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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 12. 2013 - 20:31

The daily Blumenau. Monday Edition, 02-12-13.

Ein paar Begriffsentwirrungen zum Wettskandal und Greenspans eingestandener Irrtum.

Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.

Versuch der Begriffsentwirrung im heimischen Wettskandal

#fußball #abzocke #medien #ethik

Da der Wettskandal im österreichischen Fußball, der zunächst nur das geneigte Fachpublikum und später dann das Fußball-Ausland interessierte, jetzt - auch dank des gestrigen Im Zentrum im Mainstream angekommen ist, werden wohl ein paar Begriffsklärungen nötig.

Betrogen wird überall. Und immer schon wurde mit Betrug Geld gemacht.
Auch im Sport; seit den alten Griechen, auch vor über hundert Jahren, in allen Bereichen - von der kleinsten Amateur-Liga bis zu den ganz großen Idolen.

Betrogen wird mit Doping, aber auch mit Absprachen. Und natürlich ist da das Wett-Business, das in den letzten Jahren aus der düsteren, romantisierbaren Halb-Legilität der Hinterzimmer in die von globalen Playern beherrschten nur ungleich weniger grindigen Wett-Hütten gewandert ist. Dort wird der kleine Wetter nun nicht mehr von lokalen Gaunern, sondern der international organisierten Entsprechung abgezockt.
Was den transnationalen Wettbetrug deutlich vereinfacht.

Der aktuelle Stand im Wettbetrugs-Business hat sich längst über das pure Match-Fixing hinausbewegt. Das, also einen Spielausgang oder gar ein bestimmtes Resultat zu kaufen, ist viel zu aufwändig, viel zu anstrengend - man bräucht viel zu viele Mitverschwörer auf und rund um den Platz.

Man begnügt sich mit den sogenannten Ereignis-Wetten (Lotterien-Boss Friedrich Stickler, vormaliger ÖFB-Präsident, nennt sie interessanterweise "derivative" Wetten) also abstrusen Wetten auf eigentlich unvorhersehbare Details wie gelbe Karten (zb: Wer kriegt die erste?), Fouls, Eckbälle etc - gern auch live während des Matches durchgeführt, was dann alle Frühwarnsysteme, die die Wettanbieter installiert haben, lässig unterläuft. Dabei geht es auch nicht um riesige, sondern mittelgroße Summen.

Und genau dafür sind die Tabogas der österreichischen Ligen geködert worden. So (steht zu vermuten) grätschte der vormalige Grödig-Spieler etwa in der Schlussphase des Matches gegen Red Bull Salzburg eines bereits verlorenen Spiels (es stand 0:4) einen Gegner im Strafraum um, weil es eine entsprechende Elferwette gab.

Diese Wetten sind sehr unauffällig, weil sie den Spielverlauf kaum tangieren. Die Verfälschung der Resultate ist entsprechend gering. Die inkriminierten Spiele von Grödig fanden während deren Meistersaison in der 1. Liga und jetzt, während des sensationellen Laufs in der Bundesliga-Herbstsaison statt. Es war nichts zu bemerken, auch weil die Wetter und die beteiligten Spieler die Einflussnahmen (großteils) in die unbedeutenden Teile der Spiele legen konnten.

Deshalb gab es auch genau keine Chance etwas zu bemerken.

Dass überhaupt etwas aufflog, ist u.a. der Tatsache zu verdanken, dass der Schiri den Elfer für Salzburg damals nicht gab. Taboga vergeigte so die Wette, wurde von seinen Partnern daraufhin finanziell unter Druck gesetzt, was dann in seiner Flucht nach Vorne kulminierte. So haben die Unwägbarkeiten des Fußballs indirekt zur Aufdeckung der Aktivitäten dieser Bande geführt.

Unter Garantie werkeln auch andere eingespielte Gangs dieser Größenordnung in Österreichs Ligen; noch unenttarnt - weil eben superunauffällig.

Die aktuellen Vorstöße der Sportwetten-Industrie, die als Sponsor von sowohl Bundesliga auch als einigen Vereinen so tief im System drinnenhockt, dass sie die Bedingungen selbstverständlich diktieren kann, laufen auf ein Verbot der (meisten) Ereignis- und vielleicht auch der Live-Wetten hinaus. In Österreich. Immerhin. In anderen europäischen Ländern (in Asien, der angeblichen Wiege des Bösen gibt es diese Art Wetten gar nicht) wird das weiter möglich sein, also wird sich die kriminelle Energie da ihre Wege bahnen.

Die vom Boulevard und auch von den vielen im Detail recht ahnungslosen Medien-Berichten, die beim Thema Sportwetten-Betrug so wenig Wissen/Fantasie aufbringen, dass sie immer noch im Glauben an das pure Match-Fixing agieren, losgetretene Pseudo-Ethik-Debatte kann man sich also getrost schenken.

Match-Fixing, das hat gestern TV-Experte Mählich anschaulich erklärt, findet in den unteren Ligen statt, wenn es zu Saison-Ende um Auf/Abstieg geht. Da machen sich die Dorf-Vereine das mit Sach- oder anderen Prämien untereinander aus. Ein Vorgang, der in anderen Fußball-Kulturen bis durchaus hoch in den Profi-Bereich auch üblich ist, und den ich in Österreicher auch ganz oben für durchaus möglich halte (schließlich sind Absprachen wie diese in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen genauso üblich) - der aber wiederum mit den Wetten und den daraus entstehenden Betrügereien gar nix zu tun hat.

Fußball ist und bleibt genauso ethisch und moralisch wie der Rest der Gesellschaft: wo gehandelt, gepackelt, gelinkt und abgezockt wird, dort wird das auch im Sportbereich passieren.

Alan Greenspan hat sich geirrt und stellt das auch offensiv aus

#economics #keynes

Ich mag Irrtümer. Und zwar dann, wenn sie - einmal erkannt, hingestellt und offensiv betrachtet - zu einer Verbesserung führen. Weil jeder aufgeklärte (gute) Irrtum dazu führt, eine andere Denkungsart kennenzulernen und womöglich zuzulassen.
Irrtümer sind der Nährboden des Weiterkommens.

Alan Greenspan, der über 85jährige Ex-Chef der Fed, in den 80ern und 90ern gern als mächtigster Mann der Welt bezeichnet, ist immer noch der meistzitierte Wirtschafts-Zampano der Welt, der größte Rockstar seiner Branche.

In der aktuellen Ausgabe von Foreign Affairs, einem als moderat geltenden klassischen US-Reader zu Wirtschafts- und Außenpolitik-Themen schreibt der Oldie ein fettes Essay mit dem Titel Why I didn't see the Crisis coming. Damit bezieht er sich darauf, dass bis auf eine Handvoll von Ökonomie-Fachleuten ja eine gesamte Branche, alle Fachleute, die fatale Krise von 2008 nicht einmal ansatzweise kommen gesehen hatten. Ein Fanal für eine Branche, die sich ja als Wissenschaft begreift, anstatt sich mit der wahrscheinlich realistischeren Beschreibung als ideologisch eingefärbte Prognostiker (deren Erfolgsrate deutlich unter der der Wetterfritzen liegt) zufriedenzugeben.

Ich werde jetzt hier nicht so tun, als würde ich alles verstehen oder könnte das was Greenspan da, recht expertistisch schreibt, überprüfen.
Ich stehe nur verblüfft vor selbstkritischen Worten "so blind to the coming calamity. How did so many experts, including me, fail to see it approaching?"

Warum kommt sowas nicht, z.B. von Schüssel und Khol über ihre deutlich länger zurückliegenden Verfehlungen? Warum nerven ÖFB und Bundesliga mit ihrer jahrelangen Vogel-Strauss-Politik, was Wettbetrug betrifft, anstatt den mea culpa-Chor anzustimmen? Ich wüsste nicht, wann ich derlei Selbsterkenntnis jemals von heimischen Akteuren gehört hätte.

Greenspan hat auch gleich Lösungsansätze parat, und da entdeckt er seinen Keynes wieder. Auch da steige ich aus - bin aber bereit, dem, der seine Irrtümer deutlich anspricht, deutlich mehr zu vertrauen. Gut, es ist ein uramerikanisches Prinzip, dass man nach einem Flop aufsteht und gestärkt daraus hervorgeht - einfach weil man etwas probiert hat, anstatt nichts getan oder nur laviert zu haben.

Und genau da ist der Knackpunkt: in Österreich ist das Mikado-Prinzip (stillhalten statt irgendetwas bewegen wollen) allzu vorherrschend. Und so wird der schillerende und chancenreiche Irrtum weiter nur ein schamvoller Begleiter sein.