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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 12. 2013 - 16:41

The daily Blumenau. Friday Edition, 06-12-13.

Eine Fußball-Ausgabe. Die (dringend nötige) realistische Halbzeit-Bilanz der Bundesliga. Warum es mehr Enttäuschung als Spaß gibt, zu viele Koller nachäffen und zu viele verletzt sind.

Seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themen-feldern.

#fußball

Die Sub-Schlagzeilen zum Teasern würden so lauten: "Mehr Grund zur Enttäuschung als zur Freude." oder "Wieso alle Liga-Coaches jetzt beim Koller-Marcel abschreiben." oder "Wo kommen denn eigentlich die zu vielen Verletzten denn her?"

Ein ungeschönter Blick auf die Bundesliga ist anlässlich des eigentlichen Endes der Herbst-Saison, jetzt, wo alle zweimal - daheim und auswärts - gegeneinander gespielt haben und dadurch erstmals ein Abbild des wirklichen Leistungsvermögens bieten, unerlässlich. Hierzulande wartet man noch gern die drei in den Dezember vorgezogenen Frühjahrsrunden ab, um dann ein wieder leicht schief hängendes Bild zu analysieren.
Also:

1) Was jedem auffällt: die Liga zerfällt in zwei Hälften: Salzburg und seine praktisch punktegleichen vier Verfolger und die fünf Nachsitzer hintendrin.

2) Was niemand zu bemerken scheint: die Vielfalt der angewendeten Systeme in der Liga hat sich in der 18. Runde auf das Minimum reduziert - alle verwenden mittlerweile das Koller-System. Schöner kann man die eigene Unsicherheit (Gesichtslosigkeit?) nicht demonstrieren.

3) Was alle bemerken, aber nicht im Kontext thematisieren: die vielen Verletzten sind, wenn wir uns bei den Nachbarn umschauen, zu viele. Läuft da was falsch, trainingstechnisch?

Erfüllte Erwartungen, Enttäuscher und Unterbelichtung

Die Liga-Tabelle nach Meisterschafts-Halbzeit, nach 18 Runden.

1. RB Salzburg +37 40p
2. Rapid Wien +12 30p
3. Austria Wien +12 28p
4. SV Grödig +4 28p
5. SV Ried +3 28p
----------------------
6. SC Wr Neustadt -22 20p
7. Sturm Graz -4 19p*
8. Wacker Innsbruck -18 16p
9. Wolfsberger AC -9 15p*
10. Admira Wacker -15 10p#

* ein Spiel ausständig
# 8 Punkte Abzug wg. Lizenzvergehen

Nachtrag vom 11.12.: Sturm verliert das Nachtragspiel und bleibt mit -5 19p Siebenter. WAC rückt mit -8 18p auf Rang 8 vor und überholt Innsbruck.

Salzburg erfüllt die Erwartungen; die tendenziell zu hoch sind - also ist man auf einem guten Weg. Trainer Roger Schmidt hat mit seinem 4-1-3-2 (er griff zuletzt wegen der Soriano-Verletzung quasi notgedrungen auf das Koller-System zurück) sein Rezept gefunden, er ist auch der einzige, der halbwegs rotieren kann ohne allzuviel an Qualität zu verlieren. Die internationale Performance ist makellos - weil man sich im richtigen Umfeld, der Europa-League, bewegt. Für die Champions League nächstes Jahr ist (Stichwort Fenerbahce) noch unendlich viel zu tun.

Rapid spielt eigentlich eine klassische Übergangs-Saison. Coach Barisic, ein unterschätzter, potentiell guter Kopf, findet sein Team nur manchmal. Den Platz 2 verdankt man eher der Schwäche der Konkurrenz als der eigenen Stärke - das zeigt sich auch im mehr als durchwachsenen internationalen Auftreten. Aber: schlecht ist das für die Entwicklung einer neuen Mannschaft nicht.

Die Austria führt die Charts der Enttäuschungen an: in der Liga mau, auch international nur in münchhausen'schen Narrativen konkurrenztüchtig. Es war klar, dass der Abgang von Peter Stöger ein Problem werden, dass vor allem der Abgang des durchaus zu halten gewesenen Co-Trainers Manfred Schmid, dem strategischen Genius hinter Stöger, schwierig werden würde. So schlimm hatten es aber auch Pessimisten nicht eingeschätzt. Die besten Aktien (Hosiner, Suttner) fielen in den Keller und Nenad Bjelicas fehlende Kompetenzen in Sachen Strategie waren vor allem angesichts des Vorgänger-Jahres eklatant.

Grödig setzte seinen Siegeszug aus der 2. Liga fort, da sich auch in der obersten Spielklasse intelligentes und vorausdenkendes Coaching mittlerweile lohnt. Den Sprung über die diesbezüglich unterbelichteten Teams (die letzten fünf) schaffte Adi Hütter also aus dem Stand. Bis dato hat sich auch die Mega-Katastophe des Wettskandals, die in Grödig eine ihrer Homebases hat(te), noch nicht wirklich ausgewirkt, sportlich. Ich fürchte, das wird noch kommen.

Zum gefühlt umpfzehntenmal schafft es die SV Ried in die Spitzengruppe; und das aus guten Gründen: Kontinuität und strategische Fähigkeiten (Reiter, Schweitzer), Ruhe (Angerschmid) und Talent, das den Entwicklungstandort zu schätzen weiß (Zulj, Walch...).

Die Riege der fünf Low-Rankers führt eigentlich Sturm Graz an, das nach dem Nachtragsspiel wohl auf Platz 6 zu finden sein werden (Anm.: wie sich später heraustellen soll, ist nicht einmal das möglich. Sturm verliert und bleibt auf Rang 7). Die Milanic-Truppe hat Glück, dass sie vier noch deutlich schwächere Teams hinter sich weiß; und auch, dass die in einer viel breiteren Öffentlichkeit vorgeführte Tief-Phase der Austria viel breiter ausgestellt wird. Angesichts des Kaders und der Möglichkeiten ist die Halbzeit-Platzierung der Grazer nämlich die deutlich schlechteste Leistung aller Bundesliga-Clubs. Das hat in erster Linie mit der winseligen, selbstgerechten, alle Schuld auf Vergangenes schiebenden und strategieblinden Grundhaltung aller Verantwortlichen (von der Führung über die Spieler bis hin zu Fan-Vertretern) zu tun. Nur eine weihnachtliche Einsicht kann Besserung herbeiführen.

Über Neustadt, Innsbruck und Wolfsberg gibt es nicht viel zu sagen: Pfeifenberger, Kirchler und Kühbauer haben nur einen einzigen Plan - und der liegt in ihrer Selbstdarstellung. Kirchler hält's mit dem Schmäh und Kühbauer spielt Kindergarten. Pfeifenberger muss man zugute halten, dass er mit einem mittlerweile fast komplett von ihm zusammengestellten Kader immer wieder den Klassenerhalt schafft - und das ohne Publikum und ohne Masterplan.

Die trenkwalderlose Admira schlägt sich - wie in den schlechten alten Zeiten - meist selber: zuerst ein Witz-Trainer, dann einer ohne Lizenz, und jetzt einer, der's rein körpersprachlich gar nicht machen will. Trotzdem ist es dank der schwachmatischen Konkurrenz möglich, dass sie die acht Strafpunkte an Rückstand noch aufholen.

Wieso kopieren die Liga-Trainer jetzt allesamt Koller?

In der 18 Runde war es eklatant: alle zehn Liga-Coaches spielen dasselbe System - ein 4-2-3-1, das bei manchen zu einem 4-4-1-1 gerinnt; also ganz genau das, was Marcel Koller mit der ÖFB-Team seit Monaten vorzeigt.

Bei Roger Schmidt ist das nur der Plan B: wenn Soriano fit ist, zeigt er mit seinem 4-1-3-2 dem Rest der Liga die Hinterläufe - aber sonst schreiben alle beim Klassenbesten ab.

Das ist zwar irgendwie logisch und folgerichtig, aber auch ein Armutszeugnis. Wo bleibt die Diversität, wo vor allem das Überraschungs-Moment? Ried hat Jahre damit gepunktet, dass die (von schwachen Coaches schlecht eingestellten) Gegner das 3-3-3-1 nicht und nicht kapiert hatten. Die Austria hat ihre Meisterschaft mit Stögers durchaus brillantem und hochflexiblem 4-3-3 errungen.

Immerhin lauert in der 1. Liga einiges an Potential: Damir Canadi steht mit seinem taktische Kapriolen schlagenkönnenden SCR Altach erst vor dem Aufstieg, Peter Zeidler ist mit Red Bull II ebenso innovativ unterwegs wie Schuldes bei Horn und Friesenbichler bei Hartberg. Allerdings finden sich da auch einige altbackene 4-4-2-Versionen.

Wenn alle dasselbe spielen, neutralisiert man sich taktisch - das ist zwar sicher, aber eben nicht attraktiv. Weshalb sich dann auch zwangsläufig ein Zuschau-Zustand der Lähmung einstellt, die Luft raus war. Der Zuschauer-Rückgang der Liga hat direkt mit dieser Tatsache zu tun. Gut, manchmal ist es schiere Vorsicht: Adi Hütter hat sein hyperriskantes 5-0-5 aus den frühen Jahren zugunsten eines sichereren 4-4-2 aufgegeben - aber der Geist des Risikos wohnt dem Spiel seiner Teams immer noch inne.

Der in derselben alten Geschichte ebenfalls für seine Risikolust bewunderte Walter Kogler, dessen komplexes 4-1-2-2-1 Innsbruck lange über Wasser hielt, bekommt seine Lobeshymnen jetzt in Deutschland, wo er den sonst klassisch wackeligen RW Erfurt im Spitzenfeld der 3. Liga (in der sich die untere Hälfte der Ö-Bundesliga gerade mal so bewegen könnte) halten kann.

Der Rest ist bestenfalls solide (die neue Ried, die tranformierenden Rapid) und eher unsagbar (die von Bjelica um Jahre zurückgeführte Austria, Milanic' atombombenfestes flaches 4-4-1-1) bzw ohne große Überlegung einfach aufs Spielfeld geworfen (die üblichen Verdächtigen).

Dinge, über die sich die guten Coaches dieser Fußballwelt wochenlang den Kopf zerbrechen, etwa die Aufgaben-Verteilung der beiden Sechser (falls man zwei aufstellen mag), werden in den Liga tendenziell gewürfelt. Das war schon einmal besser. Denn: nur weil es so ähnlich aussieht wie beim Klassenbesten Marcel Koller, entfacht es noch lange nicht dieselbe Wirkung.

Wieso sind in Österreich deutlich mehr Kicker verletzt?

Ich hab's mir genauer angesehen - auch weil in der letzten Runde die Verletztenlisten teilweise länger waren als die der Ersatzspieler. Die Liga-Teams haben aktuell im Schnitt 4,7 verletzte Kicker im Kader. In Deutschland sind es (am selben Stichtag) 3,5. In der wettermäßig noch besser vergleichbaren Schweiz nicht einmal 2,5.

Da stimmt doch was nicht.
Vielleicht nicht bei der ärztlichen Betreuung, aber vielleicht bei den Trainingsbedingungen. Wenn ich mir ansehe, auf welchen Gefrierackern da Spiele ausgetragen werden, wenn ich höre, dass sich Liga-Vereine erst nach einem Eislauf-Match dazu durchringen fürs nächste Spiel doch die Rasenheizung aufzudrehen, dann frage ich mich auf welchem Untergrund denn aktuelle die Trainings stattfinden.

Gut ist die lange Ausfalls-Liste für die Amateure der Liga-Teams: die bekommen jetzt Notfalls-Einsätze, können Chancen nutzen, tun das auch. Ein Fingerzeig dafür, dass winterliche Notkäufe von übriggebliebenen Legionären getrost unterlassen werden können, eigentlich.

PS:

Weil heute nachmittag/abend der neue Präsident der Bundesliga gekürt wird (und es wird entweder der alte, Hans Rinner, oder - weniger likely - der politische Karlheinz Kopf sein) - das sind die Herausforderungen denen er sich künftig stellen muss.