Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Liebe ist... kein Kalenderspruch"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

1. 12. 2013 - 16:35

Liebe ist... kein Kalenderspruch

Der Song zum Sonntag: Warpaint - "Love Is To Die"

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Die Liebe ist so herzerwärmend wunderbar, man möchte in einem Meer aus Freudentränen ertrinken. Die Liebe ist so schrecklich, so niederschmetternd und so aufschürfend, man möchte sich vor lauter Pein in der Brust weihevoll vom nächsten Fenstersims fallen lassen, besser noch: gleiten. Gleich morgen! Der Lovesong neigt zur Übertreibung, in alle Richtungen. Man leidet so schön, sieht sich dem Tode nahe, was soll denn das ganze stumpfe Dahinexistieren auf dieser blöden Kugel auch noch für einen erfüllenden Sinn haben, wenn einem die geliebte Person nicht mehr unter der Decke die Füße wärmt?

Einst sang eine affige finnische Düsterrockkapelle mit reichlich verbogenem Romantik-Verständnis gar davon, dass die endgültige, reine Liebe doch schließlich nur in der gemeinsamen Flucht von diesem Planeten, im gemeinsamen freiwillig gewählten Tode zu finden sei. In finsterer Stunde in dunkler Stube genüsslich in den eigenen Schmerzen schmoren, schön und gut, so weit soll es dann aber bitte doch nicht kommen. Nicht einmal als schmierige Fantasie, die einem im trübsten Jim-Morrison-Delirium zugeflogen ist.

Warpaint

Warpaint

Warpaint

Die neue Single von Warpaint heißt jetzt also bedeutungsschwanger "Love Is To Die", zum Glück hat dieses Quartett aus Los Angeles aber auch die nicht ganz unbedeutende Zeile "It's not necessary to be so dark" in diesem unheilvoll blubbernden Song versteckt. Bei aller stürmenden und drängenden Gefühlswallung soll man vielleicht auch einmal kurz das Licht der Raison in die miefige Kammer lassen. Öde eigentlich, ja, aber bringt den Haushalt eventuell wieder in eine sinnvolle Balance.

Das 2010 erschienene Debütalbum von Warpaint namens "The Fool" zeigte sich schon am Außerweltlichen interessiert, am Mystischen, am Esoterischen, an Kate-Bush-Schamanismus. Musikalisch schlug sich das in sphärischem Dreampop, in entrücktem Folk und Psychedelik in bunten Tüchern nieder. Das war sehr fein, aber noch nicht weltbewegend, für das Anfang 2014 angekündigte zweite Album der vier Musikerinnen, das schlicht wie die Band selbst – wie das ein Opus Magnum gerne ab und zu tut – "Warpaint" heißen wird, wird jetzt mit allen Hebeln im Umfeld der Band versucht, das ganz große Fass aufzumachen: An den Studioreglern sind Nigel Godrich und Flood gesessen, um die visuelle Repräsentation der Gruppe, Bandfotos, Vorabteaser-Video, Dokumentation des Aufnahmeprozesses, hat sich Chris Cunningham gekümmert.

Es ist aber eben schon auch eine sehr gute Band. Die Vorabsingle "Love Is To Die" schreit nicht schrill und spritzt nicht, leise und geschmeidig reitet sie auf einem prominenten Bassmotiv wie eine silbergraue Katze auf Wallfahrt. Der Refrain wird ohne großen Zwang und ohne Not wie beiläufig in den Äther gehaucht. Trotzdem kann man Warpaint hier alles glauben: "Love Is To Die", genauso ist es, genauso ist die Liebe aber auch ein dröges Wabern, ein Mäandern und Herumstehen, wie es dieser Song wunderbar in Töne übersetzt erfahrbar macht. "Love is to die" singen Warpaint, aber auch, gleich darauf, "Love is to not die". Und am Ende der Zeile: "Love is to dance". Love is to dance. Darum geht es.