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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

3. 12. 2013 - 19:33

Ein Lüftchen weht durchs House

Elektronische Popmusik von der Konsistenz einer Seifenblase: Die japanische Produzentin Sapphire Slows hat ein sehr gutes Debütalbum aufgenommen. Musik im Dienste des Zarten.

Einer der schönsten und gleichzeitig schrecklichsten jener Begriffe, die da in den letzten zwei, drei Jahren zur leichteren Kategorisierung von Musik, bzw. einer vermeintlich neu aufgestöberten Sub-Nische herangezogen worden sind, lautet "Outsider House". Ein wenige angelehnt an Outsider Art werden hier Menschen gemeint, die sich von außen, ohne die Mühlen der jahrzehntelangen Erfahrung durchwandert zu haben, ohne im Jahre "Primitive Drum-Machine" dabei gewesen zu sein, als Techno und House erfunden wurden, sozusagen naiv dem Produzieren von Dance-Tracks nähern.

Leute, die für Labels wie Opal Tapes, L.I.E.S. oder 100% SILK mit Entdeckerübermut rohe Stücke zusammenschustern, in denen in Wahrheit wesentlich mehr vom ungestümen Forschergeist früher Tage in Detroit oder Chicago schlummert, als in dem Fertigteil- und Handtaschen-House, der aktuell die Clubs, mittlerweile auch die Charts, von Ibiza bis London dominiert. Einerseits spricht aus dem Begriff klarerweise ein miefiges Elitendenken, das wohl gerne vergessen möchte, dass jeder irgendwo und irgendwann beginnen muss, andererseits will das ja aber auch immer ein jeder ein bisschen sein: Der Outsider. Mainstream, das sind die anderen.

Sapphire Slows

Sen

Sapphire Slows

Die japanische Produzentin und Sängerin Kinuko Hiramatsu schlägt mit ihrem Projekt Sapphire Slows jetzt auch von weit draußen an die Clubtür. Ganz leise. Mitgebracht hat sie ihr Debütalbum namens "Allegoria", schüchtern und gleichzeitig selbstbewusst sagt es "Hallo!". Das Schlagwort von DIY, Do it Yourself, ist ja nun seit der Erfindung des Internets nicht mehr unbedingt von großem Sensationswert. Sapphire Slows ist also wieder so eine Bedroom-Producerin, eine geniale Dilettantin, die zuhause an allerlei billigen Synthesizern und an Software eine kleine große Pop-Platte zusammengebaut hat.

Und, wie sich das im Sinne einer Punk-Attitude fast schon gehört, mit ziemlich rudimentären Kenntnissen an den Instrumenten. Eine Platte, die ohne großes Sensationsgeheische verschiedene Hip-Musiken der jüngeren Vergangenheit in neue Zusammenhänge stellt.

Bei einer der Zentralinstanzen aller elektronischer Outsider-Forschung, dem großartigen kalifornischen Label Not Not Fun, hat Sapphire Slows bereits 2011 eine feine EP voller kruder Synthesizer-Magic und komischen Disco-Beats veröffentlicht, letztes Jahr ist bei der Not-Not-Fun-Schwester 100% SILK in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Magic Touch eine richtig gute Piano-House-12“ erschienen. Im Vergleich zur ersten EP von Sapphire Slows, die schon auch schön war, aber doch noch ziemlich räudig und schrottig - ist das wieder bei Not Not Fun erschienene Album "Allegoria" der erwartbare Fortschritt: Ein bisschen geschmeidiger ist die Platte geworden, besser aufgenommen, sauberer ausbalanciert, ohne dabei aber den guten Heimwerker-Charme zu verlieren.

Sapphire Slows "Allegoria" Albumcover

Sapphire Slows

"Allegoria" von Sapphire Slows ist bei Not Not Fun erschienen

"Allegoria" ist ein unaufdringliches Schmuckstück der Disco-Melancholie. Wir hören: Elektronisch betriebenen Dreampop, in Schaumstoffe gepackte House-Miniaturen, Lullabys aus der Casio-Orgel. Ein freundliches Murmeln im Wind. Über den Beats, die Wattebällchen gleich über den Teppich rollen, und den geisterhaften Soundscapes liegt der kaum zu verstehende, verhuschte Gesang von Sapphire Slows. Es ist ein heiliges Flüstern, das den Zuhörer zum Teil einer sexy Verschwörung mit ausschließlich löblichen Absichten macht.

"Allegoria" ist eine Platte, die eine Verbindungslinie aus dem Schlafzimmer auf den Dancefloor zieht. Dub, die Geister der Chillwave und des schlafwandlerischen Hypnagogic Pop, Ambient und House stehen hier nicht "interessant" und eklektizistisch ausgestellt nebeneinander oder einander im Dienste spannender Opposition gegenüber, sondern werden gemeinsam und ohne Mühe ein einziger Nebel, der im genau richtigen Maße süßlich duftet, in dem man sich mit geschlossenen Augen wiegen möchte, manchmal gar richtig tanzen. Wir wollen auf dieses wunderbare Album ein Etikett kleben und dieser Musik einen Namen geben: Bitte künftig unter "Whisper House" einsortieren. Pssst.