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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

10. 12. 2013 - 10:52

Danger Mouse

Mit Understatement und Vintage-Sounds zum heimlichen Star-Producer des vergangenen Jahrzehnts. Brian Burton vergoldet Karrieren von Gnarls Barkley bis zu The Black Keys und U2 und ist unser FM4 Artist Of The Week.

FM4 Artist Of The Week

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Geiz ist manchmal tatsächlich geil: Als der relativ unbekannte DJ und Produzent Brian Burton aka Danger Mouse 2003 an einem Remix-Contest teilnehmen soll, dafür aber nicht seine eigenen Beats verschwenden will, verunfallt der junge Mann mit dem Wuschelkopf einen der größten Musikaufreger der vergangenen Dekade. Als Ausgangsmaterial erhielt Burton eine CD mit A-Capella-Versionen von Jay-Z’s „The Black Album“. Der Hip-Hop-Don gab seine Edel-Raps zum Remixen frei.

Gnarls Barkley

Downtown

Back To The Future: Gnarls Barkley 2006

Wochenlang lag die Silberscheibe in der Wohnung herum, bis Burton beim Saubermachen das „White Album“ der Beatles auflegte. Und wie es so ist mit genialischen Zufällen, schlugen in diesem Moment die Musen zu und küssten den hoffnungsfrohen Nachwuchs-Producer. In wochenlanger Detailarbeit vermählte Burton die beiden Alben zu einem dialektischen Gesamtkunstwerk.

Mashups gab’s natürlich auch schon davor, aber mit dem „The Grey Album“ titulierten Megamix wurde die Kulturtechnik der Verschränkung von Songsequenzen, ganzer Stücke oder sogar Alben über die nerdigen Auskennerkreise hinaus bekannt. Das graue Album war eines zur richtigen Zeit und signalisierte den Aufbruch in die Ära des kreativen Kreatürlichen 2.0 und des massenhaften Austausch von Daten am User-Level. Und es hatte auch einen Hauch von Aufbegehren und Rebellion.

Denn der ursprünglich nur für ein paar Freunde gedachte Mix landete im Herzen der Debatte um Copyright, Internet und Musikpiraterie, wie sie charakteristisch war für die Nullerjahre. Die Plattenfirma EMI, die die Rechte an den Beatles-Alben hielt, versuchte die Verbreitung des Mashups zu verhindern. Daraufhin rief die Aktivistengruppe „Downhill Battle“ zum „digtalen Ungehorsam“ auf und erklärte den 24. Ferbruar 2004 zum „Grey Tuesday“. Das Argument der Webbies: die Verwendung der Samples falle unter „fair use“ und sei nichts anderes als eine digitale Variante der analogen und legalen Coverversion.

Das Grey Album wurde am Grey Tuesday auf mehreren Internetforen als Gratisdownload verfügbar gemacht und verzeichnete an die 100.000 Downloads. Auch das Medienecho war enorm. Die EMI schickte zwar einige Mahnbriefe an User, verzichtete jedoch auf weitere juristische Schritte.

Burton, der in Interviews immer wieder betont, dass es sich beim Grey Album bloß um eine Machbarkeitsstudie und nicht um ein Stück Netzpolitik handeln würde, erhielt nun immer häufiger Anrufe mit immer prominenteren Anfragen. CeeLo Green kannte er schon von früher. Burton und der gewichtige Rapper aus Atlanta (Goodie Mob) beschlossen, ihre Liebe zu Hip Hop, Hair Metal (!) und Motown Soul in der fiktiven Person Gnarls Barkley kulminieren zu lassen. Die verrückte Mischung wurde über den Welthit „Crazy“ und das Album „St. Elsewhere“ 2006 zur Erfolgsgeschichte, ebenso wie Burtons Involvierung bei der Produktion des zweiten Gorillaz-Albums „Damon Dayz“, wo ebenfalls einige Hitsingles abfielen („Clint Eastwood“, „Feel Good Inc.“).

High quality, low profile

Danger Mouse tritt selten als bloßer Dienstleister in Erscheinung. Seine Kollaborationen gleichen Bandprojekten, die auf eine längerfristige Beziehung ausgerichtet sind. Der Lockruf des Geldes scheint eine eher unergeordnete Rolle zu spielen. Viel lieber sucht der in L.A. Residierende nach Gleichgesinnten und künstlerischen Herausforderungen. Neben Gnarls Barkley betreibt Burton mit dem italienischen Filmmusiker Daniele Luppi eine auf Spaghetti Western basierende musikalische Partnerschaft.

Das Album „Rome“ (2011) verschränkt genretypische, in den Weiten der Prärie verstaubende Gitarren-Reverbs und Westernmelodien aus der Celluloid-Ära mit zeitgemäßen Popformaten. Für die Platte konnten u.a. Jack White und Norah Jones als Gastsänger gewonnen werden. Mit James Mercer von der US-amerikanischen „Uber-Indie“ Band The Shins versucht sich Danger Mouse als Broken Bells am perfekten Popsong, wie er in den Sechzigerjahren von Phil Spector, den Beach Boys und natürlich wieder den Beatles definiert wurde.

Danger-Mouse-Produktionen sind von einer Vintage-Patina überzogen, die in der Regel so zart aufgetragen wird, dass sie im Gesamteindruck kaum auffällt. Der Mann hat keine Lust, den ironischen Retro-Clown mit Novelty-Faktor zu spielen. Er meint es ernst mit seiner Liebe zu alten Bassgitarren, E-Harpsichords und dem obligatorischen Fender-Rhodes-Piano. Musikalische „partners in crime“ wie James Mercer oder Daniele Luppi erzählen von regelrechten Beutezügen durch einschlägige Marktplätze und Fundgruben. So wechselten beim Instrumenten-Scouting für „Rome“ einige Flaschen edlen Rotwein den Besitzer. Ein alter Vespa-Mechaniker wurde für die temporäre Herausgabe seiner Hobby-Keyboard-Sammlung entschädigt.

Danger Mouse bringt selbst die Lederjacken der Garagen- und Blues-Rock-Rowdies The Black Keys zum Glänzen und sorgt an unvermuteter Stelle für Radiotauglichkeit und Grammy-Trophäen. Wer seinen Pop und Rock lieber mit Dreck unter den Fingernägeln hat, sollte besser eine andere Telefonnummer wählen. Die große Kunst des Brian Joseph Burton besteht darin, dass er noch einer zerbeulten Bierdose warmherzige Klänge entlocken kann.

Als öffentliche Person ist Danger Mouse zwar nicht auf den Mund gefallen, aber das Rampenlicht überlässt er lieber seinen Mitstreitern und Kollaborationspartnern. Während sich andere Produzenten im Licht der Aufmerksamkeit sonnen, trägt Burton Sonnenbrillen und steht etwas abseits, dort, wo es cooler ist. So ist er, einer der wichtigsten Produzenten der letzten zehn Jahre und mehrfach Grammy-prämiert, in seinem Heimatland ein relativ Unbekannter geblieben.

2013 war ein eher zurückhaltendes Danger-Mouse-Jahr. In Burtons Diskographie scheint einzig das Portugal. The Man Album "Evil Friends" auf. Dafür stehen mit dem zweiten Broken-Bells-Longplayer im Jänner und seiner ersten Produktion für U2 später im Jahr zwei potentielle Hits rot markiert im Kalender. Und wenn man den Gerüchten trauen darf, könnte es neben einer Zusammenarbeit mit dem R&B-Wunderknaben Frank Ocean auch zu einer Reunion von Gnarls Barkley kommen. May the Mouse be with you.