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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

5. 12. 2013 - 19:04

Ironisch Spionieren

Prächtiger Quatsch, altmodische Action, Agenten-WG an Bord eines Flugzeugs. Die ziemlich wunderbare Fernseh-Serie "Agents of S.H.I.E.L.D."

S.H.I.E.L.D. ist ein lustiges Akronym, ähnlich gelagert wie U.N.C.L.E. (United Network Command for Law and Enforcement) aus der schön schrulligen Agenten-Serie "The Man From U.N.C.L.E." aus den 60er-Jahren, oder SPECTRE (SPecial Executive for Counter-intelligence, Terrorism, Revenge and Extortion), der bösesten aller kriminellen Organisationen aus dem James-Bond-Universum. S.H.I.E.L.D – was mag es bedeuten? Supreme Headquarters, International Espionage, Law-Enforcement Division oder auch Strategic Hazard Intervention Espionage Logistics Directorat. Abgesehen von der öden, offiziellen Buchstabenerläuterung auf dem Papier - "What does it mean to you?" wird Agent Grant Ward, eine der Hauptfiguren von "Agents of S.H.I.E.L.D", gleich zu Beginn der ersten Episode gefragt. "It means someone really wanted our initials to spell out S.H.I.E.L.D" meint er trocken.

Dieser schenkelklopfende Anflug von Selbstreflexion gibt den Ton, wenn man es nicht ohnehin schon erwartet hätte, dieser Ende September mit großem Tamtam und prächtigen Quoten gestarteten Show vor. Postmodernes Augenzwinkern, Querverweise auf andere Spielplätze der Fiktion, fröhliche Selbstbespiegelung, ein Bade in den Wässern der Popkultur. Co-Creator, Co-Autor und ideologischer Kursgeber von "Agents Of Shield" war, auch, wenn mittlerweile Bruder Jed Hauptverantwortlicher ist, Joss Whedon, der Mann fürs Feine, wenn's darum geht Horror, Sci-Fi, Comic und Teenie-Drama - zwar immer knallig und überhöht, jedoch stilvoll und neue Sinne stiftend auf den Bildschirm zu bringen.

Mit "Buffy the Vampire Slayer" und "Firefly" hat Joss Whedon bekanntlich Seriengeschichte geschrieben (auch seine wenig bekannte Show "Dollhouse" sei hier ausdrücklich empfohlen), vergangenes Jahr hat er - nur so halbwegs geglückt - versucht, das Superheldenvehikel "The Avengers" zu stemmen. Wie "The Avengers" entstammt auch die Organisation S.H.I.E.L.D. dem Marvel-Universum, wir erinnern uns: Samuel L. Jackson, Augenklappe, Scarlett Johansson, schwarzer Leder-Catsuit. Auch wenn die Quoten von "Agents of S.H.I.E.L.D." nach dem Piloten stark in den Keller gegangen sind, befindet sich die Show mittlerweile, mit Folge 5, 6, 7, 8 im qualitativen Aufschwung.

Agents of SHIELD

Agents of SHIELD

Supertruppe: Agents of S.H.I.E.L.D

Die Serie ist zeitlich nach dem "Avengers"-Film angesiedelt, im Zentrum steht Agent Phil Coulson, der schon in den "Iron Man"-Filmen, in "Thor" und eben den "Avengers" kurze und prägnante Auftritte von bissigem Witz und giftigem Lächeln hatte. Nun hat doch Thors unguter Bruder Loki Agent Coulson in "The Avengers" getötet? Jetzt lebt er wieder, warum und wie - das ist eines der Geheimnisse von "Agents of S.H.I.E.L.D". Coulsons Rückkehr aus dem Reich der Toten, seine (angebliche?) Genesung auf Tahiti (Running Quote: "It's A Magical Place") und seine charakterlichen Veränderungen geben einen großen Bogen, eine Rahmenhandlung, die bislang pro Episode nur kurz angeteased wird, der ersten Staffel vor. Man muss übrigens mit dem ganzen "Avengers"- und sonstigen Marvel-Universum kaum bis gar nicht vertraut sein - nur ein paar Bonus-Witzchen oder Anspielungen Richtung Thor oder Captain America gehen vielleicht in der Wahrnehmung verloren, "Agents of S.H.I.E.L.D." funktioniert auch auf sich alleine gestellt ganz hervorragend.

Unter der Leitung von Agent Coulson ist ein kleines Team der Spionage-Organisation S.H.I.E.L.D., unterwegs in einem riesigen Flugzeug, das als Hauptquartier und Wohnort dient, unerklärlichen Phänomenen auf der Spur. Vor allen Dingen gilt es Menschen mit übernatürlichen Kräften aufzuspüren, sprich: mögliche künftige Superhelden, bevor diese einer mysteriösen mit aller Wahrscheinlichkeit nach Weltherrschaft strebenden Geheimorganisation in die Hände fallen. Menschliche Flammenwerfer, außerweltliche Erscheinungen, komische Apparaturen, die im Stande sind, die Schwerkraft aufzuheben – nach dem altbekannten Muster gilt es in "Agents of S.H.I.E.L.D." immer einen Fall der Woche zu knacken, während sich im Hintergrund, langsam, ganz langsam größere Zusammenhänge manifestieren.

"Agents of S.H.I.E.L.D" ist also, wie das wohl so sein muss, auch eine Meta-Show, eine Shows über Shows mit den Paramatern "Spionage", "Agenten" und "Gruppendynamik". So spielt "Agents of S.H.I.E.L.D." stets mit den Konventionen des Action- und Superhelden-Kinos, und bewegt sich immer haarscharf - und wissend - an der Grenze zur Parodie. Die Agenten hier haben immer einen knappen, kessen Spruch auf den Lippen haben. Ein Dialog beim Verhör verläuft in etwa so:

A: "Ok, there are two ways we can do this…"
B: (smartass-mäßig) "Oooh, is one of them the easy way?"
A: "No."
B. (eingeschüchtert) "No?"

Unter der Oberfläche von Action und trockenen Gags handelt "Agents of S.H.I.E.L.D." vor allem natürlich auch von Teambildung und letztlich, ja, Freundschaft. Die Agents of Shield sind ein klassischer, auch schon wieder beabsichtigt klischeehaft bunter Haufen: Zwei junge Wissenschaftsgenies, eine Hackerin, ein Vorzeige-Action-Held von der Physiognomie einer ein bisschen misslungenen Ken-Puppe, eine Pilotin mit Martial-Arts-Qualitäten und der kühl-väterliche Chef Coulson. Eine Gruppe, die sich erst zusammenraufen und die Schönheit des Teamworks erlernen muss, ohnehin ein zentrales Thema bei Whedon. "Agents of S.H.I.E.L.D." lässt sich viel, viel Zeit die Figuren über ihre anfängliche holzschnittartige Disposition hinaus zu charakterisieren. Was zunächst ein wenig platt und ermüdend scheint, entpuppt sich mittlerweile also große Stärke: Die einzelnen Charaktere werden erst nach und nach genauer in den Fokus geholt. Es ist immer noch Raum für Schatten und Unbekanntes.

Auch wenn "Agents of S.H.I.E.L.D." oft wie eine Verbeugung vor altmodischen Action- und Krimi-Serien wie "MacGyver", "The A-Team", "Knight Rider" oder der "Mission Impossible"-Reihe anmutet, wird die Show nie zum endgültigen überzuckerten Referenz-Generve oder einer ständig sich selbst vergewissernden Trash-Verliebtheit. Alles ist hier immer dick aufgetragen, oft auch ein bisschen over-acted, aber eben schon auch in sich ernst gemeint, selbst wenn es lustig gemeint ist, oder ironisch. Wenn Agent Coulson überraschend, wie aus dem Nichts kommend, aus dem Dunkel bedeutsam in die erleuchtete Mitte des Raumes tritt, dann kommentiert er das, um den theatralischen Effekt wissend, mit den Worten: "Sorry that corner was really dark and I couldn't help myself". So funktioniert diese mit viel Spannung, Witz, Action und Quatsch zugeparkte, also ziemlich wunderbare Show. Es sei "Agents of S.H.I.E.L.D" hiermit eine große Zukunft prophezeit.