Koffer mit Geld runterreißen. Das ist aber insofern schwierig, da der Gegner diese Leiter immer umtreten kann. Das kann ganz schön lange dauern.

Mehr zum Genre Kampfspiel gibt es im schon etwas zurückliegenden FM4-Programmschwerpunkt

"In die Goschn"

Wirklich Spaß macht das nur zu zweit, da die Computergegner leicht durchschaubar und die Moves jetzt nicht allzu kompliziert sind. Etwas aufwändiger ist da die Storyline. Darin müssen, wie bereits erwähnt, berühmte Kämpfe nachgemacht werden. Die Missionen sind bisweilen sehr knifflig (z.B: Innerhalb von 20 Sekunden den Jury-Tisch zerreißen und den Gegner dann mit einem Sessel vermöbeln), als Belohnung winken alte Helden der Ära. Dass die meisten davon schon mindestens einen Herzinfarkt hinter sich haben oder an irgendwas anderem gestorben sind, wird nicht erwähnt.

WWE

Auch so eine tragische Geschichte: Hulk Hogan und Andre the Giant waren eigentlich gute Freunde. Dann hat Andre eine Auszeichnung bekommen, die irgendwie kleiner war als die für den Hulkster. Dann hat er sich von einem bösen Manager in diesen Kampf theatern lassen. So ist Wrestling.

Im Wrestling geht es nicht um Fäuste, die sich gegenseitig die Fresse polieren. Es geht um die Dramen im Hintergrund. Die Freundschaften, die Feindschaften, den Verrat, die Gier und ein bisschen auch um die Politik. Die Hass-Parolen des Publíkums erinnert an die ärgsten Fan-Sektoren der österreichischen Fußball-Bundesliga, doch im Vergleich dazu sind Wrestling-Fans friedlich. Auch wenn der Sitznachbar den Kämpfer unterstützt, den wir am liebsten tot sehen würden, nach draußen werden diese Feindschaften nicht getragen. Außerdem dauern die Kämpfe eh nicht lang und irgendwann kennt sich niemand mehr aus, wer jetzt eigentlich zu wem hält und überhaupt. Für einen kleinen Augenblick projezieren wir all unsere Emotionen auf eine Travestie-Show voller Dropkicks und Bodyslams. Alle wissen, dass das Fake ist. Aber das ist allen scheißegal. John Cena hätte trotzdem nicht als großer Sieger die Stadthalle verlassen sollen. Ich hasse ihn nämlich.