Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ein Beirat für die Szene"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

28. 11. 2013 - 17:41

Ein Beirat für die Szene

Die Stadt Wien setzt Szene Wien nun einen unabhängigen Beirat vor die Nase. Der mischt sich auch inhaltlich ein.

Die Szene Wien wird neu organisiert und den Betreibern wird ein unabhängiger Beirat zur Seite gestellt, der sich inhaltlich einbringen und darauf achten soll, dass die Vielfalt und Breite des Musikprogramms gewährleistet wird und die Subventionen auftragsgemäß verwendet werden.

Dies soll der Kritik ein Ende bereiten, die es in den vergangenen Jahren an einem der ältesten Wiener Musikvenues gegeben hat. Dies war einer APA OTS Aussendung der Wiener Grünen zu entnehmen.

Der grüne Wiener Kultursprecher Klaus Werner-Lobo nimmt zu dieser zumindest ungewöhnlichen Maßnahme Stellung.

Was war nach Ansicht der Wiener Kulturpolitik am Programm der Szene Wien so falsch, dass man das jetzt machen musste?

Klaus Werner-Lobo

Grüne

Klaus Werner-Lobo

Die Betreiber der Szene Wien waren auf Anfrage von fm4.orf.at heute noch zu keiner offiziellen Stellungnahme bereit.

Klaus Werner-Lobo: Ich sehe es ausdrücklich nicht als politische Aufgabe, ein Programm zu beurteilen. Es gab seit der Übernahme der Szene Wien im Jahr 2008 immer wieder Kritik - vor allem aus der alternativen Musikszene, vor allem aus diesen Szenen, die bis 2008 hier eine Art Heimstätte gefunden haben - dass es hier eine Verschmälerung gegeben hat. Der Vorwurf lautete, dass es sehr nach dem persönlichen Musikgeschmack der neuen Betreiber ging und mehr Rock, Hardrock, Metal gespielt wurde und die Weltmusik oder Indie Musik immer weniger ihren Platz gefunden haben. Es ist nicht die Aufgabe der Politik , Geschmack und Programm vorzugeben, deswegen wollen wir mit Hilfe eines Beirates helfen, die breite Fächerung wieder herzustellen.

Ich kann mich erinnern, als die Szene Wien von den vormaligen Betreibern des Planet Music übernommen wurde, dass diese Übernahme als eine feindliche empfunden worden war. Man muss doch gewusst haben, dass man wohl das bekommt, wofür die Betreiber immer schon stehen.

Damals gab es das Argument, dass die nicht-kommerzielle Musikausrichtung dazu geführt hatte, dass man mit der Subvention nicht auskommt, man wollte also auf Nummer sicher gehen. Wir wissen auch, dass die neuen Betreiber aus dem sehr nahen Umfeld einiger Akteure der damaligen Stadtregierung gekommen sind. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass sich nicht kommerzielle Sachen nicht so rechnen, aber das ist auch der Sinn von Kulturförderung, dass genau das gefördert wird, was nicht marktfähig ist.

Nun gibt es Gerüchte, dass über die Szene Wien eine Art "Quersubvention" des Gasometer passiere, die Betreiber wären die gleichen. Wenn da etwas dran wäre, hätte die Stadt Wien sofort sagen können, dass das so nicht rechtens sei und mit Subventionen verantwortungslos umgegangen wird – und diese streichen?

Das war auch die Kritik des Kontrollamts. Es gibt einen Kontrollamtsbericht über die "Vereinigung österreichischer Musik Förderer" (VÖM), wo es eine personelle Überschneidung mit den Szene Wien Betreibern gibt, der kritisiert, dass es nicht klar sei, wofür die Subventionen ausgegeben würden. Klar hätte man es darauf diesen Leuten ganz streichen können, aber - und hier schwingt natürlich der Pragmatismus eines Mitglieds einer Regierungspartei mit - warum sollte man funktionierende Strukturen zerschlagen, und nicht vielmehr auf die Kritikpunkte eingehen. Wir versuchen jetzt die kritisierten Punkte zu verbessern.

Eswurde der Vorwurf laut, dass in der Szene Wien durch die Übernahme funktionierende Strukturen zerschlagen wurden.

Genau, und diesen Fehler wollten wir nicht wiederholen. Man gerät hier leicht in Verdacht. Man kann nicht zuerst sagen, hier hätten Freunderln was übernommen, und jetzt kommen wir in die Regierung und geben es dann unseren Freunderln. Das wollen wir nicht, wir wollen das was schlecht lief, verbessern, und das, was funktioniert, soll weiterhin bestehen.

Heißt das, es wird in Zukunft verstärkte Kontrollen geben?

Dafür wird auch der Beirat sorgen. Er wird sich das Programm anschauen, dann der MA7 und der Politik Bericht erstatten. Er setzt sich aus unabhängigen Organisationen zusammen und hat die Möglichkeit, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn es kracht. Wenn das nicht funktioniert, wird es nächstes Jahr schwierig werden, einen Subventionsantrag zu formulieren, der dann auch bewilligt wird.

Zitat aus der Presseaussendung: "Der Beirat wird nicht von der Politik direkt ernannt, weil es nicht unsere Aufgabe ist, auf programmatische Inhalte einzuwirken. Vielmehr haben wir unzweifelhaft kompetente Organisationen gebeten, völlig unbeeinflusst von der Politik VertreterInnen nach eigenem Dafürhalten zu entsenden: Den Österreichischen Musikrat, das österreichische Musikinformationszentrum MICA, den Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten Österreichs (VTMÖ, auch Indieverband) und die IG Worldmusic Austria. " …. aber wer hat bestimmt, wer in diesem Beirat sitzen soll?

Da haben wir uns gemeinsam mit dem Koalitionspartner Organisationen gesucht, die innerhalb der Musikszene als unzweifelhaft unabhängig gelten. Der wirklich neue Schritt ist, dass man diese Organisationen bittet, selbst unabhängige Leute zu entsenden. Klassischerweise wäre es so gelaufen: die SPÖ schlägt drei Leute vor, die Grünen eine, gemäß des Machtverhältnisses. Das wollten wir nicht. Die Kulturpolitik hat konsensual entschieden und ich glaube, dass keine der vier Institutionen in irgend einer Form als SPÖ nahe oder Grün nahe gelten. Wir wissen auch noch nicht, welche unabhängigen Personen von den Organisationen entsendet werden.

Der Besetzung des Beirates entnehme ich, dass in der Szene Wien zu wenig Indie-Musik, zu wenig österreichische Musik und zu wenig Weltmusik stattfindet? Könnte man nicht genauso gut dem Metropol vorwerfen, dass dort zu wenig Metal bzw. Austropop zur Aufführung gelangen? Bisher gab es doch die Gepflogenheiten, dass jemand bestellt wird, von dem man weiß, was der oder die macht, und man schaut sich deren Arbeit an und geht nicht ins Detail, denn dann könnte man gleich jemand anderes bestellen.

Auch hier darf ich wieder pragmatisch formulieren: wenn etwas flutscht, dann flutscht es, und wenn es wo bröselt, dann muss man es ändern.

Das heißt im vergleichbaren Metropol, das auch Subventionsnehmer ist, hat man dergleichen nicht gemacht – was die machen ist also okay, was die Szene macht nicht?

Das Metropol ist ein spezieller Fall. Die haben eigentlich relativ wenig Subventionsmittel für das was sie dort betreiben. Auch da gab es immer wieder Kritik, da flossen auch Gelder einer nicht-mehr-Regierungspartei, der ÖVP, rein. Auch hier hat man aus pragmatischen Gründen gesagt, solange das mit so wenig Subventionen halbwegs gut funktioniert, greift man vielleicht besser nicht ein.

Das heißt, die Szene Wien hat tatsächlich Schulden gemacht, mehr als dem Subventionsgeber lieb ist?

Das war vor allem in der Vergangenheit der Fall, derzeit weiß ich nichts von zu großen Schulden, hier gab es eher Kritik an der mangelnden Transparenz und an der mangelnden Breite.

Es gab inhaltliche Kontroversen mit den Szene-Wien-Betreibern, dass dort (und auch im Gasometer) Leute wie die Hinichen, Sizzla oder Frei.Wild auftreten würden, die rassistische, rechte oder homophobe Texte haben – waren diese Künstler ein Grund, hier genauer hinzuschauen?

Auch da gilt es wieder, sehr vorsichtig zu agieren. Ich habe mich vor einem Jahr dem größten Shitstorm meines Lebens ausgesetzt, weil der Verdacht entstand, dass wir direkt in die Programmierung eingreifen wollen, was nie der Fall war. Ich habe niemals auf die Absage von Konzerten gedrängt, sondern es geht darum, dass die Fördergelder für die österreichische Musikszene, die sowieso knapp sind, verantwortungsvoll und nachvollziehbar verwendet werden. Da hat auch das Kontrollamt festgestellt, dass das, was ins Gasometer fließt – das privat betrieben wird – nicht klar trennbar war von dem, wofür man öffentliche Förderungen kassiert. Ich habe keine Freude, dass Frei.Wild im Gasometer auftritt, aber solange das Gasometer privat betrieben ist, habe ich auch keinen Einfluss darauf, solange sie nicht gegen das Verbotsgesetz verstoßen.

Ein kleines Gedankenexperiment: Als Frühgeborene kann man sich noch an die Ära Peymann erinnern, als es nicht wenige Stimmen gab, die gesagt haben "Wir wollen diesen Dreck nicht mit unserem Steuergeld finanziert wissen". Was hätten sie oder die jetzigen Wiener KulturpolitikerInnen gesagt, wenn es hier einen Beirat gegeben hätte, sagen wir aus Brauchtumspflegern, Freunden der Wiener Staatsoper, Sprachwächtern oder Abonnentinnen, der sagt: Wir schauen jetzt, dass der das Richtige oder uns Genehme tut, sonst ist er weg?

Das ist natürlich eine total heikler Punkt. Es gibt kulturpolitische Entscheidungen, die natürlich inhaltliche Ausrichtungen vorgeben – da macht es einen Unterschied ob man SPÖ oder Grüne wählt, oder ÖVP oder FPÖ, die werden eine andere Kulturpolitik machen als wir. Was eine gute Kulturpolitik ausmacht ist, dass man zu seinen grundsätzlichen Ausrichtungen auch steht, das ist für uns im Wesentlichen eine progressive, weltoffene, breit gefächerte, Minderheiten berücksichtigende Kulturpolitik, die auch etwas bewegen soll und auch politisch angriffslustig sein soll, die auch uns als Politiker kritisieren kann, die nicht auf Minderheiten hinschlägt und all diese Dinge. Dann übergibt man diese Verantwortung, etwa durch Ernennung von Leitungspersonal oder auch durch die Ernennung von Jurys oder Beiräten – dann muss man aber auch dazu stehen, dass die das dann machen. Wenn sie den Subventionszweck nachweisbar nicht erfüllen, dann muss man das ändern.