Erstellt am: 29. 11. 2013 - 16:48 Uhr
Das Spiel mit der Sucht
Die Diskussion über das so genannte „Kleine Glücksspiel“ ist weitestgehend eingeschlafen. In den unzähligen Wettcafes wandern weiterhin Tag für Tag die Euro-Scheine in die Maschinen. Die Steuereinnahmen sprudeln (allein in Wien etwa 55 Millionen) und in den Bundesländern werden neue Lizenzen ausgeschrieben. Was sonst noch geschah, hier ein kleiner Überblick zum Status quo:
Seit der Novelle des Glücksspielgesetz 2010 können die Spieler bis zu 10 Euro pro Spiel in die Automaten werfen. Ein Spiel dauert dabei oft nicht mehr als zwei Sekunden. Vor der Novellierung waren an den Automaten nur Höchsteinsätze von 50 Cent möglich.
Das Glücksspielgesetz (GSpG) wurde im Jahr 2010 novelliert, und damit die Aufstellung der bis dahin nur in vier Bundesländern erlaubten sogenannten „Einarmigen Banditen“ genau geregelt. Mit dem neuen Gesetz wurde das Automatenspiel Bundessache (und damit auch die Kontrolle), allerdings dürfen die Länder seitdem selbst entscheiden, ob sie überhaupt Lizenzen vergeben. Im Zuge dieser Novelle wurde vielfach gefordert, das „kleine Glücksspiel“ in Gaststätten und Cafes generell zu verbieten.
Mehr Lizenzen, mehr Umsatz
Durch die anhaltende Debatte und Kritik wurde in Wien, auch auf Druck der Sektion 8 in der SPÖ beschlossen, die auslaufenden Automaten-Lizenzen im Dezember 2014 nicht mehr zu verlängern. Außerdem wurden mehrere tausend illegale Automaten von einer Sonderkommission der Finanzpolizei beschlagnahmt. Das damit weniger Automaten in Zukunft in Österreich stehen ist trotzdem nicht zu erwarten.
dpa
Im neuen Glücksspielgesetz wurde geregelt, dass alle Bundesländer bis zu drei Lizenzen für das „Kleine Glücksspiel“ vergeben können. Davor waren die blinkenden Automaten nur in Wien, Niederösterreich Kärnten und der Steiermark legal.
Dazu gekommen sind seit 2010 Lizenzen für Oberösterreich und das Burgenland. In Kärnten wurden die Lizenzen - begleitet von Protest - erst dieses Jahr kurz vor der Landtagswahl um 15 Jahre verlängert.
Milliardengeschäft
Im vergangenen Jahr haben die ÖsterreicherInnen insgesamt etwa 14 Milliarden Euro für Glücksspiel und Wetten ausgegeben. Das entspricht fast den Ausgaben für Lebensmittel, die sich auf etwa 17 Milliarden Euro belaufen. Allerdings verlagert sich das Geschäft zunehmend. Casinos, Lotteriespiele und das Glückspiel im Internet verzeichnen rasante Umsatzzuwächse.
Ein Mann, der besonders stark vom Wettcafe-Boom profitiert hat, ist Novomatic-Gründer Johann Graf. Seine Firma produziert die Automaten, die den vielen Spielsüchtigen zum Verhängnis werden. Er ist vor kurzem erstmals offiziell in die Bloomberg-Milliardärsliste aufgenommen worden. Sein Vermögen soll sich laut Bloomberg binnen drei Monaten von 3,4 Milliarden auf 6,8 Milliarden Dollar gesteigert haben. Damit ist er der zweitreichste Österreicher hinter Red-Bull-Chef Didi Mateschitz.
Wenige Gewinner, viele Verlierer
Beim großen Geschäft mit dem Glück bleiben allerdings viele Glücksritter auf der Strecke. In Österreich sind je nach Schätzung zwischen 60.000 und 240.000 Menschen spielsüchtig. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele erst mit ihren Familienangehörigen und Freunden darüber sprechen, wenn sie schon tief in der Suchtspirale stecken. Die größte Anziehungskraft haben nach wie vor die „einarmigen Banditen“, denn an diesen Geräten kann man sehr schnell sehr hohe Summen verspielen.
Vom einarmigen zum zweiarmigen Banditen
Tipp
Hilfe für Betroffene findet man unter spielsuchthilfe.at.
Der Weg von der Spielsucht führt oft in die Beschaffungskriminalität. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde erhoben, dass - je nach Studie - zwischen 15 und 20 Prozent der Spielsüchtigen Straftaten begehen, um ihre Sucht zu finanzieren. Auch in Polizei- oder Chronik-Berichten liest man bei Straftaten immer häufiger das Motiv Spielsucht. Hier zwei Beispiel aus Österreich in den vergangenen Wochen:
Sieben Postüberfälle: Zwölf Jahre Haft
Nach sieben Überfällen auf Postämter in Wien ist ein 25-Jähriger zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Als Tatmotiv nannte er im Prozess seine Spielsucht. (wien.ORF.at vom 21.11.2013)
Raubüberfall auf Trafik in Linz geklärt
Das Landeskriminalamt OÖ, Ermittlungsbereich Raub klärte nach umfangreichen Erhebung einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Trafik in 4020 Linz vom 31. Oktober 2013. […] Demnach stehen ein 33-Jähriger und ein 34-Jähriger in Verdacht einen bewaffneten Raubüberfall auf die Trafik verübt und dabei die Geschäftsinhaberin mit einem Messer bedroht zu haben. Die Beschuldigten zeigen sich zur Tat geständig. Zur Motivation konnte ihre prekäre finanzielle Situation (Spielsucht) ermittelt werden.
(Presseaussendung Landeskriminalamt Oberösterreich vom 11.11.2013)
Entzugserscheinungen ähnlich den Substanzsüchten
Der Drang zu spielen kann aber nicht nur die Hemmschwelle für Straftaten senken. Kranke Spieler berichten von regelrechten Entzugserscheinungen (Gereiztheit, Nervosität), bis hin zu Kontrollverlust, wenn sie nicht spielen können.
FM4 Jugendzimmer
Im FM4 Jugendzimmer sind am 29. November 2013 ab 19 Uhr Mario und Gernot zu Gast.
Mario hat zehntausende Euro bei Automaten, Online Poker und im Casino in den Sand gesetzt. Vor vier Jahren hat er versucht, sein Suchtverhalten zu stoppen und hat damals im FM4 Jugendzimmer darüber gesprochen. Jetzt erzählt er, wie es ihm seither ergangen ist. Ebenso im Studio ist Gernot: "Ich zocke 8 bis 14 Stunden am Tag. Irgendwie geil so ein Online Portal: alle Nationen, alle Altersgruppen".
Claus Pirschner diskutiert übers Spielen, die Lust daran, die Sucht(gefahr), die Folgen und den Entzug.
Ab 19 Uhr live ins Studio: 0800 226 996