Erstellt am: 14. 12. 2013 - 15:31 Uhr
Plugin für die Software im Kopf
Hat man heutzutage ein Problem, gibt es fast immer eine Handy-App, die eine Lösung verspricht. In manchen Bereichen dauert es aber länger, bis sich Apps etablieren, etwa beim Freeriden oder Tourengehen. Dass sie aber auch hier durchaus von Vorteil sein können, hat der Bergführer Klaus Kranebitter auf der Snow and Safety Conference in Zürs am Arlberg ausgeführt.
Simon Welebil / FM4
Klaus Kranebitter ist Gründer des Vereins Snow-How, der online Lawineninfos aufbereitet und Lawinenkurse für Schüler anbietet. Ca. 2000 SchülerInnen besuchen pro Jahr die Kurse, die der Verein mit Unterstützung von Sponsoren kostenlos durchführt, und bei einem dieser Kurse musste Klaus erfahren, dass ihm die SchülerInnen in puncto Technik voraus sind. Als er ihnen selbst gebaute Pendel in die Hand drückte, um die Hangneigung einer Abfahrt zu bestimmen, haben sie ihn ausgelacht, weil sie bereits Neigungsmesser am Smartphone installiert hatten.
Inspiration für Eigenentwicklung
Von dieser Techniklektion inspiriert, hat sich Klaus mit einem Kollegen besprochen, der Programmierer und begeisterter Tourengeher ist. Er hatte sofort einige Ideen, wie Smartphones zur Lawinensicherheit beitragen können.
SnowHow
Prinzipiell bauen die Risikostrategien beim Fahren im freien Gelände auf zwei Grundinformationen auf – dem aktuellen Lawinenlagebericht und der Hangneigung. So soll man bei Lawinenwarnstufe zwei keine Hänge mehr fahren, die steiler als 40° geneigt sind, bei Stufe drei nicht mehr über 35° gehen und bei Stufe 4 sollten sich überhaupt nur mehr Leute mit viel Erfahrung in's freie Gelände wagen. Deshalb liegt es nahe, den Lagebericht und Infos über die Hangneigung auf's Smartphone zu bringen.
In zweijähriger Arbeit haben Klaus und sein Partner dafür die Snow-How Smartphone App entwickelt, die mit frei verfügbaren Informationen arbeitet. Kernstück der App ist eine detaillierte Hangneigungskarte, die bis auf Flächen von 10x10m genau ist. Auf ihr werden die kritischen Hangneigungen in unterschiedlichen Farbschattierungen dargestellt.
Einsatz im Gelände
Im Idealfall plant man eine Tour oder eine Abfahrt bereits zu Hause. Mit dem Handy soll man die Planung vor Ort noch einmal an die wirklichen Verhältnisse anpassen können. Die benötigten Hangneigungskarten lädt man dazu am besten im Vorhinein auf das Smartphone, um dann auch ohne Netzverbindung darauf zugreifen zu können. Im Gelände zeigt mir das Handy mittels GPS später meine genaue Position auf der Karte an. Mit dem integrierten Kompass kann ich die Karte richtig ausrichten und dann ablesen, wie steil der Hang ist, der vor mir liegt.
Simon Welebil / FM4
Lawinenkurse bietet zum Beispiel der Alpenverein mit seinen Risk'n'fun-Trainingssessions an, SAAC bietet kostenlos Basiccamps an, Snow How bietet Lawinenkurse an und viele andere auch.
Wenn man eine gewisse Ahnung von Lawinenkunde hat, versorgt einen die App zwar mit Grundlagen für die Entscheidung, ob man in den Hang einfahren kann, die Entscheidung selbst soll einem die App aber nicht abnehmen, so Klaus Kranebitter. Denn eine App kann weder kleinräumige Gefahren erkennen noch den Faktor Mensch durchleuchten, die Stimmungslage einer Person beurteilen oder die Dynamik in einer Gruppe.
Apps als Unterstützung
Die App alleine reiche auf keinen Fall aus, um das Risiko in einem Hang ausreichend beurteilen zu können, sagt Klaus Kranebitter. Er bezeichnet seine App gerne als "Plug-In für die Software im eigenen Kopf", eine Ergänzung für das eigene Wissen. Die Snow How App kommt mit wenig Akkuleistung aus, dennoch rät Klaus dazu, auch immer eine analoge Karte dabei zu haben, denn oft reicht schon ein wenig Schneefall oder Regen, um den Display uneinsichtig werden zu lassen.
Die Snow How App umfasst momentan Hangneigungskarten von Tirol und Südtirol; Vorarlberg wird gerade berechnet. Neben dem Lawinenlagebericht kann man damit auch die Daten der Wetterstationen in Tirol abrufen und einzelne Tracks abspeichern und aufrufen.
Snowsafe, die App der Lawinenwarndienste
SnowSafe U.G.
Snowsafe, die offizielle App der österreichischen Lawinenwarndienste, gibt es nun schon seit ein paar Jahren und sie ist absolut brauchbar. Sie beinhaltet den Lawinenlagebericht für Österreich und das benachbarte Bayern, übersichtlich dargestellt nach Regionen, in wahlweise einfacher oder ausführlicher Ausführung. Die Expositionsrose im ausführlichen Teil, die besonders gefährliche Hanglagen anzeigt, ist auch mit dem Kompass kombiniert und richtet sich stets nach Norden aus.
Besonders positiv: bei Netzverfügbarkeit wird der Lagebericht automatisch synchronisiert, um nicht im entscheidenden Augenblick womöglich ohne Daten dazustehen. Integriert ist auch ein Hangneigungsmesser, wenngleich man natürlich wissen sollte, wie steil ein Hang ist, bevor man in ihn einfährt.
Sonstige hilfreiche Apps
Wer noch weitere nützliche Freeride- und Lawinen-Apps weiß, bitte posten.
Ohne sie getestet zu haben, macht White Risk, die App des Schweizer Instituts für Lawinenforschung, einen sehr professionellen Eindruck. Neben dem Lawinenbulletin für die Schweiz bietet sie auch Hintergrundwissen zu Lawinen an und bereitet die Risiko-Reduktionsmethode von Werner Munter in einem 3x3 Filter auf. Auch hier gilt aber, dass man sich diese Basics am Besten zuallererst von einem Profi erklären lässt. Ähnlich umfangreich ist auch die Mammut Safety App, die es aber nur für iOS gibt.
Finger weg von LVS Apps
Zum Schluss noch eine Warnung vor Handy-Apps, die versprechen, dass man damit Lawinenverschüttete suchen kann. Die Apps sind erstens nicht mit anderen Geräten kompatibel, d.h. man kann seine KameradInnen im Notfall vielleicht gar nicht orten, zweitens ist die Sendeleistung zu gering, um eine geschlossene Schneedecke zu durchdringen, drittens steht die Akkuleistung außer Diskussion. Die Batterien in einem LVS kann man teilweise eine ganze Saison lang verwenden, während man ein Smartphone täglich aufladen muss. Bei Tests sind alle Apps, die angeben, Verschüttete zu finden, durchgerasselt.