Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Hassfilme!"

Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

24. 11. 2013 - 14:40

Hassfilme!

Weil das Kino nicht nur Euphorie, sondern manchmal auch dunkle Gefühle hervorruft: Hier ein paar Gift- und Galle-Spuckereien von Filmliebhabern.

fm4.ORF.at/film

Kinorezensionen, Schauspielerporträts und was sonst noch auf der Leinwand läuft

Es begann, wie so manche zwielichtige Idee, mit einem Facebook-Posting. Eine Diskussion hatte sich da unter einigen Kinoanhängern entsponnen, über Filme, die für alles Falsche stehen. Die einen agressiv machen alleine beim Gedanken daran. Die man aus tiefstem Inneren verabscheut.

Natürlich sollte die ganze Energie eigentlich, wie jemand dann richtig in diesem Zusammenhang geschrieben hat, in die Euphorie fließen, ins Hymnische und Glücklichmachende. Aber irgendwie, dachte ich, darf dann ein kleines bisschen Hass auch mal sein. Auch auf die berechtigte Gefahr, dass heilige Kühe geschlachtet werden. Und irgendjemand aus der Gift- und Galle-Runde, die ich dann eingeladen habe, auch einen meiner Lieblingsfilme mit Dreck bewirft. Was natürlich prompt passierte.

Aber da muss man durch. Und deshalb hier eine kleine Dosis an gebündeltem, hochkonzentriertem Filmhass. Damit die Auswahl nicht jeglichen Rahmen sprengt, wurden nur Filme ab dem Jahr 2000 zur Verunglimpfung freigegeben. Viel Vergnügen.

only god forgives

constantin film

Sogar Ryan Gosling ist nach manchen Filmen schlecht drauf.

Dr. Nachtstrom, Moderator bei FM4 House of Pain

Platz 3: Kick-Ass 2 (R: Jeff Wadlow, 2013)

In der unehrenhaften Galerie der unnötigsten Sequels ever bekommt der 2. Teil von "Kick-Ass" einen Ehrenplatz: Nicht nur, dass Chloe Moretz dem süßen Kindesalter entwachsen ist und deren pubertäre Daddy-Issues einfach keine Sau mehr interessieren, die hanebüchene Story schwankt noch dazu vollkommen unsicher zwischen Meta-Brutalomödie und Highschool-Emo-Operette. Dass auch der im ersten Teil so geniale Christopher Mintz-Plasse hier zur peinlichen Parodie seiner selbst verkommt, hat mich dann auch nicht mehr wirklich überrascht.

Platz 2: Black Dahlia (R: Brian De Palma, 2006)

Wenn es um sowas wie die Enttäuschung des Jahrhunderts geht, muss man gleich mal an dieses schlimme Machwerk denken: Eine Verfilmung des besten, intensivsten und schwärzesten Romans des Neo-Noir-Meisters James Ellroy, mit beachtlichen Schauspieltalenten und einem Regisseur mit zumindest früher aufregendem Werk. Was herauskam: Ein aalglatter, langweiliger, verhunzter, peinlicher Furz von einem Film, dessen Hauptdarsteller Josh Hartnett eindeutig überfordert war, während talentiertere Nebendarsteller wie Aaron Eckhart oder Scarlett Johansson mit zusammengebissenen Zähnen ihre Parts auf Autopilot herunterspielten.

Platz 1: Funny Games US (R: Michael Haneke, 2007)

Michael Haneke: Ich gehöre ja zu dem standhaften ein Prozent der Kinoliebhaber, die den arroganten Dilettanten mit seinem weißen Schnittlauch-Vokuhila einfach nur grauenhaft finden. Genauer gesagt: Gestelzt, steif, pathetisch, unfähig, und überschätzt, überschätzt und noch einmal überschätzt. War schon "Funny Games", diese angebliche "Studie" über Gewalt in Wirklichkeit nichts anderes als ein unerträglicher moralischer Zeigefinger, hat Haneke 2007 doch tatsächlich die Frechheit besessen, den gleichen Mist nochmals Frame für Frame für das angeblich so verachtete Hollywoodpublikum zu reproduzieren.

Könnte man die Hauptdarsteller Tim Roth und die einst große Naomi Watts wenigstens mit "Ich hatte gerade keinen Erfolg und brauchte das Geld" entschuldigen, kann man das bei diesem Machwerk selber nicht: Das strotzt gleich so vor Filmfehlern, Pannen und Peinlichkeiten und erfüllt nur den einen Zweck, nämlich zu enthüllen, dass Haneke einfach nichts, aber gar nichts kann.

funny games us

Filmladen

"Funny Games US"

Pia Reiser, FM4-Filmredaktion

Platz 3: Antitrust (Startup, R: Peter Howitt, 2001)

Ein Alternativtitel dieses Käses ist "Conspiracy.com" und es wundert mich, dass man statt dem "a" nicht ein "@" verwendet hat. Der schreckliche Ryan Philippe spielt einen Programmierer, der idealistisch und erfolgreich an open source software arbeitet. Bald erweckt seine Arbeit das Interesse von Tech-Guru (Tim Robbins), dessen Film heißt übrigens N.U.R.V (Never Underestimate Radical Vision) und der entpuppt sich natürlich als Wolf im Business-Anzug. In Tim Robbins Haus zieren die Wand übrigens "digitale Gemälde", die sich ändern, je nachdem, wer den Raum betritt. Historiker, die in Jahrhunderten auf diesen Film stoßen, werden danach auf das Platzen der Dot-Com-Bubble anstoßen.

Platz 2: Requiem for a dream (R: Darren Aronofsky, 2000)

Der Film kann eigentlich gar nichts dafür, aber K. war damals besessen davon. In der WG wacht man zum Kronos Quartett auf und schläft zum Kronos Quartett ein. Den Trailer muss man sich zigmal am Tag anschauen. Als ich dann den Film endlich sehe, kann ich ihn von Anfang bis Ende nicht ausstehen. Die Kamera-und Fast-Editing-Spompanadeln von Darren Aronofsky rauben mir den vorletzten Nerv, den letzten zerfleischen Jared Leto und das Kronos Quartett gemeinsam. Und ja, ich hätts auch weniger offensichtlich verstanden, dass Drogen schlecht sind und Suchtverhalten in einer Abwärtsspirale endet. Ich will es nicht herausfinden, aber ich nehme auch an, dass der Film wahnsinnig schlecht altert.

Platz 1: Mission to Mars (R: Brian DePalma, 2000)

Der einzige Film, bei dem ich dem Fernseher mit Süßigkeiten beworfen habe. Brian de Palma hat einen unglaublichen Sci-Fi-Topfen inszeniert mit Plot Holes so groß wie die Milchstraße. Vom "Marsgesicht" und dem Alien möchte ich gleich gar nicht anfangen. Außerdem: Die schlimmste "partielle Stirnfransen"-Frisur von Gary Sinise.

mission to mars

buena vista

"Mission to Mars"

Hasko Baumann, Regisseur "Durch die Nacht mit" (ARTE), "Moebius Redux", Redaktionsleiter "Bambule" (ZDFNeo)

Platz 3: Kick-Ass (Matthew Vaughn, 2010)

Was im Comic immerhin noch ein entgrenztes Spiel mit den Mechanismen und Gegebenheiten des eigenen Mediums war, wird im Film zur endlos faden Aneinanderreihung öder und ärgerlicher Szenen im vorhersehbaren Wechsel. Kick-Ass ist ein manipulativer, aber auch längst manipulierter Müll, der bei weitem nicht so schlau ist, wie er daherkommt, und als Film ein langweiliger und abstoßender Trumm mit dem ätzendsten Kind der Neuzeit in der Schlüsselrolle.

Platz 2: Eine flexible Frau (Tatjana Turanskyj, 2010)

Der Film sieht aus wie ein ambitioniertes Amateurvideo, ohne jedes Gespür fürs Filmemachen und mit Einstellungen und Dialogen, die selbst Erstsemester-Möchtegerns die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Mittendrin eine schier unerträgliche Protagonistin, die sich beständig aufführt wie eine reinrassige Vollpsychopathin. 98 Minuten lang Grauen und die bange Sicherheit, dass irgendjemand tatsächlich Geld für so einen Scheiß rausgerückt hat.

Platz 1: Grown-Ups (Dennis Dugan, 2010)

Da darf man sattgefressenen Hollywoodstars zwei Stunden lang beim Geldzählen zugucken. Diese Art plotfreie Scheiße erlaubt Amerikas Komikern tatsächlich, ohne den geringsten Aufwand oder die geringste schauspielerische Anstrengung ein paar Wochen am See rumzuliegen. Zwischen den sexistischen und abgedroschenen (oder beides) Gags wird dann mal wieder das Hohelied auf die guten alten amerkanischen Werte angestimmt. Und die lauten: Basecap und College-Shirts tragen, Burger und Fritten fressen, jungen Dingern auf den Arsch glotzen und auf alles scheißen, was nicht USA ist.

Da muss dann auch Salma Hayek auf ihre Modenschau in Mailand verzichten, denn pah, das ist ja Europa und eine eigene Karriere und das geht natürlich nicht, das echte Leben sind Würstchen auf dem Grill und ein verständnisvolles Lächeln, wenn die hässlichen fettgefressenen Ehemänner einfach nicht erwachsen werden wollen. Frauenfeindliches Dreckskino zum Kotzen, für das neben den üblichen Verdächtigen Sandler, James, Spade, Rock und Schneider nun auch die Damen Hayek und Bello die Würde an den schnöden Mammon verkauft haben.

Grown Ups

Sony

"Grown Ups"

Gini Brenner, Chefredakteurin des Filmmagazins "Skip"

Platz 3: Skyfall (R: Sam Mendes, 2012)

Ein Bösewicht, dessen Ziel nicht Weltherrschaft oder unendlicher Reichtum ist, sondern weinerliche Rache an der Ersatzmama - wtf? Dazu noch Plot Holes wie Mottenfraß, die trotzdem nicht von der misogynen Message ablenken können, dass alles besser ist, wenn das Weib endlich wieder dort ist, wo es hingehört. Oder wenigstens tot.

Platz 2: The Tree of Life (R: Terrence Malick, 2011)

Sean Penn krächzt bedeutungsvolle Satzteile, schaut deppert und steht im schwarzen Anzug knöcheltief im Wasser. Brad Pitt schaut deppert. CGI-Dinosaurier schauen deppert aus. Wenn diese überambitioniert-kreationistische Platitüdensammlung den Sinn des Seins erklären soll, dann höchstens so: Das Leben ist wie Kino und manchmal sitzt man leider im falschen Film.

Platz 1: Jagten - Die Jagd (R: Thomas Vinterberg, 2012)

Gerade als Mads-Mikkelsen-Fan hat mich dieses eitel-spekulative Sozialdrama besonders verärgert: Der Männerrechtler-Film par excellence, in dem jede einzelne Frauenfigur als zu beschränkt, um die Wahrheit zu kapieren, dargestellt wird; der Held erst Oberwasser kriegt, wenn er endlich männlich mit der Faust zuschlägt statt rational zu diskutieren; und das ursprünglich oh so schützenswerte Kind zum nebensächlichen McGuffin wird.

Jagden

wild bunch

"Jagden"

Christoph Prenner, Chef vom Dienst SKIP52 / Filmchef The Gap

Platz 3: Frances Ha (R: Noah Baumbach, 2013)

Insgeheim hoffe ich ja immer noch, dass das alles ein Andy-Kaufman-artiger Hoax war, den uns das sonst geschätzte Duo Baumbach / Gerwig da unterjubeln wollte. Denn wie sonst sollte man sich diesen Film erklären, der wie ein Worst of "Girls" daherkommt, mit einer der asozialsten und unleidlichsten Klischeefrauenfiguren aller Zeiten? "Frances Ha" besteht jeden Bechdel-Test mit links. Und ist trotzdem kaum weniger misogyn als das Lebenswerk von Mario Barth.

Platz 2: Machete (R: Robert Rodriguez, 2010)

Der zweite Teil ist zwar noch mal ein gutes Stück übler, aber Rodriguez‘ erster "Machete" muss letztlich exemplarisch herhalten für die fortdauernde Renaissance dieser schrecklichen Sorte von Huch-was-nehm-ich-mich-voll-nicht-ernst-ROFL-Kinos, von dem sich auch die schlimmeren Elaborate der konstant überschätzten Coen-Brüder und kleinkarierter Zwinker-zwinker-Horror wie "Sharknado" immer noch nähren. Irony is dead. Die Neunziger auch. Get over it.

Platz 1: Free Rainer (R: Hans Weingartner, 2007)

Meine Güte, was sind die Leute doch dumm. Immerzu schauen sie diesen unerträglichen Trash im TV und werden darob immer noch dümmer. Da muss man doch echt mal was machen. Die sollen endlich was lernen, damit sie auch mal so aufgeklärt sind wie wir. Dokus, Theater-Aufführung, Literatursendungen: Das sollen sie sich anschauen (müssen) im Fernsehen, dann wird das auch noch mal was mit dem Pöbel ...

Selbst Jahre nach Sichtung steigt mir beim Rekapitulieren des "Free Rainer"-Plots noch immer die Zornesröte ins Gesicht. Was für ein bigotter Mist, was für ein übel riechender Grenadiermarsch aus naivem Weltverbesserertum und filmgewordener Menschenverachtung. Schulmeisterliches Zeigefingerkino allerschlimmster Provenienz. Und nicht zuletzt ob seiner absolutistischen Aufmachung weit spießiger und eindimensionaler als all das, worüber er sich selbstgefällig erheben möchte.

Free Rainer

Filmladen

"Free Rainer"

Christian Fuchs, FM4-Filmredaktion

Platz 3: Sideways (R: Alexander Payne 2004)

Nerdige Möchtegern-Woody-Allens erproben sich im südkalifornischen Sonnenlicht als genießerische Weinbeißer. Ein Dokument des Grauens, das mir den Zugang zum sicherlich sehr begabten Paul Giamatti jahrelang verbaut hat und einem auch potentielle Toskana-Reisen gründlich vermiesen kann.

Platz 2: Die fetten Jahre sind vorbei (R: Hans Weingartner 2004)

Noch mehr unerträglicher Aussteiger-Kitsch und geballte Plattheit. Man möchte die nervigen Mittelklasse-Kids, die hier in Wohnungen einbrechen, mit den bösen Schnöselbuben aus "Funny Games" in eine WG stecken, übrigens auch so ein Alltime-Hassfilm made in Austria. Wobei unklar bleibt, ob Weingartners fast schon schmerzhaft naiver Nachfolgefilm "Free Rainer - Dein Fernseher lügt" nicht noch das größere filmische Debakel darstellt.

Platz 1: Into The Wild (R: Sean Penn, 2007)

Nicht nur als Schauspieler wurde der einst großartige Sean Penn irgendwann zur depressiven Selbstparodie. Mit dieser Regiearbeit outete er sich komplett als Vollkoffer. Sicher, die Verfilmung des gleichnamigen Aussteiger-Bestsellers ist brillant inszeniert und virtuos gespielt. Aber auch der dümmste Streifen der Nullerjahre. Eine distanzlose Hymne auf einen Wald- und Wiesen-Heiligen, der seine selbstgefällige Arroganz hinter vorgeschobenen Idealen verbirgt. Das klebrige Grinsen von Emile Hirsch, die süßliche Musiksoße von Eddie Vedder, das fast christliche Märtyrerpathos: Ich hasse alles an diesem Film.

Into the wild

Tobis

"Into The Wild"

Welche Filme ließen euch verärgert, frustriert und aufgebracht aus dem Kino taumeln oder brachten euch dazu, den DVD-Player vorzeitig abzuschalten?