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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

8. 12. 2013 - 16:44

Autobahn

Der Song zum Sonntag: The War On Drugs - "Red Eyes"

Das zentrale Motiv in den Songs von Adam Granduciel ist das Unterwegs-Sein. Das Abhauen, die unermüdliche und mit ziemlicher Sicherheit ermüdende Fortbewegung, das Weiter- aber vermutlich Nie-Irgendwo-Ankommen. Und wenn doch, dann juckt’s aber auch schon bald wieder in den Sohlen. Die Musik von Granduciels Band The War On Drugs ist ein ständiges Drängen und Sehnen. Die Liebe suchen, vor der Liebe flüchten, aus den vermeintlichen Zwängen fliehen, den Traum jagen. Ein ganzes Leben herbeiimaginiert, als eine niemals enden wollende Fieberfantasie mit dem Titel "On the Road". Geboren, um zu rennen.

Auf ihrem zweiten, 2011 erschienenen und sehr guten Album "Slave Ambient" präsentierte diese vornehmlich in Philadelphia beheimatete Band diese durchwegs klassischen Themen der Musik, der Literatur und Kunst in auch in musikalischer Hinsicht traditionellen Kleidern. Jedoch leicht neu und nur ein Funken gewagt kombiniert. Viele der Stücke von The War On Drugs fußen auf einem Motorik-Drum-Beat, den die Kraut-Band Neu! in den 70ern entwickelt und populär gemacht hat, und der durch seinen konstanten, sich nicht oder kaum verändernden Puls im 4/4-Takt die Idee des ewigen Vorwärts und Weiter! schon als wesenhaftes Merkmal in sich trägt.

The War On Drugs

Graham Tolbert

Adam Granduciel, The War On Drugs

Während die Krautrock-Bands den Motorik-Beat aber meist als schwindlig machendes Mantra einsetzten, durch seine bewusste Monotonie als Absage an klassische Songwriting-Muster, nutzen ihn The War On Drugs bloß als Fundament, um darauf echte und richtige Lieder zu errichten. Lieder, die in erster Linie von Folk und Americana zehren. Zuallererst geht es bei The War On Drugs (diese Liebe teilt sich Adam Granduciel übrigens mit seinem ehemaligen Band-Kollegen Kurt Vile) aber um ausdrückliche Verehrung der großen Poeten der staubigen Wege: Bob Dylan, Tom Petty und vor allem Bruce Springsteen, dem kernigen Straßenkater aus New Jersey, dem vor lauter Druck und Inbrunst und Müssen ja stets der adernreiche Körper zu explodieren droht.

Im März wird unter dem Namen "Lost in the Dream" (alleine der Titel!) via Secretely Canadian das dritte Album von The War On Drugs erscheinen, aufgenommen hat es die Band in Philadelphia, New York, North Carolina und New Jersey - wo im Rahmen des Freizeitprogramms sicherlich auch eine Besichtigung des Springsteen-Geburtshauses unternommen wurde. Die Vorabsingle "Red Eyes" ist jetzt wieder so ein großartig aussichtsloser Ritt durch die vernebelte Nacht. Granduciel murmelt und nuschelt wie ein Springsteen, der schon etwas matt geworden ist. Den Ausruf "Woo!" mag ihm selbst bei aller in die Töne gelegten Emphase aber wirklich keiner mehr glauben. Später haucht er nur noch, winselt, wird immer leiser und verschwindet hinter einem Teppich aus Bläsern.

Es folgt ein letztes Aufbäumen, die Energie kehrt zurück, wir dürfen doch nicht aufgeben - vielleicht reden wir uns das aber auch nur ein. "We won´t get lost inside it all / I´m on my way ... You`re all I know" singt Granduciel am Ende. Es gibt ein Ziel, vorübergehend immerhin, der Weg ist der Weg und er ist lang.