Erstellt am: 3. 12. 2013 - 16:41 Uhr
Wen kann Eminem jetzt eigentlich noch hassen?
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Keine 'N Syncs und keine Backstreet Boys mehr. Eminem tut sich schwer, Kanäle für seinen Zorn zu finden. Bei seiner Mama entschuldigt er sich inzwischen für seine Behauptung, sie würde mehr Dope konsumiert als er und Gossip-Seiten melden, er wäre sogar wieder mit seiner Ex-Frau Kim zusammen, mit der er eine Tochter hat und die er vielfach als infernalisch bösestes weibliches Wesen beschimpft hat.
Aber gerade in diesem Fehlen von neuen Themen und Feinden kommt Eminem zur Essenz seiner Angriffslust.
Man muss keine Daniel Düstentrieb-artige Kombinationsgabe besitzen um zu verstehen, dass Eminem mit "The Marshal Mathers LP 2", die Anfang November erscheinen ist, so was wie angewandte String-Theorie versucht. Er will einen Tunnel bauen, ein Wormhole, von der Marschall Mathers LP ins heute. Er greift seine alten Themen und Erzählungen wieder auf, bleibt genauso gewandt und angriffslustig, fügt aber auch die eine oder andere Spitze gegen sich selbst hinzu. Das ist die Eminem-Version von Selbstreflektion.
Der HipHop-Lesekreis setzt sich mit einer Eminem-Nummer auseinander, die - sagen wir mal so - die Consommé double von Eminems Schaffen darstellt. Will man jemandem, der nicht von diesem Planeten stammt oder die letzten 18 Jahre irgendwo eingesperrt war, erklären, wer Eminem ist und warum er die hohe Kunst des Affronts beherrscht wie kein anderer, wie er Menschen gleichzeitig zum Entsetzen und zum Schmunzeln bringen kann, dann sollte man dieser Person, diesem extra-terrestrischen Wesen einfach "Evil Twin" vorspielen.
Eminem ist in der Gewandtheit seiner Wortspiele unerreichbar, nur der Text geht ihm ein bisschen aus. Virtuos in der Form verdünnisiert sich der Inhalt, weil wir ihn schon kennen. Aber für ein von Schmunzeln begleitetes "Oh mein Gott, Eminem, du hast das jetzt nicht wirklich gebracht!" reicht es auf jeden Fall.
In seinem Hirn tanzen immer noch verschiedene Personen herum. Aber verglichen mit den hyperkomplexen Verwirrspielen, die Tyler the Creator auf seinen Alben inszeniert, den verschachtelten Schizophrenie-Simulationen, die eine ganze Analytiker-Klausur über Wochenenden beschäftigen könnten, ist Eminem immer noch konsequent in seiner gut/böse Polarität verhaftet. Er verwendet "Faggot" immer noch als Schimpfwort, erklärt aber gleichzeitig, dass er privat überhaupt kein Problem mit LGBTs hat, Elton John irre gern mag und Pro-Gay-Marriage ist.
Für Eminem ist Hip Hop mit einer Barschlägerei vergleichbar. Und auf Evil Twin beansprucht er seinen Thron in der Rap Geschichte. Dass es hier nur einen Evil Twin gibt, macht seine Punchlines stärker, Eminem verwendet versierte Wortspiele, die man doch beim ersten Hören versteht.
Der HipHop-Lesekreis
Adia Trischler, Ole Weinreich, Mahdi Rahimi und ich unterhalten uns über Eminems Evil Twin:
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