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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

23. 11. 2013 - 06:00

Bis Mitternacht stöbern

Der Flohmarkt-Besuch, ein Klassiker an Wochenendzeitvertreib, gestaltet sich in Graz neu. Mit neuen Märkten für Second-Hand.

Sonntags um elf ist es zu spät. All die möglichen Schätze trägt ein Anderer nachhause und die übriggeblieben Dinge sind verstaut in Bananenschachteln und außer Sichtweite. Flohmarktbesuche sind für Menschen mit Passion gemacht. Doch Beginnzeiten sind - anders als die Preise - selten verhandelbar. In Graz tun sich nun junge Alternativen auf.

Ein Gürtel mit lauter Mickey-Mäusen und tragbare Stöckelschuhe sind erste vielversprechende Fundstücke. Der erste Grazer Nachtfohmarkt, veranstaltet von tag.werk, dauerte bis in die frühen Morgenstunden, bis Mitternacht waren die Stände besetzt. Danach wurde bei der Afterparty getanzt. Denn ein Nachtflohmarkt verbindet, was Abends unterhält: Feiern zu Musik von DJs, trinken und essen. Und dann wären da noch all die feilgebotenen Dinge.

Armbänder auf einem Tisch

Lina Brandl

tag.werk ist ein Jugendbeschäftigungsprojekt der Caritas, doch um die betriebseigene Kollektion geht es bei diesem speziellen Flohmarkt nicht. Der Eintritt von drei Euro ist gut investiert und kommt zusätzlich eben einem guten Zweck zu. Heute, 23. November, findet der "2. Grazer Nachtflohmarkt" am Austragungsort Explosiv in der Halle statt. Was kann man erwarten? Flohmarktstände Privater, auch welche mit auffälligem Second-Hand also Vintage und selbstgemachten Dingen. Eine Alternative zum Online-Stöbern bei Etsy vielleicht. Sogar selbstgebaute Skateboards fanden sich beim ersten Mal an einem Stand, andere Verkäufer waren mit einer Nähmaschine vor Ort.

Vintage ist ja eine Kategorie, die engste Freunde entzweien kann. Der kleine Hinweis auf eine Tatsache, die mir zukünftige sonnengelbe und Perlen bestickte Angorapullis auch nicht ausreden wird können, fällt im Film "Les Amours Imaginaires": "Nur, weil es Vintage ist, heißt das nicht, dass es automatisch schön ist". Der Film selbst ist eine Hommage an Second-Hand.

Diesmal beginnt der Nachtflohmarkt um 16 Uhr nachmittags und endet "bereits" um Mitternacht. Eine Sambaband wird zwischendrin spielen. "Wenn du mal in Feierlaune bist, ist Mitternacht recht früh!", lacht Lina Brandl von tag.werk, "Doch nächstes Jahr machen wir wieder zwei Nachtflohmärkte mit Afterhour, an Terminen im Frühjahr und Herbst!"

Verschwendung vermeiden

Eine Herausforderung für BesucherInnen und eine der spannendsten Ideen, wenn es um die Neuausrichtung vom Wochenendvergnügen Flohmarkt geht, haben sich Julia Kathriner und ihre Freundinnen ausgedacht. Wie wäre es, wenn sie im Herbst nicht wieder neue Sachen in Geschäften kaufen würden, wo zugleich die eigenen Kästen ohnehin voll wären? Ein Kleidertausch im Freundeskreis kam nicht in Frage, hat doch jede und jeder eine andere Kleidergröße. Die Problemstellung ist bekannt, die Lösung ein Hit. Das Konzept des Tauschens übernahmen Julia Kathriner und Freundinnen für eine größere, öffentliche Runde. Bei ihrem, im Spektral vergangenen Monat organisierten Nachtflohmarkt wurde das Handeln völlig umgangen.

Nachtflohmarkt im Spektral Mitte Oktober 2013

Julia Kathriner

Geplant war ein freier Austausch von Kleidung und Gebrauchsgegenständen ohne Geld. "Bringt, was ihr mit zwei Händen tragen könnt (Waschmaschine und Co. müssen leider zuhause bleiben)" stand am Flyer. Es gab einen großen Tisch, auf den alles gelegt wurde, was mitgebracht worden war. Davon konnte sich jede Besucherin und jeder Besucher nehmen, was sie oder er gern haben wollte. Auch, wenn man selbst gar nichts zum Weitergeben hatte. Auf eine Begrenzung auf eine gewisse Stückzahl haben die Organisatorinnen verzichtet. "Wir haben darauf vertraut, dass sich das ausgleicht", erzählt Julia Kathriner. Manche nahmen zwanzig Kleidungsstücke, andere nichts.

Einzig zwei Stücke waren Fälle für den Abfall und Ramsch, der Rest schöne Kleidung und Dinge, darunter Kindersachen und Taschen. Weil Julia Kathriner viele kennt, die Musik machen, galt der Aufruf zum Austausch nicht nur Gebrauchtem, sondern auch für Kunst und Musik.

Flyer zum Nachtflohmarkt, der wie Tauschmarkt konzipiert ist

Julia Kathriner

Der Abend war eine schöne Party für alle. Die Überraschung des Experiments war allerdings: "Uns ist sehr vieles übriggeblieben", sagt Julia"Ich denke, viele hatten eine Hemmschwelle, zu nehmen ohne etwas zu geben." Die Stücke, die am Ende noch auf den Tischen lagen, gingen als Spende an die Vinzi-Gemeinschaft.

Eine Wiederholung ihres Nachtflohmarkts schließt Julia nicht aus. Nach Weihnachten vielleicht, dann wäre es ein Geschenke-Tauschen. Der Aufwand ist jedoch beachtlich. Julia und ihre Freundinnen haben für die BesucherInnen sogar gekocht.

Mögliche zukünftige Lieblingsdinge

Im Checken und Organisieren kennen sich vier andere junge Frauen mittlerweile ebenso gut aus wie beim professionellen Bloggen. Hannah Lafer, Stefanie Stattmann, Christina Friedl und Viktoria Resch planen "Love, einen Flohmarkt im Grazer Volkskundemuseum am 1. Dezember, den sie jedoch nicht zwingend als "Flohmarkt" bezeichnen wollten. Hier soll sich alles um Kleidungsstücke, Accessoires und Beautyprodukte. Wie sich das mit letztgenannter Produktkategorie gestalten wird, macht neugierig.

Mit ihrem Markt möchten sich die Vier von Flohmärkten auf Parkplätzen vor Shoppingcentern abheben. Denn trotz mehrfacher Versuche sei man auf den gewöhnlichen Flohmärkten nie wirklich fündig geworden. Bei Love(d) sollen Besucherinnen keine T-Shirts, das seit Jahren auf einem Dachboden lagern, um zwanzig Cent angeboten bekommen. "Wir bitten alle, die bei uns einen Stand haben werden, Ramsch gar nicht erst mitzubringen", erklärt Viktoria Resch. Sämtliche Stellplätze sind bereits vergeben und zwar ausschließlich an Mädchen und Frauen. Der Andrang wäre fünf Mal so groß gewesen, doch kein einziger Mann unter den Interessenten.

Christina Friedl hält eine rundes Plakat mit der Ankündigung des Love(d)-Flohmarktes

Resch Communications

Ein Tipp sind auch die Flohmärkte vor der Postgarage im Rösselmühlpark.

Viktoria und ihre Kolleginnen haben sich über ihre Blogs kennengelernt und im Vorjahr einen Mädchenflohmarkt gemacht. "Als Bloggerin kauft man sich relativ viele Sachen. Irgendwann hat man so viel im Schrank - so viele Tage hat das Jahr nicht, um das alles anzuziehen! Und das gibt man weiter", so Viktoria. Oder jene Kleider, ohne die das Leben im Geschäft fortan weniger bunt erschienen ist, und die nun ganz unten im Schrank lagern. Spontanes Entzücken und spätere Einsicht gehen auch auf Flohmärkten gern Hand in Hand. Aber im Geldtascherl macht sich das dort nicht wesentlich bemerkbar.