Erstellt am: 4. 12. 2013 - 08:47 Uhr

"Die sieben Plurale von Rhabarber"

Tex Rubinowitz schafft Ordnung, wo keine sein will und muss. Offenbar wird alles irgendwie interessanter, wenn wir es nur in Listen verpacken.

Die 23 korruptesten Länder der Welt. Die 5 gefährlich-schönsten Plätze, die du mal besucht haben solltest. 11 der wahnsinnig teuren Dinge aus der Barney-Collection von Jay Z. Willkommen in der BuzzFeed-isierten Welt.

Offenbar wird alles interessanter, wenn wir es nur in Listen verpacken. Weil man sich Gedanken macht, welche Dinge zu einem Thema passen und weil man sie sortiert, in eine gewisse Form und Reihenfolge bringt. Ein Ranking erstellt. Die meisten, die größten, die besten, die spektakulärsten... Der ganz große Boom der Ranking-Shows im Fernsehen, in der jeder B- bis Z-Promi seine Meinung zu teils willkürlich von Redaktionen oder via Publikums-Voting erstellten Listen vor der Green-Screen kundgeben darf, ist zwar bereits vorbei. Dennoch finden sie sich immer noch im Hauptabendprogramm so mancher Privat-Sender. Und nicht selten will man dann wissen, wer nun auf Platz 1 ist oder ob irgendwas in der Liste fehlt.

Listen üben offenbar eine Faszination aus. Sie bedienen die Sehnsucht, Ordnung ins Chaos zu bringen. Wenn auch nur vermeintlich. Die Sehnsucht, eine komplexe Welt mit all ihren Entwicklungen, Strömungen und Erlebnissen, die man im Ganzen nie verstehen kann, in Trends und Themenbereiche zu erfassen, also der Wunsch, die Welt oberflächlich doch zu checken und sich im guten Gefühl des Blitzgneißertums zu suhlen. Wohlig und warm. Ja, ich hab's kapiert.

Nummerieren, Sortieren, Rangieren

Wir nummerieren, sortieren, rangieren für unser Leben gern. Wir bringen vermeintlich Ordnung in unseren Alltag mit Einkaufslisten, Todo-Listen, Checklisten. Wir fassen ein ganzes Jahr in Charts und Polls zusammen und schaffen uns so einen Überblick darüber, was passiert ist. Und streiten uns, wenn etwas vergessen wurde, nicht dabei ist, nicht dieselbe Wertigkeit besitzt, die das Ding für einen selbst hat.

Listen geben einen Überblick unter quantitativem Aspekt. Sie machen Mengen sichtbar, vorhandene und fehlende; sie zeigen Erreichtes ebenso wie noch Fehlendes, Richtiges und Falsches. Sie ermöglichen aufgrund ihrer Anordnung (Hierarchie und Sortierung) ein einfaches Auffinden von Einzelinhalten., weiß Wikipedia.

Und Wikipedia ist ja auch wieder nur eine Ansammlung an Wissen und Listen, eine Liste für Wissen, alphabetisch sortiert, das alles geschah am 3. Dezember, diese berühmten Persönlichkeiten sind vor kurzem gestorben und was ist alles DIN-Norm?

Listen über alles

Rowohlt Taschenbuchverlag

"Die sieben Plurale von Rhabarber. Listen über alles" von Tex Rubinowitz ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen.

Dass Listen aber vielleicht doch nicht so allmächtig sind, wie sie bisweilen scheinen, zeigt Tex Rubinowitz in seinem Buch "Die sieben Plurale von Rhabarber". 16 Jahre nach "Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen" hat er erneut ein Buch mit absurden, komischen und - ja - philosophischen Listen veröffentlicht, das die Hierarchie ebenjeniger hinterfragt und aufdröselt. Eine Liste an Listen, wichtig oder unwichtig, wild durcheinander gemischt, mal witzig, mal tiefsinnig. Beispiele?

Wie man nicht in der Armutsfalle landet

1. Bei Rot über die Straße gehen und sich nicht erwischen lassen
2. Von den Zinsen des Geldes leben, das man dem Mörder gegeben hat, damit er einen nicht umbringt
3. Im Bus immer hinten einsteigen, während der Busfahrt nach vorn gehen, man überholt gewissermaßen den Bus, ist also ein Stück des Weges gar nicht befördert worden, dann bekommt man einen Teil des Fahrpreises wieder zurück
4. Geld einfach nicht ausgeben
5. Wenn man ganz still sitzt, vollkommen regungslos, kann auch nichts passieren

9 Erfindungen, die es nicht leicht haben auf dem Patentamt

1. Selbstklebendes Klopapier
2. Waschstraßen für Büffel
3. Flüssigstaub zum Einfrieren
4. Einweg-Perpetuum-mobile
5. Zuckerzange für Salzwürfel
6. Cord-Ziesel, der blökt, wenn man ihn drückt
7. Frottee aus der Tube
8. Bumspuppe aus Tofuwürstchen
9. Hochleistungs-Firlefanz aus Detmold

Die Menschheit wäre ausgestorben mit Einstiegssätzen wie diesen

1. Du erinnerst mich an meine Mutter
2. Du erinnerst mich an deine Mutter
3. Hast du heute schon deine Mutter angerufen?
4. Du erinnerst mich an meine Freundin
5. Meine Freundin erinnert sich an deinen Vater
6. "Ein Männlein steht im Walde" - das Lied hab ich geschrieben

Die 5 entscheidenden Schritte der Erwachsenwerdung

1. Man wird von einem Kind gesiezt
2. Man wird von einem Erwachsenen gesiezt
3. Man siezt ein Kind
4. Das eigene Kind siezt einen
5. Der eigene Opa bietet einem seinen Sitzplatz im Bus an

Was echte Armut ist

1. So arm, dass man im Radio nur albanische Lieder hören kann
2. Sich kein Radio leisten können, sondern nur einen Käse, den man zwar nicht hören, aber an dem man riechen kann
3. Nicht mal Mäuse haben, deren Rascheln man hören könnte, um sie zum Dank mit dem Käse zu füttern, den man sich nicht leisten kann.

Ein Buch, das uns die Welt nicht erklären will, es aber in Ansätzen dennoch tut. Gespickt mit Rubinowitz-Zeichnungen. Und irgendwie auch eine Parodie auf all das Faktengetue von Listen. Großartig für zwischendurch zum Lesen.