Erstellt am: 22. 11. 2013 - 06:00 Uhr
Die Jungen, die Alten und das Meer
Eine kleine Gruppe Grazer ist ans Meer gereist, mit Kameras und Tonequipment. Was sie mitgebracht haben, ist keine nervige Angeberei geworden. Sondern "The Old, the Young and the Sea": "Ein bildgewaltiger Film über Menschen, die die europäische Atlantikküste bewohnen, bereisen und bewahren. Und über die, die sich den Wellen und dem Surfen verschrieben haben", wie Elisabeth Scharang neunzig wunderbare Filmminuten auf den Punkt bringt.
Denn Mario Hainzl, Andreas Jaritz und ihre Freunde haben Geschichten eingesammelt – von Fischern und SurferInnen, von Aussteigern und Aktivisten. Entstanden ist daraus „die erste europäische Surf-Doku“. Es ist zudem der erste Film von Mario Hainzl und Andreas Jaritz. Man kann es kaum glauben.
"Die letzten zwei Jahre waren voller Sachen, die ich noch nie in meinem Leben gemacht habe!", sagt Mario Hainzl. Teilweise wäre es zum Heulen gewesen, wenn er im Internet nach etwas gesucht und nur auf Vokabular gestoßen sei, von dem er keine Ahnung hatte. Aber irgendwann wäre man soweit: Stünde vor einem Problem und müsste es einfach lösen. Mit der ersten Welle, auf der man auf einem Surfbrett zu stehen kommt, muss es sich ähnlich verhalten.
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Hineingestolpert seien Mario Hainzl und Andreas Jaritz in das Filmemachen. In der Studienzeit waren beide viel unterwegs auf Reisen, in Galizien lernten sie surfen. "Wir sind dann immer wieder an die Küste gefahren. Schließlich hab' ich eine Reise gemacht, wo ich jede Person, mit der ich gesprochen habe, mit einem Zweizeiler festgehalten habe", erzählt Mario. War etwa ein Kellner extrem freundlich, bekam er einen Eintrag. Am Ende, nach eineinhalb Monaten allein unterwegs im Auto und mit einem Zelt, hatte Mario 500 Namen notiert. "Andere schreiben Tagebuch. Ich habe erst nach Ende der Reise bemerkt, wie schön es ist, die Zeit einfach anhand der Personen zu rekonstruieren, denen ich begegnet bin."
Anders als bei Hand- oder Fußball braucht man zum Surfen einen ganz bestimmten Ort: das Meer. Deswegen versammeln sich die SurferInnen Europas an diesem schmalen Saum Land, entlang der Atlantikküste. Dort passiere so viel. All die Menschen, die viele Mühen auf sich nehmen, um die vielen Kilometer bis zur Küste zu schaffen. Menschen aus verschiedensten Erdteilen kämen zusammen, so Mario Hainzl.
Gerade deshalb ist "The Old, the Young and the Sea" kein typischer Surffilm. Sie wären auch nicht die typischen Surfer – so es die überhaupt gibt, sagt Mario. Er könne wenig damit anfangen, "den fettesten Kapuzenpulli anzuhaben". Durch das Surfen kamen seine Freunde und er noch mehr zum Reisen, sagt der Leibnitzer, der in Graz wohnt. Als Österreicher würden sie ohnehin nie die besten Surfer der Welt werden.
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Als Kinder des Binnenlandes
Andreas Jaritz und Mario Hainzl haben ein Reisemagazin gegründet, nach Aufenthalten im Senegal und in Chile. Schließlich wollten sie über die Textarbeit hinausgehen.
Auswandern, um einfach am Meer leben zu können und zwar gar nicht um des Surfens willen, sondern weil das Meer eine Ruhe ausstrahlt wie man sie sonst nicht fände, das wollte Mario Hainzl seit seinem ersten Spanien-Aufenthalt. Weil mit Bergen kann er – anders als sein Teamkollege Andreas Jaritz, der den Film produziert hat – wenig anfangen.
Die erste ihrer zwei Dreharbeits-Reisen hat das Filmteam zu viert in zwei uralten VW-Busen bestritten, die sie sich von einem Freund in Spanien ausgeborgt haben. Für Mario Hainzl war es das erste Mal in einem Bus, seit er als Kind einmal mit den Eltern im Wohnmobil auf Urlaub war. "Abends parkst du wo, und in der Früh stehst du vor einer Landschaft. Hast deine Küche und dein Bett da." Für Strom sorgten bei der ersten Reise Zufallsbekanntschaften. Beim zweiten Trip war ein Dieselaggregat mit im Gepäck. Zwanzig Wochen waren die Freunde gemeinsam in den Bussen unterwegs. "Es wundert mich, dass wir uns nicht gegenseitig zerfleischt haben", denkt Mario zurück.
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Wien-Premiere! Heute, 22. November, 20.00 ist "The Old, the Young and the Sea" erstmals in Wien und zwar am Badeschiff zu sehen.
Surft man, verändert sich die Wahrnehmung des Meeres. So geht es einem auch, wenn man dieses Dokudebüt anschaut. Wenn Mario Hainzl Spielfilme schaut und zufällig eine romantische Szene am Meer spielt, zieht ihn seine Aufmerksamkeit auf das Meer: ob die Kameraeinstellung den Blick auf die See und den Wellengang freigibt? Auf alten Kupferstichen ist das Meer stets komplett durcheinander oder glatt dargestellt. Das hat ein spanischer Journalist dem Team von "The Old, the Young and the Sea" erzählt.
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Zurück in Graz, nach Wochen mit Regen und Sonnenschein und draußen leben, fühlte sich Mario Hainzl "komplett eingekastelt" von der Stadt. Der Dokumentarfilm "The Old, the Young and the Sea" kann Wellen um einen als ZuschauerIn türmen und das Herz mehrmals kräftig weiten voll Begeisterung für all diese Begegnungen – aber welchen Geruch hat Mario noch immer in der Nase? "Den von Sardinen. Wir haben Unmengen von Sardinen gegessen, denn Essen musste immer schnell gehen. Wir haben tatsächlich keinen Surftrip gemacht, wir haben wirklich gearbeitet und diese Dosen mit Brot am Meer gegessen.“
"Wo ist der schönste Hafen in der Umgebung?"
Buchstäblich erfahren hat das achtköpfige Team noch viel mehr, als im Film Platz fand. Wenn man ein Thema nicht gescheit verarbeiten kann, soll man es lieber lassen, findet Hainzl. Die geplatzte Immobilienblase in Spanien zum Beispiel war eines der Themen, die sie schlussendlich nicht ihre Doku gepackt haben.
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Ist es tatsächlich so idyllisch an der europäischen Atlantikküste, wie es im Film den Anschein hat? "Ja. Es gibt weite, weite Landstriche, wo gar nichts ist. Es ist lustig: Wenn man in Österreich mit einem Bus unterwegs ist, ist es schwer, einen Parkplatz zu finden, wo man nicht das Gefühl hat, am nächsten Tag in der Früh jemandem im Weg zu sein. Zwischen Frankreich und Spanien, in diesem städtischen Zirkel ist viel los. Aber je weiter man in den Westen kommt, umso verlassener wird es. Irgendwann schaust du, und es ist weit und breit niemand in Sicht."
Wem sie selbst an den entlegenen Stränden begegnet sind, das erzählen Andreas Jaritz, Mario Hainzl und Stefan Leitner am Freitag abend im FM4 Jugendzimmer bei Elisabeth Scharang: Los geht die Radio-Reise um 19.00!