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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

11. 12. 2013 - 14:49

Flimmern: Ein assoziativer Wochenrückblick

Haftprüfung für Zootiere, 140.000 Videokassetten, Fotografie und Verdrängen, und wer konstruiert eigentlich die Gegenwart?

Es kann jedem von uns passieren, dass in Feldern, die als Indikatoren von Intelligenz verwendet werden, Schimpansen besser abschneiden als wir, dass man die Frage "Bist du klüger als ein Schimpanse?" eigentlich mit Nein beantworten müsste. Das Kurzzeitgedächtnis der aufrecht gehenden, behaarten Kreaturen ist zum Beispiel besser als das der unbehaarten. Tja, Homo Sapiens, Take That!

Am 2. Dezember hat das Non Human Rights Project eine Reihe von Klagen bei New Yorker Gerichten eingebracht, die vier Schimpansen Personenrechte, unter anderem das Recht auf ihren Körper und damit das Recht auf ein Leben in Freiheit bringen soll. Es ist nicht die erste Klage dieser Art.

Dem Non Human Rights Project geht es in seiner Argumentation nicht darum, dass den Affen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Menschen Personenstatus zusteht, sondern weil sie komplex denkende, selbständige Lebewesen sind, die ein Recht auf ihre körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit haben und nicht jemandes Besitz sein können.

Schimpanse

jim epler unter cc lizenz http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en

Das Non Human Rights Project verwendet bei der Argumentation der Klage das Habeas Corpus Recht. Unter diesem, bei der Abschaffung der Sklaverei wichtigen, Grundsatz versteht die US-Verfassung das Recht eines jeden Gefangenen, die Haftgründe unverzüglich von einem Gericht prüfen zu lassen.

Wenn jetzt der Einwand kommt, man solle sich um die Rechte von Menschen kümmern, die seit Jahren ohne Anklage und ohne Haftprüfung, zum Beispiel in Guantanamo, sitzen, bevor man sich für die Befreiung von Tieren einsetzt, dann würde das Non Human Rights Project wahrscheinlich daran erinnern, dass es mit politischen Umständen zu tun hat, wer zu welchem Zeitpunkt als Mitglied der Gruppe Mensch gesehen wird, und lange Zeit, teilweise bis heute, Frauen, Sklaven oder Menschen ohne Papiere nicht als vollwertige, rechtsfähige Wesen gesehen wurden oder werden.

Die absolut gesetzten Unterscheidungen, wie die zwischen Mann und Frau, schwarz und weiß, Mensch und Tier, dienen immer dazu, alte Hierarchien zu festigen, an verschiedenen Formen von Unterdrückung festzuhalten, Unterschiede auszuspielen, anstatt die Gruppe der Kreaturen, denen gegenüber wir uns moralisch verhalten müssen, zu erweitern.

Die USA sind die letzte Industrienation, die immer noch Tierversuche an Schimpansen durchführt. Am 26. Juni dieses Jahres hat das National Institute of Health, die größte Tierversuchsanstalt der Vereinigten Staaten, bekannt gegeben, dass 310 der 360 Schimpansen, die als Staatsbesitz gefoltert werden, auf einen Gnadenhof entlassen werden.

Diese Entscheidung kam als Konsequenz einer Studie des Institute of Medicine, die zu dem Schluss gekommen ist, dass die aus der Forschung an Schimpansen gewonnen Daten gegenwärtig unnötig sind.

Gefangener Schimpanse

http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ von Flickr-User Africa Force

Was alles passieren muss, und wie es aussieht ,wenn Schimpansen nach 20 Jahren Folter in einem Labor zum ersten Mal wieder ans Tageslicht kommen, zeigt die Dokumentation Unter Menschen . Das Wiener Pharmaunternehmen Immuno, inzwischen vom Konzern Baxter übernommen, hat 40 Schimpansen einzeln, isoliert von Artgenossen, in Käfigen gehalten und mit HIV, Hepatitis und Grippe-Erregern infiziert. Nach 20 Jahren als Versuchstiere wurden die Schimpansen in einem verwilderten Safari-Park in Gänserndorf in Niederösterreich angesiedelt. Die zwei Pflegerinnen, die die Tiere versorgen, sind die gleichen Frauen, die die Tiere noch aus der Zeit in der Laborhölle kennen. In dem Film erfährt man auch die Geschichte der 40 Schimpansen, die in den 80er Jahren in Sierra Leone gefangen und illegal nach Österreich gebracht wurden, obwohl Schimpansen schon damals in beiden Ländern auf der Liste des Artenschutzabkommens standen

Sehr spannend ist auch, was einer der zwei Filmemacher, Claus Strigel, in einem Interview zu den Schwierigkeiten, mit denen sie bei den Dreharbeiten konfrontiert waren, erzählt :Wie die Immuno Menschen, die die Haltung der Affen kritisierten, mit Prozessen überzog. Die Einschüchterung hat funktioniert, teilweise bis heute. Wir haben viele Zeitzeugen getroffen, die sich nicht trauten, vor der Kamera zu sprechen, sagt Claus Strigel.

Mit Einschüchterung kennt sich auch die NSA ganz gut aus.

Über 5 Milliarden Handydaten, aus denen Bewegungs- und Beziehungsprofile gewonnen werden, zeichnet die NSA jeden Tag auf. Man kann davon ausgehen, dass jede Art von elektronischer Kommunikation gefiltert wird und in der einen oder anderen Datenbank landet.

Marion Stokes aus Philadelphia war auch sehr ambitioniert im Informationssammeln. Sie hat 35 Jahre lang die Nachrichtensendungen der großen US-amerikanischen Kanäle von Fox, CNN, CNBC und so weiter auf 140.000 VHS-Tapes aufgezeichnet, von 1977 bis zu ihrem Tod im Jahr 2012. Die Sammlung wird nun an das Internet Archive übergeben, das die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen wird. Vielleicht kann sich ja auch die NSA eines Tages nützlich machen und die Daten ihren Kunden, oder soll ich besser Klienten sagen, zur Verfügung stellen. Ich stell mir das ungefähr so vor: Wenn man zum Beispiel seine Schlüssel verloren hat schreibt man ein kleines Email:

Liebe Feinde von der NSA,
gestern habe ich irgendwo meine Schlüssel verloren, bitte schickt mir doch, wo ich am Nachmittag zwischen 13 und 17 Uhr war. LG

Ich habe es heute schon erwähnt, das Gedächtnis von Menschen ist schlechter als das von anderen Spezies. Aber wir haben elaborierte Techniken entwickelt, um unser Gedächtnis durch externe Medien zu unterstützen, wie zum Beispiel Fotos.
Stimmt nicht, hat jetzt eine Studie festgestellt: Wir vergessen Erlebnisse eher wenn wir sie fotografieren.

Die Psychologin Linda Henkel,Verfasserin der Studie, hat mit zwei Versuchsgruppen ein Museum besucht. Die Hälfte hat Fotos geschossen. Am nächsten Tag über den Besuch befragt, haben sich die Personen, die keine Fotos gemacht haben, besser an den Museumsbesuch und die Details erinnert. Wenn sich Menschen darauf verlassen, dass die Kamera für sie aufzeichnet, wirkt sich das negativ auf das Gedächtnis aus, so der Schluss der Studie. Schimpansen, oder besser Menschenaffen, die, wie wir seit National Geographic wissen, großartige Fotografen sind, hätten sich sicher an alles erinnert.

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