Erstellt am: 21. 11. 2013 - 16:20 Uhr
Jung und Abgeordnet

SPÖ
Katharina Kucharowits
geboren 1983,
ist seit 2005 in der Jungen Generation der SPÖ engagiert und auch deren Vorsitzende.
Im SPÖ-Parlamentsklub ist sie Sprecherin für den Kinder- und Jugendbereich
Sie sind politisch schon länger aktiv, vor nicht ganz zwei Monaten in den Nationalrat gewählt worden und hatten gestern ihre erste echte Plenarsitzung. Wir haben Katharina Kucharowits von der SPÖ und Niki Scherak von den NEOS zu einer Antrittsdiskussion ins FM4-Studio geladen. Man würde vielleicht glauben, dass die beiden politisch nicht viel gemeinsam haben, kommend von der "klassischen Arbeit(nehm)erInnenpartei" SPÖ und von den "neoliberalen Newcomern" NEOS. Trotzdem sind sich die beiden erstaunlich oft einig.
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Habt ihr euch schon gut im Parlament eingelebt, wie waren die ersten Sitzungen?
Katharina Kucharowits: Wir haben gestern abseits der Angelobung die erste reguläre Sitzung gehabt, war sehr spannend, war auch sehr intensiv, auch geprägt von ziemlich langen Debatten und - was ich auch sagen muss - von vielen Zwischenrufen.
Niki, Du hast gestern deine ersten beiden Reden im Nationalrat gehalten und dabei gesagt, dass „die Staatsverschuldung pro Kopf massiv ansteigen wird, ist ein Faktum und nicht wegzudiskutieren. Wenn von Abgeordneten der Regierungsparteien offensichtlich keine Budgetlücke gesehen wird, dann fällt mir dazu nur ein: bitte hören Sie auf, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen und uns für dumm zu verkaufen“. Da möchte ich gleich bei Katharina einhaken: Leute, die Politik gar nicht mehr interessiert, gibt’s genug, die denken sich einfach, „scheiß Politik“, die anderen, die noch eine gewisse Leidenschaft empfinden, glauben kein Wort. Es hat was von Löwingerbühne, es fehlen auf einmal 20, oder 40 oder 24 Milliarden…

Julis
Niki Scherak
geboren 1986,
ist seit 2009 bei den Jungen Liberalen engagiert,
war ÖH-Klubobmann und Bundesvorsitzender der Julis, nach dem Zusammenschluß mit und zu den NEOS ist er Vorstandsmitglied der NEOS und Jugendsprecher des Parlamentsklubs.
Katharina Kucharowits: Ich muss Dir Recht geben, was die Löwingerbühne anbelangt – auch gestern im Rahmen der Debatte, da kann ich nur zustimmen, denn ich finde wirklich: dieser Umgang miteinander ist eigentlich kein neuer Stil und gerade auf Ebene der neuen Abgeordneten – und ich habe mich mit dem Niki Scherak und auch mit den neuen Kolleginnen von den anderen Fraktionen darauf verständigt, dass man gemeinschaftlich vorgeht und dass man gemeinschaftlich etwas für junge Leute voranbringt in der kommenden Periode, das ist mein Ziel – und deshalb sind wir glaube ich alle aufgerufen, Abschied zu nehmen von Degradierungen.
Niki, welche Möglichkeiten hast du als junger Abgeordneter und wie gehst du damit um?
Niki Scherak: Ich finde erschreckend, was da passiert. Wir haben es gestern im Plenum gehört: Es wird einfach negiert, dass es hier ein Problem gibt und das zieht sich durch die beiden Regierungsparteien durch. Sie glauben, uns weiterhin für dumm verkaufen zu können. Ich habe auch gestern gesagt, dass wir als junge Abgeordnete auch gemeinsam auftreten müssen und sagen, das ist einfach nicht mehr möglich, dass man diese Dinge auf dem Rücken der jungen Menschen austrägt.

Michael Fiedler Radio FM4
Katharina Kucharowits: Vielleicht können wir auch dabei bleiben, zu sagen, „es handelt sich im Moment um Prognosen, die unterschiedliche Zahlen an den Tag legen, und wichtig ist dann glaube ich, mit Fakten zu arbeiten.
Die gestrige aktuelle Stunde ist auch thematisch von der SPÖ bestimmt worden. Das Thema war die Jugendbeschäftigung: da hat man gestritten, ob jetzt 42 000 oder 72 000 Jugendliche arbeitslos sind – also ob man alle, die staatliche Ausbildungen machen, da jetzt hineinrechnen kann. Standpunkt der SPÖ ist gewesen, „wir stehen immer noch am besten in Europa da“. Dieses Argument haben wir auch im Wahlkampf oft gehört. Ist das beruhigend, Niki?
Niki Scherak: Man muss zumindest zugestehen, dass hier viel gemacht wurde, und dass wir wirklich gut dastehen im europäischen Vergleich – nur muss man trotzdem noch weitermachen. Da ist der Unterschied zwischen der Katharina und mir ein ganz klarer: Auf der einen Seite wird gefordert, dass der Staat auch eine Verantwortung hat und investieren soll. Wir glauben halt viel eher, dass der Staat in vielen Bereichen vernünftige Rahmenbedingungen dafür schaffen muss, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können. Da werden wir uns wahrscheinlich in vielen Bereichen nicht treffen, aber die grundsätzliche Tatsache, dass wir gut dastehen im europäischen Vergleich, dass kann man ja nicht negieren, das ist Faktum, ja.
Was gerade in Deutschland hochkocht, und bei uns auch im Wahlkampf diskutiert wurde, ist der Mindestlohn. Bei den NEOS war das durchaus nicht ganz klar, was da Sache ist – da hat es auch unterschiedliche Informationen gegeben… Bei Mindestlohn spricht man von fairer Bezahlung, sodass man von seinem Job leben kann – auf der Gegenseite gibt es (auch in Deutschland) das Argument, man setze den Unternehmen eine Preisgrenze vor, was heißt, dass es Arbeitslose geben wird – das wäre der wirtschaftsliberale Zugang. Wo stehen die NEOS da jetzt?
Niki Scherak: Ich glaube, dass die NEOS da eine ganz klare Position haben: dass wir sicher der Meinung sind, dass ein Mindestlohn eigentlich keinen Sinn macht. Ich glaube, dass wir ganz massiv auch in die Autonomie von Unternehmen und von Wirtschaftstreibenden eingreifen und wir eben dadurch, wenn wir eine Grenze einziehen, auch Arbeitslose schaffen – weil es dann nicht möglich sein wird, dass wir Leute auch in gewissen Beschäftigungsverhältnissen haben. Ich persönlich bin der Meinung, es ist besser, Leute sind in Beschäftigung – möglicherweise teilweise dann teilweise auch unterbezahlt – das gestehe ich ja zu, dass man da auch was machen muss – aber ich glaube, es ist besser, sie sind in Beschäftigung, als sie sind es gar nicht.
Katharina Kucharowits: Ich teile das nicht, dass man unterbezahlt in einer Beschäftigung oder prekär beschäftigt sein soll – wichtig ist, und das ist vor allem auch mein Anspruch oder der Grund, warum ich politisch aktiv bin, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, einen Vollzeitjob – und den vor allem gerecht und fair entlohnt – zu bekommen. Deshalb teile ich sehr wohl die Position pro Mindestlohn von 1500 Euro.
Niki, stört Dich dieses Etikett des Neoliberalen?
Niki Scherak: Das wirft man uns halt immer wieder um die Ohren. Ich glaube, dass das da gar nicht darum geht, dass man das irgendwie einordnet. Ich glaube eben, wenn man mit wirtschaftlicher Logik argumentiert, und das ist nicht sonderlich schwer, man wie eben in diesem Fall beim Mindestlohn ganz klar sieht, dass, wenn wir solche gesetzlichen Mindestlöhne einführen, dass Unternehmen Probleme haben werden, diese Arbeitsplätze weiterhin zu schaffen, und dass dann Leute aus der Beschäftigung hinausfallen. Da kann man mit welcher Keule auch immer herumwacheln – das halten wir schon ganz gut aus.

Michael Fiedler Radio FM4
Wir wollen noch über die Lehrerinnen und Lehrer sprechen, die momentan viel gescholten werden, auch in der Presse. Man hat den Eindruck, Katharina, als würde die Regierung jetzt einen auf scharf machen, weil man auch die Stimme des Volkes vom Stammtisch und vom Boulevard hinter sich zumindest zu haben glaubt. Jetzt kann man verschiedene Zugänge haben, was die Lehrerinnenbezahlung betrifft, aber ist es wirklich fair jenen Lehrerinnen und Lehrern gegenüber, die sich den Arsch aufreißen, da jetzt ein bisschen den schwarzen Peter hinzuschieben?
Katharina Kucharowits: Das Problem ist: das sind nicht alle Lehrerinnen und Lehrer, sondern LehrerInnenvertreter. Ich muss dazusagen, ich bin ein bisschen in einem Spannungsfeld, weil ich selbst Lehramtsstudierende bin. Ich habe mir das natürlich nicht so gewünscht, wie es jetzt gekommen ist, ich sage es, wie es ist, aus meiner Sicht hätten sich beide Seiten bewegen müssen: Lehrerinnen und Lehrer hätten endlich einmal anerkennen müssen, dass das jetzige System nicht das Gelbe vom Ei ist und dass man sich da auch einfach mal bewegen muss. Da gehört aber auch dazu, in der Ausbildung etwas anderes zu vermitteln. Ich habe selbst erfahren: wenn ausschließlich der Fokus auf das Fach im Mittelpunkt steht und kein pädagogischer Schwerpunkt besteht, ist es für mich problematisch. So wies es jetzt ist, habe ich es mir natürlich nicht gewünscht.
Niki, ihr habt im Wahlkampf den Slogan „Bildungspower statt Neugebauer“ geprägt – jetzt gibt es Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer noch immer, im Gegenteil, er ist anscheinend noch mächtiger als zuvor, denn es steht ein Streik im Raum. Wie ist eure Vorgangsweise in dieser Causa?
Niki Scherak: Ich habe gestern ganz kurz im Fernsehen gesehen, dass auch ein Lehrervertreter gesagt hat, „da wird jetzt drübergefahren“, und das wäre die allgemeine Meinung der Lehrer, und das sehe ich nicht. Wir haben da ja über Jahre hinweg verhandelt, keine Frage, und wir sind halt an einem Punkt angekommen, wo es eben offensichtlich auch notwendig ist, klar zu zeigen, was man will, und da werden nicht alle zufrieden sein, aber das ist auch in Ordnung so. So ist halt Politik, das ist halt auch eine Sache, wo nicht immer alle einverstanden sind, und ich finde wichtig, dass hier endlich einmal etwas passiert, denn es kann nicht sein, dass wir über Jahre, Jahrzehnte hinweg die gleiche Diskussion führen und zu keinem Ergebnis kommen.
Vielen Dank für’s Kommen und viel Erfolg in dieser Legislaturperiode.