Erstellt am: 24. 11. 2013 - 19:56 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 23/4-11-13.
Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.
Und auch das noch: auf die Hauswand von schräg gegenüber hat man vor ein paar Tagen eine Losung geschmiert: "We rise. 24.11." und nichts ist passiert.
Das, was man jetzt so öffentlich und so massiv merkt, das ist nicht über Nacht gekommen, das wurde über Jahre heruntergewirtschaftet. Und es hat ein Maß erreicht, bei dem es schon körperlich unangenehm wird.
Eine Freundin, Lehrerin, bewegt sich seit Monaten nur mehr per purem Zynismus durch die sozialen Netzwerke, so charakteruntypisch diese Verhärtung für sie auch ist.
Eine andere Freundin, Lehrerin, postet einen die aktuelle Berichterstattung kritisierenden Kurztext, der auch den Arbeitseinsatz betont. Der erste Repost lautet sinngemäß und zynisch, warum es denn immer die Lehrer sein müssen, die die Arbeitszeit immer so rausstreichen müssen.
Aus dem direkten Umfeld weiß ich, das es vor allem die Lehrer sind, die man Freitag abend aufs Brot streichen kann, und ich kriege mit, mit welcher zunehmenden Unverfrorenheit kurzfristige Vertretungen, Überstunden und Extrawürste angeordnet werden.
Dieses Missverhältnis zwischen Innen- und Außensicht, dieser Absturz der Lehrerschaft in die Reihen der allerunpopulärsten Berufsgruppen, ganz dicht dran an Gesindel wie Journalisten, Politiker oder Gebrauchtwagen-Verkäufer, muss irgendwann entstanden sein, als ich nicht wirklich aufgepasst, wohl geschwätzt habe.
Als ich noch mit Schule zu tun hatte, gab es das nämlich nicht gar nicht: Lehrer, sowas existierte in der Volksschule, als "die Frau Lehrerin", weil das ein männerfreier Job war.
Die Menschen, die mich zwischen 10 und 18 unterrichteten, die hießen anders: Fessa.
Herr oder Frau Fessa XY.
Fessa war die allgemeingültige Kurzform für Professoren. Ich wurde von Professoren und Professorinnen unterrichtet, nicht von Lehrern, die waren nur für Babies.
Die Geistesgrößen, die mich in Mathemathik, Geographie, Latein, Chemie oder Französisch belehrten, waren keine Dienstleister oder Beamte, sondern Künstler, Individualisten, Branchen-Stars. Wenn sie ihre feinsinnigen Stirnen in Falten legten, dann entkam ihnen anschließend eine Weisheit, die mein Leben bis heute prägt.
Zumindest in ihrem, von der alten Weltsicht (die teilweise noch dem Faschismus, egal welcher Sorte, entsprungen war) dominierten Idealbild.
Die Realität war natürlich eine andere. Die Künstler wurden Trinker, mussten in die Irrenanstalt oder waren in ihrem Bereich so miserabel, dass sie sich dann doch zur Schleimtour der Schulleitungs-Karriere entschlossen.
In der Realität gibt es "Professoren", auf deren Gräbern ich jubilierend tanze und es gibt genau einen wahren Professor, bei dessen Tod ich bittere Tränen vergießen werde.
Dafür dass sie, vor allem im Vergleich zu heute, pädagogisch fast durchgehend völlig unfähig waren und unhinterfragt einem Erziehungs-/Bestrafungs-System aus dem 19. Jahrhundert nachgingen, war ihr Image damals erstaunlich hochwertig.
Diese großteils lächerlichen und oft auch verachtenswerten Figuren ohne jede Sozialkompetenz verfügten über Berufs-Ansehens-Werte, von denen die heutige Generation nur träumen kann.
Die, die sich was die Partnerschaftlichkeit zwischen Schülern, Eltern und Lehrern betrifft in Richtung echte Partizipation bewegt haben, stehen schlechter da als die selbstherrlichen Affen aus den 70ern und 80ern.
Die, die sich um pädagogische Elemente soviel geschert haben wie Herr Putin um Homosexuelle, waren anerkannte Götter im Anzug, wo die heutige Lehrerschaft (die zwar auch zu einem hohen Teil pädagogisch unfähig ist, aber zumindest Bescheid über die Bedeutung weiß) sich vergleichsweise den Arsch aufreißt.
Die, die sich um jegliche Zusatzarbeit gedrückt hatten, wurden hofiert, die, die das von meist nicht intakten Systemen aufgedrückt bekommen, sind die Deppen der Nation.
Wie jede Protestschrift richtet sich auch diese gegen mich selber: Ich habe da sicher auch meinen Teil dazu beigetragen, indem ich den Begriff des Lehrers klein gemacht habe. Als Lehrer diffamiere ich, das Bewusstsein, dass niemand gern so genannt werden, ausnützend, gerne User, die sich über Beistrich-Fehler oder Tippfehler äußern, weil sie inhaltlich zu schwach aufgestellt sind um dort zu argumentieren. Das ist eine bösartige Volte mit realem Hintergrund. Denn natürlich hatte auch ich Fessas, die in ihren Fachgebieten so mies waren, dass sie mir, wenn sie eines meiner Interessensgebiete streiften, auch nur so gegenübertreten konnten.
Und so sind es auch hier die alten, in ihrer historischen Unfähigkeit durchaus verdammenswerten alten Professoren, die damit indirekt der heutigen Lehrerschaft in den Rücken fallen.
Es gibt wahrscheinlich nur eine, eher zynische, Lehre, die die Lehrer aus dem Dilemma, in das sie geraten sind, ziehen können: Nur wer seine Arbeit mit der Arroganz des Individualisten, des Künstlers, des einzigartigen Könners verrichtet (oder auch nur versteht diese Aura zu vermitteln) wird anerkannt werden.
Wer mit vernünftigen Gründen, ausgewogener Argumentation, gesellschaftlich und sozial mitdenkend und die im de facto existenten Gesellschaftsvertrag vorhandenen Ausgleichs-Mechanismen einfordernd daherkommt, wird hingegen wie der letzte Schmarotzer behandelt, dessen Arbeit keinen Wert hat, weil das ja jeder besser könnte. Was auch wiederum mit einer zunehmend übergeschnappten Elternvertretung zu tun hat, die das ja wirklich glaubt.
Eine solchen Ansatz erstickt die übel beleumundete Lehrer-Vertretung mit ihrer biederen, ausschließlich auf Defensive abzielenden Bewahrungs-Argumentation natürlich im Keim; das, was sie machen, ist Wasser auf den Mühlen derer, die die Lehrerschaft aktuell auf ein Triple-Z abgestuft hat.
So können Herr und Frau Fessa aus den alten Tagen also genau nichts dazu beitragen, dass die Lehrerschaft aus der von ihnen hauptmitverschuldeten Misere kommen. Alles andere wäre auch unwürdig gewesen.